Kolumbien: Landrechte und Sicherheit von Gemeinden schützen!
Verlassene Polizeistation in der kleinbäuerlichen Gemeinschaft El Porvenir im kolumbianischen Verwaltungsbezirk Puerto Gaitán (Archivaufnahme)
© Corporación Claretiana Norman Pérez Bello -Centro Claretiano de Investigación y Educación Popular
Am 18. November 2025 wurden Sprecher*innen der kleinbäuerlichen Gemeinden El Porvenir und Matarratón im Departamento Meta per WhatsApp kontaktiert und bedroht. In den Nachrichten wurden Informationen über Gemeindemitglieder sowie ein Treffen verlangt. Beigefügt war ein Video, das die Ermordung und Verstümmelung eines Menschen zeigte. Das Profilfoto des Absenders ähnelte dem Mitglied einer bewaffneten Gruppe. Diese kleinbäuerlichen Gemeinschaften werden immer wieder Opfer von Landenteignung und Vertreibung, und werden wegen der Einforderung ihrer territorialen Rechte bedroht und attackiert. Es müssen zielführende Untersuchungen durchgeführt werden, um die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen und die Sicherheit der Gemeinden zu gewährleisten.
Fordert den Schutz kleinbäuerlicher Gemeinschaften!
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Appell an
Generalstaatsanwältin
Luz Adriana Camargo Garzón
Attorney General
Avenida Calle 24 No. 52 – 01
Bogotá DC
KOLUMBIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Kolumbien
I. E. Frau Yadir Salazar Mejia
Taubenstr. 23
10117 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: ealemania@cancilleria.gov.co
Amnesty fordert:
- Bitte führen Sie eine gründliche und zielführende Untersuchung durch, um die Verantwortlichen für diese und frühere Drohungen und Angriffe gegen die Menschen in Matarratón und El Porvenir zu ermitteln, und berücksichtigen Sie dabei die anhaltenden Verletzungen ihrer Landrechte.
- Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass die für Drohungen und Angriffe Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden, um weitere Angriffe auf Landrechtsverteidiger*innen in der Region rund um den Fluss Meta zu verhindern.
Sachlage
Die Bewohner*innen der Ortschaften Matarratón und El Porvenir im Verwaltungsbezirk Puerto Gaitán im Departamento Meta sind bedroht worden und fürchten um ihre Sicherheit. Zwei Sprecher*innen der örtlichen Gemeindeverbände (Juntas de Acción Comunal) erhielten laut Berichten der Menschenrechtsorganisation Corporación Claretiana Norman Pérez Bello am 18. November 2025 WhatsApp-Nachrichten von derselben Telefonnummer, die ein Treffen sowie Informationen über Gemeindemitglieder verlangten. Die Nachrichten wurden der Generalstaatsanwaltschaft gemeldet.
Die Nachrichten enthielten außerdem ein Video, das die Ermordung und Verstümmelung einer unbekannten Person zeigte. Das Profilfoto des Absenders sah aus wie ein Mitglied einer in Kolumbien aktiven, nicht mit staatlichen Stellen verbundenen bewaffneten Gruppe.
Im Jahr 2016 erkannte das kolumbianische Verfassungsgericht im Urteil SU-456 die Landrechte dieser kleinbäuerlichen Gemeinschaften an, nachdem sie zuvor von dem Land vertrieben worden waren, das sie seit Generationen bewohnt hatten. Denn die Gemeinschaften sind heute in einer Situation, in der andere Personen falsche Besitzansprüche stellen und sogar Grundstücke verkaufen. In dem Urteil wurde die Regierung deshalb aufgefordert, die Besitzrechte dieser Gemeinschaften zu klären und zu schützen. Allerdings ist das Urteil bis heute immer noch nicht umgesetzt worden, und die Bewohner*innen dieser Gemeinden sind ernstzunehmenden Drohungen und Angriffen ausgesetzt. So wurde im Januar 2022 die Menschenrechtsverteidigerin Luz Marina Arteaga im nahe gelegenen Verwaltungsbezirk Orocué im Departamento Casanare tot aufgefunden.
