Uiguren droht Hinrichtung

Der Uigure Tashpolat Tiyip, China

Der Uigure Tashpolat Tiyip, China

Amnesty International befürchtet, dass die Hinrichtung von Tashpolat Tiyip unmittelbar bevorsteht. Der Uigure ist ein bekannter Akademiker, der in einem geheimen und grob unfairen Verfahren zum Tode verurteilt wurde. 2017 fiel er dem Verschwindenlassen zum Opfer und ist seither willkürlich inhaftiert. Alle Informationen über die Anklagen und das Verfahren gegen ihn werden zurückgehalten und auch sein Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

Appell an

Staatspräsident

Xi Jinping

Zhongnanhai, Xichangan’jie

Xichengqu, Beijing Shi 100017

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA

S. E. Herrn Ken Wu

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin


Fax: 030-27 58 82 21


E-Mail: chinaemb_de@mfa.gov.cn
oder presse.botschaftchina@gmail.com

Amnesty fordert:

  • Stoppen Sie umgehend die Hinrichtung von Tashpolat Tiyip.
  • Lassen Sie Tashpolat Tiyip bitte sofort und bedingungslos frei, sofern nicht belastbares Beweismaterial vorgelegt wird, das ihn einer international als Straftat anerkannten Handlung beschuldigt, und gewähren Sie ihm in diesem Fall ein faires Verfahren gemäß internationalen Standards.

Sachlage

Tashpolat Tiyip war der Präsident der Universität Xinjiang, als er 2017 auf dem Weg zu einer Konferenz in Deutschland mit einer Gruppe Studierender dem Verschwindenlassen zum Opfer fiel. Er befindet sich seither in Haft, ohne dass sein Aufenthaltsort bekannt wäre. In einem geheimen und grob unfairen Verfahren wurde er des "Separatismus" schuldig gesprochen.

Er erhielt ein ausgesetztes Todesurteil. Ein solches Urteil kann nach zwei Jahren in eine Haftstrafe umgewandelt werden, wenn keine weiteren Verbrechen begangen wurden. Dennoch droht ihm jetzt unmittelbar die Hinrichtung.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Uiguren sind eine größtenteils muslimische ethnische Minderheit, die hauptsächlich in der Autonomen Region Xinjiang auf dem Gebiet der Volksrepublik China lebt. Seit den 1980er-Jahren werden Uigur_innen immer wieder Opfer von systematischen und schweren Menschenrechtsverletzungen wie willkürlicher Festnahme und Inhaftierung, Haft ohne Kontakt zur Außenwelt und starken Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit und ihrer sozialen und kulturellen Rechte. Die lokalen Behörden kontrollieren die Religionsausübung weiterhin streng. So ist es beispielsweise allen Staatsbediensteten und Kindern unter 18 Jahren verboten, in Moscheen zu beten. Die Politik der chinesischen Regierung schränkt den Gebrauch der uigurischen Sprache und die Religionsfreiheit in erheblichem Maße ein und fördert den Zustrom von Han-Chinesen in die Region.

Im Mai 2014 begann in der Autonomen Region Xinjiang eine einjährige Kampagne im Namen der Terrorbekämpfung, in deren Rahmen es zu zahlreichen Festnahmen, summarischen Gerichtsverfahren und Massenverurteilungen von Uigur_innen kam. Die Regierung forderte eine bessere "Zusammenarbeit" zwischen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, wodurch Befürchtungen laut wurden, dass das Recht der Angeklagten auf faire Gerichtsverfahren nicht gesichert sei. Die Kampagne mit dem Namen "Hartes Durchgreifen" wurde in den darauffolgenden Jahren noch ausgeweitet und die Behörden stellten zusätzliche Mittel für Polizeiarbeit bereit. Aus diesem Grund entschließen sich viele Uigur_innen, das Land zu verlassen. Als Reaktion darauf schikanieren die chinesischen Behörden die zurückgebliebenen Verwandten der Geflüchteten, um ihre Rückkehr zu erwirken. Außerdem werden verstärkt Anstrengungen unternommen, um den politischen und menschenrechtlichen Einsatz von uigurischen Aktivist_innen in anderen Ländern stark einzuschränken. Viele im Ausland lebende Uigur_innen, darunter auch Asylsuchende und geflüchtete Menschen, sind daher zunehmend besorgt, dass sie nach China zurückgeführt werden könnten. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche uigurische Asylsuchende aus südost- und zentralasiatischen Ländern nach China abgeschoben worden.

