Drohende Steinigungen

Brief aus der Todeszelle

Abdollah Farivar Moghaddam wurde am 19. Februar 2009 im Sari-Gefängnis im Norden des Iran gehängt. Zusammen mit den anderen oben genannten Personen war er wegen des "Vergehens" des "Ehebruchs" zum Tode durch Steinigung verurteilt worden, doch seine Familie wurde am 18. Februar darüber informiert, dass man ihn am folgenden Tag hängen würde. Laut iranischem Recht wird "Ehebruch" immer mit Tod durch Steinigung geahndet. Anti-SteinigungsaktivistInnen befürchten, dass auch das Leben der anderen Menschen, die zum Tod durch Steinigung verurteilt sind – darunter auch die oben genannten – in unmittelbarer Gefahr sein könnte.

Appell an

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT Ayatollah Mahmoud Hashemi Shahroudi Howzeh Riyasat-e Qoveh Qazaiyeh / Office of the Head of the Judiciary Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri, Tehran 1316814737, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency) Fax: (0098) 21 3390 4986 E-Mail: shahroudi@dadgostary-tehran.ir

RELIGIONSFÜHRER His Excellency Ayatollah Sayed ’Ali Khamenei The Office of the Supreme Leader, Islamic Republic Street – Shahid Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency) E-Mail: info@leader.ir oder istiftaa@wilayah.org

Sende eine Kopie an

PARLAMENTSPRECHER His Excellency Ali Larijani Majles-e Shoura-ye Eslami Baharestan Square, Tehran, IRAN (korrekte Anrede Dear Mr. Larijani) Fax: (00 98) 21 3355 6408

 

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin Fax: 030-8435 3535 E-Mail: iran.botschaft@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. April 2009 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE SEND APPEALS TO ARRIVE AS QUICKLY AS POSSIBLE, IN ENGLISH OR YOUR OWN LANGUAGE:

  • expressing deep regret at the two stonings in Mashhad in December 2008 and the execution of Abdollah Farivar Moghaddam in Sari on 19 February;

  • calling on the authorities to immediately commute all sentences of death by stoning;

  • calling on them not to allow the execution of those convicted by any other means;

  • urging the authorities to ensure that the moratorium on stonings is implemented immediately and effectively, making it clear to officials of law enforcement, custodial and other relevant ministries and agencies that this moratorium must not be breached and that any officials who defy that instruction will be held accountable;

  • calling on the authorities to urgently reform the law on stoning in Iran, and urging that any new legislation permits neither stoning nor any other form of execution for "adultery while being married".

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE, IN DENEN SIE

  • Ihr großes Bedauern über die zwei Steinigungen in Mashhad im Dezember 2008 und die Hinrichtung von Abdollah Farivar Moghaddam am 19. Februar 2009 in Sari äußern;

  • die Behörden auffordern alle Todesurteile durch Steinigung umgehend umzuwandeln;

  • sie auffordern, die Hinrichtung der Verurteilten auch in keiner anderen Form zuzulassen;

  • bei den Behörden darauf dringen, zu gewährleisten, dass das Steinigungsmoratorium unverzüglich und wirksam umgesetzt wird, und den Beamten der Polizeibehörden, Grenzbehörden und anderen relevanten Ministerien und Behörden deutlich zu machen, dass dieses Moratorium nicht gebrochen werden darf, und dass jeder Beamte, der diese Vorschrift bricht, dafür zur Verantwortung gezogen wird;

  • die Behörden auffordern, das Gesetz zur Steinigung dringend zu reformieren und in neuen Gesetzen weder Steinigung noch einer andere Form der Todesstrafe für "Ehebruch" zuzulassen.

Sachlage

Ashraf Kalhori (siehe UA-203/2006, 27. Juli 2006 und weitere Informationen) sollte zusammen mit ihrem Nachbarn im Juli 2006 gesteinigt werden, doch ihre Hinrichtung wurde ausgesetzt. Sie wurde außerdem aufgrund der Beteiligung am Mord an ihrem Mann zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Laut Ashraf Kalhori starb ihr Mann unbeabsichtigt, doch die Polizei warf ihr vor, den Angriff provoziert zu haben. Später zog sie ihr anfängliches Ehebruchsgeständnis zurück. Am 23. Februar 2009 berichteten zwei iranische Tageszeitungen, dass der Amnestie- und Begnadigungsausschuss ihre Petition abgewiesen hätte und ihr Urteil nun jederzeit vollstreckt werden könnte.

