Journalist muss freigelassen werden

Protestschild mit der Aufschrift "Journalismus ist kein Verbrechen" steht auf dem Boden

In Nigeria sehen sich drei Journalisten und Menschenrechtsverteidiger konstruierten Anklagen wegen Landesverrats gegenüber, weil sie die Regierung aufgefordert haben, die Verwendung einer großen Summe Geldes zu belegen. Sie wurden im August 2019 festgenommen und inhaftiert. Zwei von ihnen, Omoyele Sowore und Olawale Adebayo Bakare (Mandate), sind in der Zwischenzeit wieder frei, der dritte, Agba Jalingo, wird weiterhin im Gefängnis von Calabar festgehalten.

Appell an

Muhammadu Buhari

Nigerian Presidential Complex

Aso Rock Presidential Villa

Federal Capital Territory

Abuja

NIGERIA

 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Bundesrepublik Nigeria

S.E. Herr Yusuf Maitame Tuggar

Neue Jakobstraße 4

10179 Berlin

Fax: 030-2123 0212

E-Mail: info@nigeriaembassygermany.org

 

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Agba Jalingo umgehend und bedingungslos freigelassen wird.
  • Außerdem müssen die Anklagen gegen Omoyele Sowore, Olawale Bakare (Mandate) und Agba Jalingo fallengelassen werden.
  • Sorgen Sie bitte auch dafür, dass Agba Jalingo bis zu seiner Freilassung weder gefoltert noch anderweitig misshandelt wird.

 

 

Sachlage

Omoyele Sowore und Olawale Adebayo Bakare (Mandate) wurden gegen Kaution aus dem Gewahrsam des Staatssicherheitsdienstes in Abuja freigelassen, doch Agba Jalingo sitzt weiterhin im Gefängnis von Calabar im südnigerianischen Bundesstaat Cross River in Haft. Omoyele Sowore und Olawale Adebayo Bakare (Mandate) werden beschuldigt, eine unter dem Hashtag #RevolutionNow geplante Protestveranstaltung zur Einforderung einer regelkonformen Regierungsführung und der Achtung der Menschenrechte in Nigeria geplant zu haben. Dies betrachtet die Regierung als Landesverrat und als Aufruf, die Regierung auf undemokratische Weise zu stürzen.

Am 22. August 2019 nahmen Polizist_innen den Journalisten der Nachrichten-Website CrossRiverWatch, Agba Jalingo, fest. Er hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem er die Regierung des Bundesstaates Cross River aufforderte, Rechenschaft über den Verbleib von 500 Millionen Naira (etwa 1,25 Millionen Euro) abzulegen, die für die Cross River Mikrokreditbank zugesagt und bereitgestellt wurden. Agba Jalingo verbrachte 33 Tage in Polizeigewahrsam ohne Zugang zu seinem Rechtsbeistand und seiner Familie. Dann wurde er angeklagt, Landesverrat und landesverräterische Verbrechen begangen sowie falsche Informationen veröffentlicht und zu Terrorismus aufgewiegelt zu haben. Gegen ihn läuft zurzeit ein Gerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor der Zweigstelle des Hohen Bundesgerichts in Calabar.

Am 23. Oktober 2019 gestattete das Hohe Bundesgericht der Staatsanwaltschaft, Zeug_innen aufzurufen und ordnete an, das Verfahren gegen Agba Jalingo unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiterzuführen. Das bedeutet, dass die Öffentlichkeit den Prozess nicht beobachten kann und es wirft Fragen hinsichtlich der Transparenz und Fairness des Gerichtsverfahrens auf. Nachdem ein Audiomitschnitt aufgetaucht war, in dem zu hören ist, wie der vorsitzende Richter Simon Amobeda sagt, dass Agba Jalingo genauso wie Ken Saro-Wiwa behandelt werden würde, gab er den Fall ab. Der Menschenrechtsaktivist Ken Saro-Wiwa war 1995 nach einem Todesurteil gehängt worden. Nach seinem Rückzug aus dem Fall hätte Richter Simon Amobeda die Fallakten umgehend an das Oberste Gericht zur Neuzuweisung zurückgeben müssen. Das tat er nicht. Stattdessen hielt er die Akten nach seinem Rückzug noch einen Monat zurück; vermutlich, um das Verfahren hinauszuzögern.

Omoyele Sowore darf laut einer der Kautionsauflagen die Hauptstadt Abuja, wo der Prozess gegen ihn stattfindet, nicht verlassen.

Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklagen gegen Omoyele Sowore, Olawale Adebayo Bakare und Agba Jalingo der Versuch sind, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft wird in Nigeria immer mehr eingeschränkt, da die nigerianischen Behörden immer drastischer gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung vorgehen. Behörden schüchtern Journalist_innen, Blogger_innen, Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen mittels verbalen und körperlichen Angriffen, willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen und Strafverfolgungsmaßnahmen ein. Viele der Betroffenen sehen sich mit Anklagen wie "Verleumdung", "Terrorismus", "Cyberstalking", "Entführung", "Hausfriedensbruch" oder "Diebstahl von Staatsdokumenten" konfrontiert. Für die Strafverfolgung dieser Anklagen werden – neben anderen Gesetzen – auch das Gesetz gegen Internetkriminalität und das Gesetz gegen Terrorismus (Cybercrime Act and Terrorism [Prevention] [Amendment] Act 2013) herangezogen. Im Falle einer Verurteilung nach dem Terrorism (Prevention) (Amendment) Act 2013 droht die Todesstrafe.

Momentan prüft der nigerianische Senat zwei strenge Gesetzesvorlagen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet betreffen. Eine davon sieht in Fällen von "Hassrede" die Todesstrafe vor. Die beiden Gesetzesvorlagen werden von der nigerianischen Regierung unterstützt. Sie stellen eine neue, alarmierende Eskalationsstufe des Versuchs seitens der Regierung dar, Nutzer_innen der Sozialen Medien zu zensieren und freie Meinungsäußerungen zu unterbinden.

Die vorgeschlagenen Gesetzentwürfe zur Bildung einer Nationalkommission zum Verbot von Hassrede und zum Schutz vor Falschaussagen und Manipulation im Internet würden den Behörden willkürliche Befugnisse an die Hand geben, um das Internet abzuschalten oder den Zugang zu Sozialen Medien zu beschränken. Kritik an der Regierung könnte dann mit einer bis zu dreijährigen Haftstrafe geahndet werden.