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Israel/OPT: Unfaires Verfahren gegen NGO-Mitarbeiter

Mohammed al-Halabi, ehemaliger Leiter des Büros der Nichtregierungsorganisation "World Vison" in Gaza (Archivaufnahme).
© privat
+++ Update vom 18. Mai: Das für den 17. Mai angesetzte Berufungsverfahren wurde vertagt. Amnesty Internationaal betrachtet Mohammed al-Halabi als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung. +++ Am 15. Juni 2022 wurde Mohammed al-Halabi, der ehemalige Direktor des Gaza-Büros der humanitären Hilfs- und Entwicklungsorganisation World Vision, für schuldig befunden, Millionen von Dollar an die Leitung der Hamas umgeleitet zu haben. Am 30. August 2022 wurde er zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er bereits sechs Jahre in Haft verbracht hatte. Mohammed al-Halabi wurde ohne Rechtsbeistand verhört, offenbar gefoltert, in geheimen Anhörungen vor Gericht gestellt und auf der Grundlage geheimer Beweise, die größtenteils auf einem erzwungenen "Geständnis" beruhen, verurteilt. Sein Berufungsverfahren wurde für den 17. Mai anberaumt.
Appell an
Justizminister
Minister of Justice
Yariv Levin
Ministry of Justice
29 Salah Al-Din Str
Jerusalem 91919
ISRAEL
Sende eine Kopie an
Botschaft des Staates Israel
S.E. Herrn Ron Prosor
Auguste-Viktoria-Straße 74–76
14193 Berlin
Fax: 030-8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de
Amnesty fordert:
- Hiermit fordere ich Sie höflich auf, im Vorfeld des Berufungsverfahrens die rechtswidrige Verurteilung von Mohammed al-Halabi aufzuheben, die konstruierten Anklagen gegen ihn fallenzulassen, alle unter Folter erlangten Aussagen für nicht zulässig zu erklären und für seine umgehende Freilassung zu sorgen, es sei denn, er erhält ein Neuverfahren, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
- Darüber hinaus fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass die von Mohammed al-Halabi im Januar 2018 beim Justizministerium eingereichte Beschwerde wegen Folter und anderer Misshandlungen dringend untersucht wird und die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden. Stellen Sie außerdem sicher, dass seine Verteidigung ungehinderten Zugang zu allen Anhörungsprotokollen, Erklärungen zu seiner Verteidigung, Fallakten und sogenannten "geheimen" Beweismitteln erhält.
Sachlage
Mohammed al-Halabi, Bauingenieur und Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Gaza-Stadt, verbüßt derzeit eine zwölfjährige Haftstrafe im Ramon-Gefängnis im Süden Israels. Er wurde in einem mit Mängeln behafteten Gerichtsverfahren angeklagt, "Terrorismus" finanziert zu haben; ein Vorwurf, der nach wie vor nicht bewiesen wurde und bei dem es sich um den Versuch zu handeln scheint, den humanitären Sektor und dessen Mitarbeiter*innen zu diskreditieren und einzuschüchtern. Mohammed al-Halabi hat vor dem zuständigen Gericht in Israel ein Rechtsmittel gegen seine Verurteilung eingelegt. Die erste Anhörung wurde für den 17. Mai anberaumt.
Mohammed al-Halabi wurde am 15. Juni 2016 festgenommen und am 15. Juni 2022 nach einem Gerichtsverfahren, das schwere Mängel aufwies, der Umleitung von Millionen US-Dollar an die Regierung der Hamas für schuldig befunden. Die Hamas wird von Israel, der EU und anderen Staaten als terroristische Organisation eingestuft. Sein Rechtsbeistand durfte weder Einsicht in die Aussagen von Mohammed al-Halabi zu seiner Verteidigung noch in die Kopie des von ihm eingereichten Rechtsmittels nehmen. Mohammed al-Halabi, der ehemalige Leiter des Gaza-Büros der in den USA ansässigen Hilfsorganisation World Vision, befand sich sechs Jahre lang in Untersuchungshaft. Er wurde ohne Rechtsbeistand verhört, vor Gericht fanden nicht-öffentliche Anhörungen mit zahlreichen Vertagungen und insgesamt mehr als 170 Sitzungen statt. Schließlich wurde er auf der Grundlage geheimer Beweise für schuldig befunden. Mohammed al-Halabi gab an, während der Verhöre gefoltert worden zu sein.