Der Ehemann von Iran griff sie an, als sie mit dem Sohn eines Nachbarn sprach. Während sie noch durch den Angriff bewusstlos war, tötete der Sohn des Nachbarn ihren Mann. Iran gestand anfangs bei den Verhören durch die Polizei den Ehebruch, zog ihr Geständnis aber später zurück. Ein Gericht in der Provinz Khuzestan verurteilte sie zu fünf Jahren Gefängnis wegen Beteiligung an der Ermordung ihres Ehemanns und zum Tode durch Steinigung aufgrund des Ehebruchs. Das Steinigungsurteil wurde im Juni 2007 aufgehoben und ihr wurde ein neues Verfahren gemacht, in dem sie aber erneut zum Tode durch Steinigung verurteilt wurde. Ihr Fall befindet sich seit über einem Jahr beim Amnestie- und Begnadigungsausschuss. Sie wird im Sepidar-Gefängnis in der Stadt Ahvaz festgehalten.

Laut Anti-SteinigungsaktivistInnen erlitt Khayrieh häusliche Gewalt durch ihren Ehemann. Ein Verwandter des Ehemanns, mit dem sie ein Verhältnis hatte, brachte ihn um. Sie wurde von der Abteilung 3 des Behbahan-Gerichts in Khuzestan wegen Beteiligung am Mord an ihrem Ehemann zum Tode verurteilt und ebenso zum Tode durch Steinigung aufgrund des Ehebruchs. Khayrieh hat jede Beteiligung an der Ermordung ihres Ehemanns bestritten, gibt den Ehebruch jedoch zu. Sie soll im Sepidar-Gefängnis festgehalten werden.

Eine als Afsaneh R. aus Shiraz im Süden des Iran bekannte Frau wurde wegen des Mordes an ihrem Ehemann von der Abteilung 5 des Gerichts in Fars im Süden des Iran am 9. April 2008 sowohl zum Tode durch Steinigung wegen Ehebruchs als auch zum Tode im Sinne der Vergeltung (qesas) verurteilt. Das Urteil wurde am 4. August 2008 von der Abteilung 27 des Obersten Gerichtshofs bestätigt, am selben Tag als der Sprecher der Justiz, Ali Reza Jamshidi, wiederholte, dass Hinrichtungen durch Steinigung im Iran ausgesetzt würden. Vier weitere Fälle sind kürzlich von Anti-SteinigungsaktivistInnen im Iran aufgedeckt worden. Eine als "H" bekannte und eine weitere nur als "M. Kh" identifizierte Frau sollen beide im Vakilabad-Gefängnis in Mashhad im Nordosten des Iran festgehalten werden und zum Tode durch Steinigung verurteilt sein. Ein namentlich nicht bekannter Mann und eine namentlich ebenfalls nicht bekannte Frau sollen im Tabriz-Gefängnis sitzen und auch zum Tode durch Steinigung verurteilt sein. Amnesty International verfügt nicht über umfassende Einzelheiten zu ihren Fällen, fürchtet aber, dass sie jederzeit hingerichtet werden könnten. Eine weitere Frau und ein weiterer Mann, Gilan Mohammadi und Gholamali Eskandari, sind ebenfalls von Steinigung bedroht (siehe UA-10/2009, 16. Januar 2009), obwohl Ali Reza Jamshidi am 27. Januar sagte, dass ihre Fälle erneut geprüft würden.

Abdollah Farivar Moghaddam wurde im November 2004 festgenommen, nachdem ein Mann Klage eingereicht hatte, in der er ihn beschuldigte, eine ungesetzliche Affäre mit seiner Tochter zu unterhalten. Abdollah Farivar Moghaddam sagte, dass er anfangs die Beziehung gestand, da er Angst vor den verhörenden Polizeibeamten hatte, und dass er mit seiner jungen Schülerin vorübergehend sigheh eingegangen war (eine Ehe auf Zeit) und sein Verhältnis mit ihr daher rechtens sei und keinen Ehebruch darstellte. In UA-257/2006 werden die Fälle von Iran, Khayrieh und Abdollah Farivar Moghaddam aufgegriffen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Strafe der Steinigung wird im Iran für das "Vergehen" Ehebruch verhängt. 2002 verfügte die Oberste Justizautorität des Iran, Ayatollah Shahroudi, ein Moratorium für Hinrichtungen durch Steinigung. Dennoch sind seit 2002 wenigstens vier Männer und eine Frau zu Tode gesteinigt worden. Im Januar 2009 sagte Ali Reza Jamshidi, der noch im Dezember 2008 zwei Hinrichtungen durch Steinigung bestätigt hatte, dass die Vorschrift über das Moratorium kein rechtliches Gewicht habe und Richter es daher ignorieren könnten.