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Menschenrechtsaktivistin weiter in Haft
Landkarte Westjordanland
© Tomaz Kramberger
Zum zweiten Mal haben die palästinensischen Behörden die Haft der Aktivistin Suha Jbara verlängert. Sie wurde von Angehörigen des Sicherheitsdienstes gefoltert und befindet sich seit dem 22. November im Hungerstreik, um gegen ihre willkürliche Inhaftierung zu protestieren. Die nächste Anhörung ist für den 20. Dezember anberaumt.
Appell an
Ali Abu Diak
Ministry of Justice
Masyoun
Ramallah
PALÄSTINENSISCHE GEBIETE
Sende eine Kopie an
Premierminister
Rami Hamdallah
Office of the Prime Minister
Masyoun
Ramallah
PALÄSTINENSISCHE GEBIETE
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Premierminister)
Fax: (00 970) 2296 8989
E-Mail: salaheddin@pmo.pna.ps
Twitter: @RamiHamdalla
Palästinensische Mission
Frau Khouloud Franses Khaleel Daibes
Rheinbabenallee 8
14199 Berlin
Fax: 030 20 61 77 10
E-Mail: info@palaestina.org
Amnesty fordert:
- Bitte stellen Sie sicher, dass Suha Jbara für ihren Hungerstreik nicht bestraft wird und zu jeder Zeit menschlich behandelt wird. Außerdem sollte sie angemessen medizinisch behandelt werden, wenn nötig in einem Zivilkrankenhaus mit den nötigen Fachabteilungen und Zugang zu unabhängigen Ärzt_innen ihrer Wahl.
- Bitte ordnen Sie umgehend eine unparteiische, unabhängige und zielführende Untersuchung der Folter- und Misshandlungsvorwürfe von Suha Jbara im Haft- und Verhörzentrum von Jericho an und sorgen Sie dafür, dass die mutmaßlich Verantwortlichen umgehend suspendiert und Disziplinarverfahren sowie strafrechtliche Verfahren gegen sie eingeleitet werden.
- Bitte garantieren Sie, dass die rechtsstaatlichen Rechte von Suha Jbara während der Inhaftierung eingehalten werden und alle gerichtlichen Schritte den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen, dazu zählt auch, ihren Rechtsbeiständen Zugang zur Fallakte zu gewähren.
Sachlage
Am 6. Dezember bestätigte das Amtsgericht Jericho im besetzen Westjordanland den Antrag der Staatsanwaltschaft, Haft von Suha Jbara um weitere 15 Tage zu verlängern. Am 3. November um 20 Uhr Ortszeit hatten palästinensische Sicherheitskräfte Suha Jbara im Haus ihrer Familie in Turmusaya nahe Ramallah im Westjordanland festgenommen und sie in das vom Gemeinsamen Sicherheitsausschuss genutzte Haft- und Verhörzentrum in Jericho gebracht.
Am 4. Dezember besuchten Vertreter_innen von Amnesty International Suha Jbara im Gefängnis, wo sie von ihrer Misshandlung durch die sie vernehmenden Personen berichtete. Nach Angaben von Suha Jbara wurde sie drei Tage lang verhört und dabei von mehreren männlichen Verhörbeamten gefoltert. Sie berichtete Amnesty International, dass sie brutal auf Brust und Rücken geschlagen, geschüttelt und gegen die Wände geschleudert worden sei und ihr sexualisierte Gewalt angedroht wurde. Außerdem erzählte sie: "Er beschimpfte mich die ganze Zeit und benutzte verrohte und gewalttätige sexualisierte Sprache. Er drohte einen Arzt meine Jungfräulichkeit prüfen zu lassen, nannte mich eine 'Hure' und drohte, meiner Familie etwas anzutun und mir die Kinder wegzunehmen."
Der Antrag des Rechtsbeistands von Suha Jbara, sie von einer_m Gerichtsmediziner_in untersuchen zu lassen, um ihre Foltervorwürfe zu prüfen, wurde vom Gericht abgelehnt. Seitdem sie in den Hungerstreik getreten ist, wurde sie bereits drei Mal in ein Krankenhaus in Jericho, dann aber wieder zurück ins Gefängnis gebracht. Ihren Rechtsbeiständen verweigert die Generalstaatsanwaltschaft den Zugang zu ihrer Akte.
