USA: Ramiro Gonzales nicht hingerichtet

Sachlage

Am 30. Juni 2022 reichten die Rechtsbeistände von Ramiro Gonzales vor dem Berufungsstrafgericht von Texas eine Eingabe ein. Diese beinhaltete auch die Feststellung, die Staatsanwaltschaft habe in der Strafzumessungsphase des Verfahrens gegen Ramiro Gonzales 2006 ein falsches, ungenaues Sachverständigengutachten vorgelegt. Der von der Staatsanwaltschaft bestellte Psychiater hatte vor Gericht angegeben, dass bei Ramiro Gonzales "sicherlich" das Risiko bestünde, dass er im Gefängnis Gewalttaten begehen würde. Derartige Vorhersagen haben sich schon lange als äußerst ungenau erwiesen, auch wenn sie von der Staatsanwaltschaft als effektiv betrachtet werden, um die Todesstrafe durchzusetzen. In Texas ist die Feststellung der "zukünftigen Gefährlichkeit" durch die Geschworenen Voraussetzung für ein Todesurteil.

Der fragliche Psychiater hat Ramiro Gonzales kürzlich erneut untersucht. Dieses Mal kam er zu dem Schluss, dass Ramiro Gonzales nicht unter einer antisozialen Persönlichkeitsstörung leidet, wie er in der Verhandlung angegeben hatte, und dass von ihm "keine zukünftige Gefahr für andere ausgeht". In seinem Bericht heißt es: "Zum Zeitpunkt des Begehens seiner Straftat war Ramiro Gonzales gerade mal 18 Jahre alt. Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Reife hat er sich sowohl geistig als auch emotional stark verändert. Dies stellt eine äußerst positive Entwicklung dar. In Anbetracht aller mir vorliegenden Beweise, meiner Begutachtung von Ramiro Gonzales und seines derzeitigen geistigen Zustands bin ich der Meinung, dass er mit hinreichender psychiatrischer Wahrscheinlichkeit keine zukünftige Gefahr für die Gesellschaft hinsichtlich vorhersehbarer künftiger krimineller Gewalttaten darstellt." In den 15 Jahren, die Ramiro Gonzales im Todestrakt verbracht hat, ging es in keinem der wenigen Fälle, in denen Disziplinarmaßnahmen gegen ihn zur Anwendung kamen – die meisten davon zu Beginn seiner Inhaftierung – um Gewalt.

Am 11. Juli 2022 stimmte der Begnadigungsausschuss von Texas trotz dieser und weiterer Informationen im Gnadengesuch von Ramiro Gonzales für die Verweigerung der Begnadigung und gegen die Empfehlung, ihn durch den Gouverneur von Texas begnadigen zu lassen.

Etwa eine Stunde später erteilte das Berufungsstrafgericht von Texas die Anordnung, die Hinrichtung auszusetzen. Das Gericht stellte fest, dass die "Feststellung der zukünftigen Gefährlichkeit im Prozess getroffen wird und nicht im Rahmen einer Habeas-Corpus-Klage neu bewertet werden kann". Soweit es sich bei der im Rahmen der Eingabe angeführten Behauptung um eine Neubewertung handele, ordnete das Berufungsstrafgericht an, dass "das Gericht sie nicht überprüfen soll". Die Rechtsbeistände hätten jedoch auch Beweise dafür vorgelegt, dass die Aussage des Psychiaters über Rückfallquoten falsch gewesen sei und dass "die falsche Aussage die Antwort der Geschworenen auf die Frage nach der zukünftigen Gefährlichkeit" in der Strafzumessungsphase beeinflusst haben könnte, führte das Berufungsstrafgericht weiter aus. Es verwies diesen Aspekt der Eingabe zur Prüfung an das erstinstanzliche Gericht zurück. Die Aussetzung der Vollstreckung, so stellte das Berufungsstrafgericht klar, werde bis zum Abschluss dieses Prozesses in Kraft bleiben. 

Bisher wurden 2022 in den USA sieben Hinrichtungen vollstreckt, und zwar in Alabama (1), Arizona (2), Missouri (1), Oklahoma (2) und Texas (1).

Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die Appelle geschrieben haben.