Tausende vertrieben
Karte von Nigeria
© Courtesy of the University of Texas Libraries
Mehr als 30.000 Bewohner_innen wurden am 9. und 10. November in Otodo Gbame im Bundesstaat Lagos im Südwesten Nigerias von der Polizei und Regierungsbeamt_innen des Bundesstaates Lagos aus ihren Häusern vertrieben. Hunderttausende weitere Menschen, die im Bundesstaat Lagos in Gemeinden an Flüssen oder der Küste wohnen, sind ebenfalls von rechtswidriger Zwangsräumung bedroht.
Appell an
GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES LAGOS
Governor Akinwunmi Ambode
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Facebook: www.facebook.com/Akinwunmi.Ambode
Twitter: @AkinwunmiAmbode
MINISTER FÜR STADTPLANUNG UND ENTWICKLUNG DES BUNDESSTAATES LAGOS
Sir Hon. Tpl. Wasiu Anifowoshe
Ministry of Physical Planning & Urban Development Lagos State
Alausa Secretariat Ikeja
Lagos
NIGERIA
(Anrede: Hon. Commissioner / Sehr geehrter Minister)
Sende eine Kopie an
LEITER DER NATIONALEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Professor Bem Angwe
National Secretariat
No.19, Aguiyi Ironsi Street Maitama
P.M.B. 444
Garki Abuja
NIGERIA
BOTSCHAFT DER BUNDESREPUBLIK NIGERIA
S.E. Herrn Abdu Usman Abubakar
Neue Jakobstraße 4
10179 Berlin
Fax: 030-2123 0164
E-Mail: info@nigeriaembassygermany.org
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Januar 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS, FACEBOOK- ODER TWITTER-NACHRICHTEN MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
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Ich bitte Sie eindringlich, umgehend die Einstellung aller geplanten Abrisse von Küstengemeinden bekanntzugeben.
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Bitte sorgen Sie umgehend dafür, dass der Brand, der Wohnhäuser und andere Gebäude in der Gemeinde Otodo Gbame zerstörte, untersucht wird, und leiten Sie eine Untersuchung der Vorfälle ein, die zur Zwangsräumung von mehr als 30.000 Menschen in dieser Gemeinde führten.
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Bitte sorgen Sie dafür, dass vor neuen Zwangsräumungen verfahrenstechnische und rechtliche Schutzmaßnahmen geschaffen werden. Dazu gehören auch eine wirkliche Konsultation, die rechtzeitige Ankündigung und die Bereitstellung angemessener Entschädigungsleistungen und alternativer Unterkünfte für diejenigen, die nicht für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen können.
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Stellen Sie bitte auch umgehend Hilfsgüter, medizinische Versorgung, angemessenen alternativen Wohnraum und Entschädigungsleistungen für bereits aus der Gemeinde Otodo Gbame Vertriebenen zur Verfügung.
- Rufen Sie bitte ein Moratorium für Massenzwangsräumungen aus, bis rechtliche Vorgaben verabschiedet werden, die sicherstellen, dass Zwangsräumungen gemäß internationalen Standards durchgeführt werden.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
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Urging the Lagos State government to immediately announce a halt to all planned demolitions of waterfront communities in the state.
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Urging them to, as a matter of urgency, investigate the fire incident that destroyed people’s houses and structures and launch an inquiry into the events that led to the forced eviction of over 30,000 people in Otodo Gbame community.
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Calling on them to ensure that all legal and procedural safeguards are put in place prior to any evictions, including genuine consultation with all those affected on alternatives to evictions, adequate notice, legal remedies, compensation, and provision of alternative housing for those who cannot provide for themselves.
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Calling on them to provide immediate relief supplies, medical care, alternative adequate housing and compensation to evicted residents including those from Otodo Gbame communities.
- Urging them to establish a moratorium on mass evictions until regulations to ensure that evictions comply with international standards are in place.
Sachlage
Mehr als 30.000 Bewohner_innen in Otodo Gbame, einer Küstengemeinde im Bundesstaat Lagos, sind am 9. und 10. November von den Behörden des Bundesstaates vertrieben worden. Augenzeug_innen berichteten, dass es eine "Auseinandersetzung" zwischen zwei Gemeinden gegeben habe, die am Morgen des 9. November eskalierte und in deren Verlauf es zu einem Brand kam. Die Ursache für das Feuer ist nicht wirklich geklärt, doch Augenzeug_innen berichteten, dass die Polizei vor Ort nicht versuchte, das Feuer zu löschen. Stattdessen verjagte sie Bewohner_innen, die dies versuchten. In einer Stellungnahme der Polizei heißt es, sie hätte eingegriffen, um die "Ordnung wiederherzustellen". An diesem Tag brannte es bis gegen 13:30 Uhr. Gegen 22:30 Uhr rückte die Polizei erneut an, diesmal mit einem Bulldozer und einem Abrissteam. Bewohner_innen geben an, dass die Polizei den Bulldozer einsetzte, um ihre Häuser abzureißen. Polizist_innen steckten einige Häuser in Brand und schossen wiederholt in die Luft, um die Anwohner_innen in Schrecken zu versetzen und damit aus ihren Häusern zu vertreiben, damit sie die Zwangsräumung vornehmen konnten. So ging es bis zum Nachmittag des folgenden Tages, dem 10. November, weiter. Bewohner_innen gaben gegenüber Amnesty International an, dass die Behörden ihnen keinen Räumungsbefehl vorgelegt hatten. Die Durchführung dieser Zwangsräumung verstößt gegen eine richterliche Anordnung vom 7. November, die den Behörden des Bundesstaates Lagos untersagt, Häuser in Ufersiedlungen im Bundesstaates Lagos abzureißen.