Seit 2016 bekleidet Chen Quanguo das Amt des Parteisekretärs der Autonomen Region Xinjiang. Medienberichte zeigen das Ausmaß der drastischen Maßnahmen, die seitdem ergriffen worden sind. Unter anderem wurden innerhalb eines Jahres über 90.000 neue Sicherheitsposten ausgeschrieben. Im Oktober 2016 gab es zahlreiche Berichte darüber, dass die Behörden in der Region die Reisepässe von Uigur_innen konfisziert hatten, um ihre Bewegungsfreiheit weiter einzuschränken.

Im März 2017 erließ die Autonome Region Xinjiang eine Verordnung zur "Entextremisierung", die ein breites Spektrum an Handlungen beschreibt und diese als "extremistisch" verbietet. Dazu zählen unter anderem "Verbreitung von extremistischem Gedankengut", die Verunglimpfung von staatlichen Radio- oder Fernsehsendern und die Weigerung, diese zu konsumieren, sowie das Tragen von Burkas oder "ungewöhnlichen" Bärten. Darüber hinaus zählen Widerstand gegen nationale Politik sowie das Publizieren, Herunterladen, Aufbewahren und Lesen von Artikeln oder Publikationen und audiovisuellen Beiträgen mit "extremistischem Inhalt" zur Liste dieser "extremistischen" Handlungen. Aufgrund der Verordnung wurde zudem ein "Zuständigkeitssystem" eingerichtet, mit dem die "Antiextremismus-Arbeit" der Regierung in verschiedene Bereiche eingeteilt und jährlich überprüft wird. Laut Berichten des Radiosenders Radio Free Asia haben die chinesischen Behörden im Mai 2017 mit einer Kampagne begonnen, um im Ausland studierende Uigur_innen nach China zurückzuholen. Anfang Juli 2017 waren etwa 200 Uigur_innen auf Befehl der chinesischen Behörden in Ägypten inhaftiert worden. 22 weitere wurden abgeschoben. Seitdem besteht kein Kontakt zu ihnen und ihr Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

Die chinesischen Behörden bestritten bis Oktober 2018 die Existenz von "Umerziehungseinrichtungen". Danach erklärten sie, die Menschen seien freiwillig in diesen Lagern und würden eine Berufsausbildung erhalten. Ziel dieser Einrichtungen sei es, den Menschen eine technische und berufliche Ausbildung zu bieten und ihnen zu ermöglichen, eine Arbeit zu finden und sich zu "nützlichen" Bürgern zu entwickeln. Im Widerspruch zu diesen Erläuterungen stehen allerdings die Berichte von ehemaligen Insass_innen dieser Lager, die Schläge, Nahrungsentzug und Isolationshaft beschreiben.

Die umfassende Untersuchung China’s Deadly Secrets, die Amnesty International im April 2017 veröffentlichte, zeigt, dass die chinesischen Behörden ein ausgeklügeltes System der Geheimhaltung über die Todesstrafe haben, um das Ausmaß der Hinrichtungen zu verschleiern, obwohl China behauptet, Fortschritte bei der Transparenz seines Strafrechtsystems zu machen. Bei der Recherche zum Bericht stellte sich heraus, dass Hunderte von Hinrichtungen, über die in den Medien berichtet worden war, in der Nationalen Online-Datenbank der Gerichte China Judgements Online fehlten. Das betraf insbesondere die Todesstrafenfälle in der Autonomen Region Xinjiang.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt. Amnesty setzt sich seit über 40 Jahren für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein. Bis heute haben mehr als 140 Staaten die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.