Hintergrundinformation
Suha Jbara ist 31 Jahre alt, trägt die Verantwortung für drei Kinder und hat die palästinensische, US-amerikanische und panamaische Staatsangehörigkeit. Sie ist eine Aktivistin für soziale Gerechtigkeit und an islamischen Wohltätigkeitsorganisationen beteiligt. Sie engagiert sich zudem bei der Unterstützung von Familien palästinensischer Gefangener in Israel. Am 3. November wurde sie in ihrem Haus in Turmusaya festgenommen. Ihre Familie berichtete, dass fünf Fahrzeuge der palästinensischen Sicherheitskräfte vor dem Haus der Familie vorfuhren und Einlass verlangten, da sie sonst die Tür aufbrächen. Suha Jbara wurde in das Haftzentrum des Geheimdienstes in Ramallah gebracht. Dort brach sie physisch und psychisch zusammen. Daraufhin durfte sie kurz in das palästinensische Krankenhaus in Ramallah, wurde dann aber in das Haft- und Verhörzentrum in Jericho gebracht. Weder bei der Festnahme noch bei den Verhören waren weibliche Sicherheitskräfte anwesend. Ihre Familie erfuhr erst am 7. November, als sie vor Gericht gestellt wurde, von ihrem Verbleib.
An diesem Tag wurde Suha Jbara einem Gericht in Jericho vorgeführt, das ihre Haft um 15 Tage verlängerte. Anschließend wurde sie in das Gefängnis von Jericho gebracht. Mehrere Staatsanwält_innen der Generalstaatsanwaltschaft befragten Suha Jbara am 5. November im Haft- und Verhörzentrum in Jericho und nahmen ihre Aussage auf Band auf. Laut Angaben ihrer Rechtsbeistände schnitten die Staatsanwält_innen ihre Aussage im Beisein bewaffneter Sicherheitskräfte mit. Suha Jbara durfte ihre Aussage nicht noch einmal durchlesen, als sie ihr zur Unterschrift vorgelegt wurde.
Suha Jbara berichtete Amnesty International, dass sie am 22. November, aus Protest gegen die Folter während der Verhöre und die unfaire Behandlung durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht, in den Hungerstreik getreten sei. Seitdem ist sie Opfer von unablässiger Schikane durch die Behörden, die sie dazu bringen wollen, den Hungerstreik zu beenden. Ihre derzeitige gesundheitliche Verfassung beschreibt Suha Jbara wie folgt: "Ich werde langsam sehr müde. Ich habe Schmerzen im unteren Rücken und den Seiten und manchmal ziehen die Schmerzen bis hinunter in meine Beine." Sie erzählte auch, dass sie kurz nach Beginn des Hungerstreiks in ein Krankenhaus in Jericho gebracht wurde, nach kurzer Zeit jedoch wieder zurück ins Gefängnis kam und nun als Strafe für den Hungerstreik in Einzelhaft gehalten wird. Zudem wird ihr der Besuch von Familienangehörigen verweigert und sie darf keine Telefongespräche führen, obwohl ein Hungerstreik eine rechtmäßige Form von Protest ist. "Das Schwierigste am Hungerstreik ist der Druck, der von allem Seiten auf mich ausgeübt wird, damit ich den Protest beende", berichtete Suha Jbara Amnesty International.
Amnesty International hat dokumentiert, dass palästinensische Streitkräfte im Westjordanland und dem Gazastreifen friedliche Demonstrant_innen und Kritiker_innen beider Behörden immer wieder willkürlich festnehmen. Zu den Festgenommenen und Inhaftierten zählen Journalist_innen, Studierende, Kritiker_innen der Behörden und Menschenrechtsaktivist_innen. Amnesty International ist besorgt darüber, dass viele dieser Festnahmen willkürlich stattfinden und dass die Gerichtsprozesse nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen. Amnesty International ist darüber hinaus sehr besorgt über den straffreien systematischen Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen gegen Gefangene durch die palästinensischen Sicherheitskräfte, obwohl der Staat Palästina das Fakultativprotokoll des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe am 29. Dezember 2017 ratifiziert hat. Die palästinensische Unabhängige Kommission für Menschenrechte (the Independent Commission for Human Rights – ICHR) erhält jedes Jahr Hunderte Beschwerden über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von Seiten der palästinensischen Sicherheitskräfte. Bis Oktober gingen im Jahr 2018 bereits mehr als 200 Beschwerden ein.