Syrische Flüchtlinge in der Türkei freigelassen

Türkei Landkarte

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95 Flüchtlinge aus Kobane in Syrien, die in einer Sporthalle in der türkischen Grenzstadt Suruç rechtswidrig festgehalten wurden, sind wieder frei. Sie benötigen Zugang zu medizinischer Versorgung. Außerdem ist eine Untersuchung der Umstände ihrer rechtswidrigen Inhaftierung sowie der Misshandlungsvorwürfe erforderlich.

Appell an

INNENMINISTER
Mr. Efkan Ala
İçişleri Bakanlığı
Bakanlıklar
Ankara
TÜRKEI
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Innenminister)
E-Mail: ozelkalem@icisleri.gov.tr
Fax: (00 90) 312 418 1795

GENERALDIREKTION DER MIGRATIONSVERWALTUNG
Atilla Toros, Director General
Lalegül Çamlıca Mahallesi 122. Sokak
No:2/3
06370 Yenimahalle
Ankara
TÜRKEI
(Anrede: Dear Mr Toros /
Sehr geehrter Herr Toros)
E-Mail: gocidaresi@goc.gov.tr
Fax: (00 90) 312 397 12 03

Sende eine Kopie an

LEITER DER PARLAMENTARISCHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Meclis İnsan Haklarını İnceleme Komisyonu
Mr. Ayhan Sefer Üstün
Commission Chairperson
TBMM İnsan Hakları İnceleme Komisyonu
Bakanlıklar, 06543 Ankara
TÜRKEI
Fax: (00 90) 312 420 53 94
E-Mail: insanhaklarikom@tbmm.gov.tr

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herr Hüseyin Avni Karslioğlu
Tiergartenstr. 19-21
10785 Berlin
Fax: 030 275 909 15
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Türkisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. Dezember 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Veranlassen Sie die sofortige, unabhängige und unparteiische Untersuchung der rechtswidrigen Inhaftierung der Flüchtlinge und der Misshandlungsvorwürfe sowie der Rückführung der beiden Flüchtlingsgruppen nach Syrien.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass alle freigelassenen Flüchtlinge Zugang zu medizinischen Untersuchungen sowie jede erforderliche medizinische Behandlungen erhalten.

  • Sorgen Sie zudem dafür, dass alle Flüchtlinge aus Syrien sofort in die Türkei einreisen können und keine übermäßigen Verzögerungen, Inhaftierungen oder sonstigen Strafmaßnahmen erleiden müssen, weil sie ihr Recht auf Asyl in der Türkei wahrnehmen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to carry out a prompt, independent and impartial investigation into the refugees’ unlawful detention and allegations of ill-treatment, and of the return of two groups of refugees to Syria.

  • Urging them to ensure that all of the released refugees are given access to medical examinations and receive any necessary medical treatment.

  • Urging them to ensure that all refugees coming from Syria are afforded prompt access to Turkey and are not subjected to excessive delay, detention or any other punitive measure for attempting to seek asylum in Turkey.

Sachlage

Am 20. Oktober gegen 16 Uhr wurden 95 Flüchtlinge aus Syrien aus der Sporthalle in Suruç im Südosten der Türkei, wo sie seit dem 5. Oktober rechtswidrig festgehalten wurden, in ein Zeltlager im Viertel Aligör in Suruç gebracht. Nach ihrer Ankunft im Lager wurden sie von den türkischen Behörden freigelassen und sollen sich inzwischen bei Familienangehörigen in der Türkei befinden. Bei den 95 Personen handelte es sich um den Rest einer Gruppe von fast 300 Flüchtlingen, die ursprünglich in der Sporthalle inhaftiert waren. Zwei Gruppen mit jeweils 82 und 40 Flüchtlingen wurden am 14. bzw. 16. Oktober genötigt, nach Syrien zurückzukehren, während eine dritte Gruppe mit rund 85 Flüchtlingen freigelassen und in ein Flüchtlingslager in der Türkei gebracht wurde.

Rechtsbeistände der Flüchtlinge teilten Amnesty International mit, dass die Behörden noch keinerlei Reaktion hinsichtlich der rechtwidrigen Inhaftierung, der von den Flüchtlingen erhobenen Misshandlungsvorwürfe oder der Rückführung der beiden Flüchtlingsgruppen gezeigt hätten. Unklar ist auch, inwieweit die Flüchtlinge nach ihrer Entlassung aus der Haft medizinisch versorgt wurden. Einige Flüchtlinge berichteten Amnesty International, dass sie unter schweren gesundheitlichen Beschwerden leiden und ihnen in der Haft jegliche Untersuchung oder medikamentöse Behandlung verweigert worden sei.