Kurz vor der Zwangsräumung hatte der Gouverneur des Bundesstaates Lagos angekündigt, alle informellen Siedlungen entlang der Küste des Bundesstaates aus Sicherheitsgründen abreißen zu wollen. Bislang hat es keine Konsultationen mit den Bewohner_innen der betroffenen Gemeinden gegeben. Derartige rechtswidrige Zwangsräumungen können zur Obdachlosigkeit von Hunderttausenden Menschen entlang der Küstengemeinden im Bundesstaat Lagos führen und deren Bewohner_innen weiteren Menschenrechtsverletzungen aussetzen.
Hintergrundinformation
Seit April 2016 kommt es im nigerianischen Bundesstaat Lagos immer häufiger zu Entführungen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und die Sicherheit zu erhöhen, haben die Behörden entschieden, alle informellen Gemeinden entlang der Küste abzureißen.
Der Gouverneur des Bundesstaates Lagos, Akinwunmi Ambode, besuchte am 9. Oktober die Küstensiedlung Ilubirin. Während dieses Besuchs sagte er, dass in den folgenden sieben Tagen der Abriss aller informeller Siedlungen in Lagos beginnen würde. Die Sprecher_in der Behörde für Baukontrolle des Bundesstaates Lagos bestätigte gegenüber Amnesty International das Vorhaben, alle Slums an der Küste des Bundesstaates abzureißen.
Der Informationsbeauftragte Steve Ayorinde drückt sich auf der Website des Bundesstaates Lagos folgendermaßen aus: "Die Regierung hat angemessene Schritte unternommen, um die Welle der Entführungen im Bundesstaat einzudämmen, und gibt bekannt, dass in Übereinstimmung mit der Direktive des Gouverneurs des Bundesstaates Lagos, Akinwunmi Ambode, nunmehr mit dem Abriss der illegalen Strukturen entlang der Küste des Bundesstaates begonnen wird."
Bewohner_innen der Gemeinde Ilubirin sind am 15. Oktober vertrieben und ihre Häuser abgerissen worden. Bislang haben die Bewohner_innen dieser Siedlung keinerlei Unterstützung, Entschädigungsleistungen oder alternativen Wohnraum erhalten.
Am 7. November hat das Hohe Gericht des Bundesstaates Lagos eine einstweilige Verfügung erlassen, die es der Regierung des Bundesstaates untersagt, bis zur Anhörung der Klage der Bewohner_innen gegen die Regierung des Bundessstaates am 6. Dezember 2016 weitere Häuser abzureißen.
Mehr als 30.000 Bewohner_innen der Siedlung Otodo Gbame sahen am 9. und 10. November bei ihrer Zwangsräumung mit Entsetzen dem Abriss ihrer Häuser und der Vernichtung ihres Eigentums zu. Die Bewohner_innen der Siedlung ergriffen verwirrt die Flucht, einige stürzten ins Meer, während sie davonliefen. Über den Vorfall wurde fälschlicherweise als "Auseinandersetzung" zwischen Jugendlichen aus Otodo Gbame und einer Nachbargemeinde berichtet, bei dem die Polizei eingegriffen hätte, um "die Ordnung wieder herzustellen".
Seit 2000 sind über zwei Millionen Menschen in verschiedenen Teilen Nigerias Opfer einer rechtswidrigen Zwangsräumung geworden. Diese Zwangsräumungen werden ohne angemessene vorherige Konsultation, angemessene Ankündigung und Entschädigung oder die Bereitstellung von Alternativunterkünften durchgeführt. Die meisten Betroffenen waren schon vor der Zwangsräumung marginalisiert und viele lebten seit Jahren ohne Zugang zu sauberem Wasser, Sanitäreinrichtungen sowie angemessener Gesundheitsversorgung und Bildungsmöglichkeiten.
Im September 2015 wurden 10.200 Bewohner_innen in der Gemeinde Ost-Badia, die in Ijora in Lagos liegt, vertrieben. Viele der Betroffenen dieser Zwangsräumung sind nach wie vor obdachlos und abhängig von Familie und Freund_innen. Die Regierung des Bundesstaates hat bis heute weder für eine Entschädigung noch für eine Neuansiedlung der Betroffenen gesorgt.
Nigeria ist Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und anderer internationaler und regionaler Menschenrechtsverträge, und ist daher verpflichtet, das Recht auf angemessenes Wohnen umzusetzen, rechtswidrige Zwangsräumungen zu verhindern und nicht selbst durchzuführen.