Aktuell Saudi-Arabien 06. März 2015

Saudi-Arabien: 10 schonungslose Tatsachen

Saudi-Arabien: 10 schonungslose Tatsachen

Protestaktion gegen Folter von Raif Badawi

06. März 2015 - Heute ist es acht Wochen her, dass die Prügelstrafe gegen den Blogger und Aktivisten Raif Badawi öffentlich vollstreckt wurde. Zuvor war er wegen "Beleidigung des Islam" und Gründung eines Online-Forums für politische Debatten zu 1000 Stockhieben und 10 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Nachdem er am 9. Januar die ersten 50 Stockhiebe vor einer Moschee in Jeddah erdulden musste, teilte ein Gefängnisarzt mit, Raif Badawis Wunden wären noch nicht ausreichend verheilt und er wäre nicht in der Lage, die zweite Runde dieser brutalen Strafe zu überstehen. Am darauffolgenden Freitag empfahl ein Gremium von Medizinern, Raif Badawi keinen Stockhieben auszusetzen, weil er an hohem Blutdruck leide. Ein anderer Gefängnisarzt bestand allerdings darauf, dass Raif gesund sei und die Strafe vollstreckt werden könne. Danach wurde die Prügelstrafe fünfmal hintereinander aus unbekannten Gründen nicht vollstreckt. Wir können nur mutmaßen, ob und wann ihm die nächsten Stockhiebe drohen.

Bilder unserer letzten Aktion vor der saudi-arabischen Botschaft in Berlin

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Der Fall Raif Badawi hat international für viele Schlagzeilen gesorgt. Sein Schicksal ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs angesichts der erschreckenden Lage der Menschenrechte im Königreich am Golf. Hier sind 10 ernüchternde Tatsachen zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien:

1. Grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen
Die saudi-arabischen Gerichte verhängen weiterhin Stockhiebe als Strafe für viele Vergehen, oftmals nach unfairen Gerichtsverfahren. Neben Raif Badawi wurden in den letzten zwei Jahren die Menschenrechtsverteidiger Mikhlif bin Daham al-Shammari und Omar al-Sa’id zu 200 bzw. 300 Stockhieben verurteilt. Die philippinische Hausangestellte Ruth Cosrojas wurde zu 300 Stockhieben verurteilt. Amputationen und Kreuzamputationen (z.B. rechte Hand und linker Fuß) werden ebenfalls als Strafe für einige Verbrechen vollstreckt.

2. Dramatischer Anstieg von Hinrichtungen
Saudi-Arabien zählt weltweit zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen. Zahlreiche Menschen werden jährlich hingerichtet, viele von ihnen öffentlich durch Enthauptung. Allein in diesem Jahr sind bereits 40 Menschen hingerichtet worden – fast viermal so viele wie zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr.

3. Gnadenlose Unterdrückung von Menschenrechtsaktivisten
Außer Raif Badawi sitzen zahlreiche bekannte Aktivisten hinter Gittern, die lediglich von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Gebrauch gemacht hatten. Die kleine aber lautstarke Gruppe der Menschenrechtsverteidiger rückt verstärkt ins Visier der Behörden. Diese nutzen die Antiterrorgesetze dazu, um friedliche Aktionen niederzuschlagen, mit denen die Aktivisten auf Menschenrechtsverletzungen hinweisen und Reformen fordern.

4. Kein Platz für Andersdenkende
Alle öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen sind weiterhin nach einer Anordnung des Innenministeriums aus dem Jahr 2011 verboten. Wer sich diesem Verbot widersetzt, läuft Gefahr, wegen Anklagen wie "Aufwiegelung der Bevölkerung gegen die Behörden" verhaftet, angeklagt und ins Gefängnis geworfen zu werden.

5. Systematische Diskriminierung von Frauen und Mädchen
Frauen und Mädchen werden weiterhin vor dem Gesetz und im täglichen Leben diskriminiert. Frauen haben nach wie vor einen untergeordneten gesetzlichen Status gegenüber den Männern. Dies gilt vor allem für Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung, das Sorgerecht für die Kinder und Erbschaftsangelegenheiten. Frauen, die an einer Kampagne gegen das Frauenfahrverbot teilgenommen hatten, wurden festgenommen, belästigt und eingeschüchtert.

6. Folter in der Haft ist an der Tagesordnung
Ehemalige Gefangene, Strafverteidiger und weitere Personen haben Amnesty International berichtet, dass Folter und andere Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte an der Tagesordnung und weit verbreitet sind. Die Verantwortlichen werden nicht zur Rechenschaft gezogen.

7. Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
Viele Menschen wurden festgenommen und verbrachten mehr als sechs Monate oder sogar noch länger in Untersuchungshaft. Dies stellt eine Verletzung der strafrechtlichen Regelungen in Saudi-Arabien dar. Während der Verhöre werden Gefangene häufig ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert und erhalten keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Einige Menschenrechtsaktivisten sitzen bereits seit mehr als zwei Jahren ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft.

8. Andersgläubige werden unvermindert diskriminiert
Die Angehörigen der schiitischen Minderheit Saudi-Arabiens, die überwiegend in der ölreichen Ostprovinz leben, werden weiterhin diskriminiert. Der Zugang zu staatlichen Leistungen und zum Arbeitsmarkt wird ihnen erschwert. Schiitische Aktivisten wurden zum Tode oder zu langen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich in den Jahren 2011 und 2012 an Protestaktionen beteiligt haben sollen.

9. Massenausweisungen von Arbeitsmigranten/innen
Nach Angaben des Innenministeriums wurden im November 2013 nach rücksichtslosem Vorgehen der Behörden gegen Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus mehr als 370 000 Menschen des Landes verwiesen. Etwa 18000 von ihnen waren im März 2014 noch in Haft. Tausende Arbeitsmigranten wurden im Schnellverfahren nach Somalia, den Jemen oder andere Staaten abgeschoben, in denen ihnen Menschenrechtsverstöße drohten.

10. Was im Königreich Saudi-Arabien passiert, bleibt auch dort
Die saudi-arabischen Behörden verwehren nach wie vor unabhängigen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International den Zugang zum Land. Es ist erwiesen, dass die Behörden Strafmaßnahmen gegen Aktivist/innen und Familienangehörige von Opfern ergreifen, die sich mit Amnesty in Verbindung gesetzt haben.

Werden Sie jetzt aktiv und setzen Sie sich für Raif Badawi und seinen Anwalt Waleed Abu al-Khair ein!

Hier geht es zur Online-Petition für Raif Badawi

Hier geht es zur Urgent Action für Waleed Abu al-Khair

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