Die israelischen Behörden haben keine Beweise dafür vorgelegt, dass Mohammed al-Halabi Gelder veruntreut hat. Außerdem wurden das Ergebnis der von seinem Arbeitgeber und einer staatlichen Geberorganisation durchgeführten Prüfung sowie andere umfassende Beweise, darunter E-Mails, Zeugenaussagen, Gutachten und Finanzdokumente, die Mohammed al-Halabi von jeglichem Fehlverhalten freisprechen und von seinem Rechtsbeistand vorgelegt wurden, vom Gericht völlig außer Acht gelassen. Sein Prozess und die anschließende rechtswidrige Verurteilung sind ein eklatantes Beispiel für die Verletzung des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren.
Hintergrundinformation
Während des gesamten Gerichtsverfahrens, das auf Hebräisch geführt wurde, einer Sprache, die Mohammed al-Halabi nicht spricht, wurde ihm ein vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet zugelassener Gerichtsdolmetscher zugewiesen, der wiederholt wesentliche Teile seiner Aussagen und des Verfahrens falsch übersetzte oder ausließ. Seine willkürliche Inhaftierung soll andere Menschenrechtsverteidiger*innen einschüchtern und den Handlungsraum für Hilfsorganisationen einschränken, die versuchen, die Auswirkungen der rechtswidrigen Blockade des Gazastreifens durch Israel zu mildern. Mohammed al-Halabi befindet sich noch immer in Haft, weil er den Willen gezeigt hat, seine Unschuld zu beweisen und gegen ein Justizsystem zu protestieren, das gegen die Palästinenser*innen gerichtet ist.
Das Angebot der israelischen Justiz sich schuldig zu erklären und im Gegenzug ein geringeres Strafmaß zu erhalten, lehnte Mohammed al-Halabi prinzipiell ab, da er lieber zwölf Jahre im Gefängnis verbringen würde, als Taten zuzugeben, die er nicht begangen hat.
Eine Untersuchung von World Vision, einschließlich einer extern in Auftrag gegebenen Prüfung, sowie eine Untersuchung des australischen Außen- und Handelsministeriums, das Programme von World Vision in den besetzten Gebieten durch Spenden finanziert, ergaben keine Beweise für ein kriminelles Fehlverhalten von Mohammed al-Halabi oder für seine angebliche Mitgliedschaft in der Hamas. World Vision hat Mohammed al-Halabis Unschuld in Bezug auf den Vorwurf der Umleitung von Geldern an die Hamas beteuert. Seine gesamte Verurteilung beruht auf einem "Geständnis", das er unter Todesdrohungen einem Mitgefangenen machen musste, bei dem es sich offenbar um einen Gefängnisinformanten handelt.