El Porvenir und Matarratón sind kleinbäuerliche (campesino) Gemeinschaften, die traditionellen kulturellen Praktiken nachgehen. Sie leben in der Orinoquía-Ebene am Ufer des Flusses Meta im Verwaltungsbezirk Puerto Gaitán im Departamento Meta, nahe der Departamentos Casanare und Vichada. Die Bewohner*innen der Gemeinden waren aufgrund von Bedrohungen durch bewaffnete Gruppen Ende der 1980er-Jahre gezwungen, ihr Land zu verlassen. Anschließend wurde das Land illegal übernommen und verkauft. Seitdem setzen sie sich trotz ständiger Bedrohungen und Gefahren für die Rückgabe ein, wie Amnesty International in dem 2014 veröffentlichten Bericht mit dem Titel A land title is not enough: Ensuring sustainable land restitution in Colombia (AMR 23/031/2014) dokumentierte. Im Jahr 2016 wies das Verfassungsgericht in seinem Urteil SU-426 die nationale kolumbianische Bodenbehörde an, das Gebiet den "angestammten Bewohner*innen" rückzuübertragen. Doch fast ein Jahrzehnt später ist die Behörde dieser Forderung immer noch nicht nachgekommen.
Hintergrundinformation
Amnesty International warnt bereits seit einiger Zeit vor den Bedrohungen, denen diese kleinbäuerlichen Gemeinschaften ausgesetzt sind, u. a. in Urgent Actions von 2015 und 2019. Die Urgent Action von 2019 betraf die Menschenrechtsverteidigerin Luz Marina Arteaga, die sich in Matarratón und El Porvenir für die Landrückgabe engagierte und im Januar 2022 nach zahlreichen Drohungen schließlich dem Verschwindenlassen zum Opfer fiel. Ihre Leiche wurde später im Verwaltungsbezirk Orocué im Departamento Casanare am Ufer des Flusses Meta gefunden.
Benachbarte Gemeinden haben sich den Bemühungen von El Porvenir und Matarratón um die Anerkennung von Landrechten angeschlossen, darunter auch die indigene Gemeinde ASEINPOME, die ebenfalls wegen ihrer Gebietsansprüche bedroht wurde und für die sich Amnesty International ebenfalls einsetzte. Trotz alledem werden die Landrechte der Gemeinschaften in der Orinoquía-Ebene weiterhin ausgehöhlt und die Menschen dort bedroht und angegriffen, obwohl die Vorfälle öffentlich bekannt sind und verurteilt werden, wie auch im Fall der jüngsten Drohungen gegen Bewohner*innen von Matarratón und El Porvenir.
Die Orinoquía-Ebene ist ein großes Gebiet mit reichlich Wasserressourcen, bedeutenden Ölreserven und enorm guter Nutzbarkeit für Landwirtschaft und Viehzucht. Diese traditionell von indigenen Gemeinschaften bewohnten Gebiete, die weitab von Ballungszentren liegen, werden seit Jahrzehnten gewaltsam von Akteuren besetzt, die versuchen, sich das Land anzueignen, es auf betrügerische Weise in Besitz zu nehmen und es dann an jene zu verkaufen, die dort Agrarindustrie oder Ölförderung betreiben wollen.
Gleichzeitig haben indigene und kleinbäuerliche Gemeinschaften, die oft aus anderen Teilen Kolumbiens vertrieben worden waren, dort Siedlungen errichtet und Praktiken beibehalten, die den Interessen all jener gegenüberstehen, die das Land besetzt haben bzw. es in mutmaßlich gutem Glauben erworben haben und dort wirtschaftliche Entwicklungsprojekte planen. Die Behörden sind seit Langem dafür verantwortlich, die Besitzverhältnisse an Grund und Boden zu klären und dabei die Rechte der Betroffenen von Enteignung und Vertreibung zu berücksichtigen. Trotz des bestehenden Landrückgabesystems und der Bemühungen um eine Reform für den ländlichen Raum gibt es nach wie vor zahlreiche Konflikte, und kleinbäuerliche und indigene Gemeinschaften, die ihre Landrechte verteidigen, sind weiterhin Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt.