Menschenrechtler und Journalist unter Anklage

Rafael Marques de Morais, einer der beiden Angeklagten

Rafael Marques de Morais, einer der beiden Angeklagten

Der Menschenrechtler Rafael Marques de Morais und der Journalist Mariano Brás Lourenço sind wegen "Diffamierung einer öffentlichen Behörde" und "Beleidigung einer souveränen Institution" unter Anklage gestellt worden. Die Anklagen stehen mit einem von ihnen veröffentlichten Artikel über den fragwürdigen Erwerb eines öffentlichen Grundstücks durch die Generalstaatsanwaltschaft in Zusammenhang. Sollten die Männer für schuldig befunden werden, drohen ihnen ein bzw. drei Jahre Haft.

Appell an

Rui Jorge Carneiro Mangueira
Ministry of Justice and Human Rights
Rua 17 de Setembro, No. 32

CP 1986
Luanda
ANGOLA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Angola
S. E. Herrn Alberto Correia Neto
Wallstraße 58
10179 Berlin

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie bitte alle Anklagen gegen Rafael Marques de Morais und Mariano Brás Lourenço fallen, da sie keine Straftat begangen, sondern lediglich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass alle Einschüchterungen und Drangsalierungen von Menschen, die lediglich friedlich ihre Meinung zum Ausdruck bringen, beendet werden, und schützen Sie das Recht auf Meinungsfreiheit.
  • Bitte treten Sie dafür ein, dass alle Gesetze aufgehoben werden, die das Recht auf freie Meinungsäußerung in unzulässiger Weise einschränken.

Sachlage

Der Menschenrechtler Rafael Marques de Morais und der Journalist Mariano Brás Lourenço sind wegen "Diffamierung einer öffentlichen Behörde" und "Beleidigung einer souveränen Institution" unter Anklage gestellt worden. Die Anklagen stehen mit einem von ihnen veröffentlichten Artikel über den fragwürdigen Erwerb eines öffentlichen Grundstücks durch die Generalstaatsanwaltschaft in Zusammenhang. Sollten die Männer für schuldig befunden werden, drohen ihnen ein bzw. drei Jahre Haft.

Rafael Marques de Morais ist Menschenrechtsverteidiger und investigativer Journalist. Zudem ist er verantwortlicher Redakteur des Online-Portals Maka Angola. Er hat den nun als Grundlage für die Anklage dienenden Artikel verfasst und auf der Webseite Maka Angola veröffentlicht. In dem Artikel befasste Rafael Marques de Morais sich mit dem fragwürdigen Erwerb öffentlichen Grundbesitzes durch den Generalstaatsanwalt. Mariano Brás Lourenço ist Journalist und Redakteur der angolanischen Zeitung O Crime. In dieser Zeitung veröffentlichte er den Artikel von Rafael Marques de Morais und fügte einige persönliche Kommentare hinzu.

Am 20. Juni wurden Rafael Marques de Morais und Mariano Brás Lourenço wegen "Diffamierung einer öffentlichen Behörde" (Höchststrafe: ein Jahr Gefängnis) und "Beleidigung einer souveränen Institution" (Höchststrafe: drei Jahre Gefängnis) angeklagt. Der Straftatbestand "Beleidigung einer souveränen Institution" gilt als Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates.

Kritik an öffentlichen Institutionen jeder Art, einschließlich Organen der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung, sowie öffentlichen Personen, ist ein Recht. Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte überwacht, hat alle Staaten aufgefordert, diese Kritik nicht zu verbieten. Personen des öffentlichen Lebens müssen eine höhere Toleranz gegenüber Kritik zeigen als Privatpersonen.

Sollten Rafael Marques de Morais und Mariano Brás Lourenço inhaftiert werden, würde Amnesty International sie als gewaltlose politische Gefangene betrachten, da die gegen sie erhobenen Anklagen politisch motiviert sind und sich allein auf die Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung beziehen. Die Anklagen gegen die beiden Männer könnten auch eine Taktik der Regierung sein, andere Kritiker_innen abzuschrecken.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der aus Expert_innen bestehende UN-Menschenrechtsausschuss zählt zu den Vertragsorganen der Vereinten Nationen. Die Aufgaben des Ausschusses sind die Einhaltung und Überwachung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt). Angola ist als Vertragsstaat des UN-Zivilpakets zu dessen Einhaltung verpflichtet. Die Allgemeine Bemerkung 34 des UN-Menschenrechtsausschusses zum Recht auf freie Meinungsäußerung besagt, dass "Vertragsstaaten Kritik an Institutionen nicht verbieten" sollen. Dazu gehören öffentliche Einrichtungen jeder Art, einschließlich Organen der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung. Der UN-Menschenrechtsausschuss bestätigte zudem, dass die Drangsalierung, Einschüchterung und Stigmatisierung einer Person, einschließlich ihrer Festnahme, Inhaftierung, des Gerichtsverfahrens oder einer Gefängnisstrafe wegen der Meinung, die sie vertritt, eine Verletzung des UN-Zivilpakts darstellt.

Kritische Stimmen werden von den angolanischen Behörden häufig mit Gewalt unterdrückt. Amnesty International hat in dem englischsprachigen Bericht Punishing Dissent: Suppression of Freedom of Association and Assembly in Angola (https://www.amnesty.org/en/documents/afr12/004/2014/en/) dokumentiert, wie die Rechte auf Meinungsfreiheit und friedliche Versammlung oftmals rechtswidrig eingeschränkt werden. Personen, die sich kritisch über die Regierung von Präsident José Eduardo dos Santos äußern, laufen Gefahr, Opfer von Verschwindenlassen, außergerichtlichen Hinrichtungen, willkürlichen Inhaftierungen, Folter und anderweitigen Misshandlungen zu werden. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung sind in der angolanischen Verfassung verankert und zudem in mehreren internationalen Übereinkommen festgeschrieben, die von der angolanischen Regierung ratifiziert wurden. Trotzdem werden diese Rechte in Angola weiterhin verletzt.