Mohammed al-Halabi wurde am 15. Juni 2016 am Grenzübergang Erez zwischen Israel und dem besetzten Gazastreifen von Angehörigen des auch als Schabak oder Schin Bet bekannten israelischen Geheimdienstes festgenommen. Anschließend wurde er in eine Hafteinrichtung in Ashkelon in Israel gebracht. Dort wurde er 52 Tage lang verhört, bevor man ihn in das Ramon-Gefängnis in der Negev-Wüste verlegte. Mohammed al-Halabi wurde der Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt, und er wurde die ersten 20 Tage ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Seinem Rechtsbeistand und Medienberichten zufolge wurde er 96 Stunden lang brutal verprügelt, fünf Tage lang Schlafentzug ausgesetzt, mit den Händen an einen Stuhl gefesselt und gezwungen, schmerzhafte Positionen einzunehmen. Zu keinem Zeitpunkt während des 52 Tage dauernden Verhörs oder des Gerichtsverfahrens hat Mohammed al-Halabi die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gestanden, obwohl er gefoltert und anderweitig misshandelt wurde. Ihm zufolge stammte die Aussage, der zufolge er zugegeben haben soll, jährlich 7,4 Millionen US-Dollar (etwa 6,74 Millionen Euro) gestohlen zu haben, von einem ebenfalls inhaftierten Informanten, der gedroht habe, ihn zu "töten", falls er nicht gestehen sollte. Mohammed al-Halabi sagte, der Informant habe ihm auch gedroht, ihn nach seiner Freilassung der Kollaboration mit den israelischen Behörden zu bezichtigen, was ihn und seine Familie in Gaza in große Gefahr bringen würde. Die weithin dokumentierte Taktik der israelischen Behörden, Gefängnisinformant*innen einzusetzen, um "Geständnisse" zu erzwingen, ist in die Kritik geraten, auch bei führenden israelischen Strafrechtsexpert*innen, und wurde sogar von israelischen Richter*innen in Frage gestellt. Das Öffentliche Komitee gegen Folter in Israel (Public Committee Against Torture) hat die Foltervorwürfe von Mohammed al-Halabi am 22. Januar 2018 dem für Beschwerden gegen Vernehmungsbeamt*innen der israelischen Sicherheitsbehörde zuständigen Inspektor des Justizministeriums vorgelegt. Bisher gab es jedoch noch keine Reaktion. Mohammed al-Halabi wurde erst am 4. August 2016 einer Straftat angeklagt, mehr als sieben Wochen nach seiner Festnahme.
Nach humanitärem Völkerrecht müssen Menschen, die in besetzten Gebieten festgenommen werden, auch dort inhaftiert werden und nicht auf dem Gebiet der Besatzungsmacht. Darüber hinaus muss ihnen erlaubt werden, regelmäßig und so oft wie möglich Besuch zu empfangen, insbesondere nahe Verwandte. Gefangene aus dem Gazastreifen sind nach wie vor am stärksten von den israelischen Beschränkungen betroffen, da das israelische Militär Familienangehörigen aus dem Gazastreifen nur einmal alle zwei Monate eine Besuchserlaubnis erteilt. Gefangene, die der Hamas nahestehen, dürfen seit 2017 überhaupt keine Familienbesuche mehr empfangen, ein Verbot, das 2019 vom Obersten Gerichtshof Israels bestätigt wurde. Von den Einschränkungen oder dem völligen Verbot von Familienbesuchen waren im September 2022 rund 194 in Israel inhaftierte Gefangene aus dem Gazastreifen betroffen. Zwischen März 2020 und März 2022 setzten die israelischen Behörden Gefängnisbesuche für Familien aus dem Gazastreifen im Zusammenhang mit Beschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie ganz aus. "Ich habe Angst, mich nicht mehr an das Gesicht meines Vaters erinnern zu können", sagte Rital, Mohammed al-Halabis Tochter, die bei seiner Festnahme erst drei Jahre alt war, ihrem Großvater.
Die weit verbreitete, systematische Anwendung von willkürlichen Festnahmen und Folter gegen Palästinenser*innen durch Israel stellt einen eklatanten Verstoß gegen mehrere völkerrechtliche Bestimmungen dar und ist Teil der staatlichen Politik, um die palästinensische Bevölkerung zu beherrschen und zu kontrollieren. Diese Verstöße können auf "Freiheitsentzug oder sonstige schwer wiegende Beraubung der körperlichen Freiheit" und "Folter" hinauslaufen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und der Konvention gegen Apartheid verboten sind.