Drohende lebenslange Haft

Die sechs Aktivist_innen

Sechs politische Aktivist_innen sind in Jakarta festgenommen worden, nachdem sie sich friedlich für das Recht auf Selbstbestimmung engagiert hatten. Jetzt wird ihnen "Rebellion" zur Last gelegt. Die Aktivist_innen sind gewaltlose politische Gefangene und müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Polizeipräsident

General (Pol). Drs. Idham Azis, M.Si

Jalan Trunojoyo No. 3 Jakarta Selatan

Jakarta Selatan

INDONESIEN 12110

Fax: (00 6221) 721 87 41

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Indonesien

S. E. Herrn Arif Havas Oegroseno

Lehrter Straße 16-17

10557 Berlin


Fax: 030-4473 7142

E-Mail: info@kbri-berlin.de oder

            info@botschaft-indonesien.de

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen sie die sechs Aktivist_innen aus Papua umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie alle Anklagen nach Paragraf 106 und 110 des indonesischen Strafgesetzbuchs fallen, da sie gewaltlose politische Gefangene sind, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie friedlich von ihren Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht haben.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Inhaftierten bis zu ihrer Freilassung vor Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt sind und Zugang zu ihrer Familie, einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und angemessener medizinischer Versorgung erhalten. Sie müssen in Übereinstimmung mit dem Recht auf ein faires Gerichtsverfahren in jeder Phase des Strafverfahrens von ihren Rechtsbeiständen unterstützt werden.
  • Beraten Sie den Präsidenten, um sicherzustellen, dass Paragraf 106 und 110 des Strafgesetzbuchs gestrichen oder reformiert werden, um zu gewährleisten, dass sie mit Indonesiens Verpflichtungen gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen übereinstimmen.

Sachlage

Die sechs Aktivist_innen aus Papua wurden am 30. und 31. August von der Regionalpolizei Jakarta festgenommen. Sie wurden inhaftiert und nach Artikel 106 und 110 des indonesischen Strafgesetzbuches (KUHP) der "Rebellion" (makar) angeklagt.

Zurzeit sind sie im Hauptquartier der Mobilen Polizeibrigade (Mako Brimob) in Depok inhaftiert. Amnesty International betrachtet die sechs Aktivist_innen als gewaltlose politische Gefangene, da sie nur deshalb inhaftiert sind, weil sie ihre Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben, als sie friedlich für das Recht auf Selbstbestimmung von Papua eintraten.

Zwar konnten die Rechtsbeistände die Aktivist_innen besuchen, doch wurde ihnen nicht gestattet, bei den Verhören ihrer Mandant_innen mit im Raum zu sein. Stattdessen wurden sie in einen Nebenraum verwiesen, wo sie nicht hören konnten, was gesprochen wurde. Darüber hinaus monierten sie, dass die Beobachtungsfenster so sehr getönt gewesen seien, dass sie nicht richtig sehen konnten, was im Verhörraum vor sich ging. Das Hauptquartier von Mako Brimob ist abgelegener und weniger zugänglich als das Hauptquartier der Regionalpolizei in Jakarta (Mapolda Metro Jaya). Dies gibt Anlass zur Sorge, dass die Aktivist_innen gefoltert oder anderweitig misshandelt werden könnten.

Amnesty International befürchtet, dass dieses Strafverfahren dem Schutz der freien Meinungsäußerung in Indonesien entgegensteht. Das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt das Recht, sich friedlich und unter Ausschluss von Aufwiegelung zur Diskriminierung, Feindseligkeit und Gewalt für die Unabhängigkeit oder andere politische Ideen einzusetzen. Eine solche Handlung  zu kriminalisieren, verstößt gegen internationale Menschenrechtsnormen und -standards.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Zwischen dem 30. und 31. August nahmen Polizeibeamt_innen aus verschiedenen Gegenden Indonesiens acht politische Aktivist_innen fest, weil sie am 28. August eine friedliche Protestveranstaltung vor dem Präsidentenpalast in Jakarta organisiert haben sollen. Der Protest richtete sich gegen rassistische Übergriffe auf Studierende aus Papua in Surabaya und Malang in der Ostjavaprovinz. Während dieser Demonstration schwenkten einige Protestierende die Morgensternfahne, ein verbotenes Symbol für die Unabhängigkeit von Papua.

Am 30. August gegen 18 Uhr nahmen Polizist_innen in Zivil Dano (Anes) Tabuni und Carles Kosay in ihrer Mietwohnung in Depok, Westjava, fest. Sie legten keinen Haftbefehl vor und während der Festnahme zielte ein Polizeibeamter mit einer Schusswaffe auf die Studierenden aus Papua. Am 31. August nahmen Beamte der Regionalpolizei in Jakarta Ambrosius Mulait und Isay Wenda fest, die am Vortag mit Dutzenden anderen Studierenden aus Papua vor dem Hauptquartier der Polizei von Jakarta demonstriert hatten. Am selben Tag gegen 19 Uhr nahmen Polizeiangehörige in Zivil Naliana Lokbere, Arina Lokbere und Norince Kogoya in ihrem Haus in Südjakarta fest, ohne einen Haftbefehl vorzulegen. Als eine der Studierenden ihre Kleidung wechseln wollte, beleidigte ein Polizeibeamter sie mit den Worten: "Ihr Leute aus Papua tragt doch normalerweise keine Kleidung." Schließlich nahm zivile Polizei am 31. August gegen 20 Uhr auch noch Surya Anta Ginting im Plaza Indonesien, einem Einkaufszentrum im Zentrum von Jakarta, fest, ohne einen Haftbefehl vorzulegen. Surya Anta Ginting ist Sprecher der zivilgesellschaftlichen Organisation Front Rakyat Indonesia untuk West Papua, die sich friedlich für die Selbstbestimmung von Papua einsetzt.

Am 1. September ließ die Polizei Naliana Lokbere und Norince Kogoya ohne Anklage frei. Die anderen sechs Aktivist_innen sind weiterhin inhaftiert und wurden nach Paragraf 106 und 110 des Strafgesetzbuchs angeklagt. Paragraf 106 des Strafgesetzbuchs ermächtigt die Behörden, eine Person zu "lebenslanger Haft oder einer Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis wegen makar mit der Absicht, das Staatsterritorium oder Teile davon unter fremde Herrschaft zu bringen oder Teile davon abzuspalten" zu verurteilen. Darüberhinaus legt Paragraf 110 fest, dass die Konspiration zur Rebellion als Verstoß gegen Paragraf 106 strafbar ist. Die indonesischen Behörden haben in den letzten zehn Jahren diese Strafrechtsparagrafen eingesetzt, um Dutzende friedliche Unabhängigkeitsaktivist_innen strafrechtlich zu verfolgen.