In den vergangenen beiden Wochen gab es zahlreiche Berichte über Flüchtlinge aus Kobane (auch bekannt als Ain al-Arab), denen die Einreise in die Türkei verweigert wurde. Ebenso wird berichtet, dass verletzten Personen erst nach langen, lebensbedrohlichen Verzögerungen erlaubt wurde, ins Land einzureisen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 18. Oktober erhielt Amnesty International Zugang zu den in der Sporthalle inhaftierten Flüchtlingen. Einer von ihnen gab an, erst 17 Jahre alt zu sein. Bei vielen handelt es sich um junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren, wobei es in der Gruppe auch ältere Männer zwischen 40 und 60 Jahren gibt. Die Männer berichteten Amnesty International, dass sie wiederholt ihre Freilassung gefordert hätten, um sich zu ihren Familien begeben zu können, die sich als Flüchtlinge in der Türkei aufhalten.

Die Gruppe war Teil einer größeren Gruppe aus fast 300 Flüchtlingen, die am 5. Oktober bei dem Versuch, am Grenzübergang Mürşitpınar in die Türkei einzureisen, festgenommen wurden. Wie die Flüchtlinge Amnesty International mitteilten, haben sie sich geweigert, Dokumente zu unterzeichnen, mit denen sie ihre Einwilligung gegeben hätten, nach Syrien zurückgeführt zu werden und keinen weiteren Versuch der Einreise in die Türkei zu unternehmen.

Des Weiteren berichteten die Flüchtlinge Amnesty International, dass zwei Gruppen in die syrische Stadt Kobane zurückgebracht worden seien, in der nach wie vor heftige Gefechte stattfinden zwischen der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS) und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die die Stadt seit Juli 2012 halten. Den Flüchtlingen zufolge sind die nach Kobane zurückgebrachten Gruppen genötigt worden, die Einwilligungserklärung zu unterzeichnen. Man habe ihnen gedroht, sie unbefristet festzuhalten, falls sie sich weigern sollten, nach Syrien zurückgeführt zu werden. Dies wäre ein faktisches Refoulement und laut Völkerrecht und türkischem Recht verboten.

Wie die Flüchtlinge Amnesty International berichteten, haben die türkischen Behörden ihnen keine Gründe für ihre Festnahme genannt und ihnen wiederholt gesagt, dass sie freigelassen werden würden. Die Flüchtlinge sagten: "Wenn wir ein Verbrechen begangen haben, dann bringt uns vor ein Gericht und lasst sie es beweisen." Viele Flüchtlinge sagten Amnesty International, dass ihre Familien nicht wüssten, dass sie sich in Haft befinden. Familienangehörigen, die von der Inhaftierung wussten, habe man bei ihrem Eintreffen in der Sporthalle nicht erlaubt, sie zu sehen.

Flüchtlinge erzählten Amnesty International, dass sie am dritten Tag ihrer Inhaftierung einzeln verhört und dabei von Angehörigen der Gendarmerie misshandelt worden seien, indem man sie zu Boden geworfen habe und ihnen auf Arme und Beine getreten sei. Einige berichteten, dass man sie gefragt habe, ob sie der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) angehörten. Dabei seien ihnen Messer an den Hals gehalten worden und man habe gedroht, ihnen die Köpfe abzuschlagen und diese nach Syrien hineinzuwerfen.

Die Flüchtlinge wurden rund um die Uhr in einer Sporthalle ohne angemessene Luftzufuhr und mit nur einer schmutzigen Toilette und einer Dusche für 95 Personen festgehalten. Amnesty International sprach mit neun Männern, die akute gesundheitliche Probleme hatten. Ein Mann erzählte Amnesty International, dass er während der Inhaftierung in der Sporthalle einen Herzinfarkt erlitten habe. Eine Ambulanz habe ihn ins Krankenhaus gebracht, doch habe man ihn nach einer Stunde in die Sporthalle zurückgebracht und ihm weder Medikamente zur Verfügung gestellt noch ihn weiter untersucht. Wie Amnesty International von den Flüchtlingen erfuhr, habe auch niemand anderes während der Inhaftierung Zugang zu medizinischen Untersuchungen, Behandlungen oder Medikamenten erhalten. Weitere acht Männer berichteten Amnesty International von medizinischen Problemen, darunter eine Rückgratverletzung, Atemwegsprobleme, Herzprobleme, Anämie, eine Harnwegsinfektion, Nierensteine und Hautkrankheiten. Wie viele Flüchtlinge berichteten, hätten sich ihre gesundheitlichen Probleme erst während der Inhaftierung ergeben oder währenddessen verschlimmert.

Die Flüchtlinge erzählten Amnesty International, sie seien Zivilpersonen. Unter ihnen befanden sich neun Journalist_innen der Nachrichtenagentur Hawar, die in Kobane geblieben waren, um die Außenwelt über die Lage zu informieren. Viele Männer sagten, sie hätten als Fahrer gearbeitet, und zeigten ihre Fahrerausweise.