Blog Vereinigte Staaten von Amerika 02. Dezember 2015

Der Unbeugsame

Setzt sich seit Jahrzehnten unermüdlich für die Freilassung seines Freundes ein: Robert King vor einem Wandgemälde in New Orleans, das den inhaftierten Aktivisten Albert Woodfox zeigt.

Albert Woodfox wurde in den USA wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Der afroamerikanische Aktivist hat die Tat jedoch stets bestritten. Die Jury, die ihn schuldig sprach, bestand nur aus Weißen. Obwohl das Urteil aufgehoben wurde, lässt der Justizminister von Loui­siana ihn nicht frei. Er sowie Robert King und der inzwischen verstorbene Herman Wallace gelten als die "Angola Three". Die Behörden werfen ihnen vor, an der Tötung eines Gefängniswärters im Jahr 1972 beteiligt gewesen zu sein. Sie selbst bestreiten das und gehen davon aus, dass man sie der Tat beschuldigte, weil sie der Black Panther Party angehörten. Darauf deuten auch Dokumente der Justizbehörden hin. Vom 4. bis 18. Dezember ruft Amnesty International im Rahmen des Briefmarathons Menschen weltweit dazu auf, sich für die Freilassung von Albert Woodfox einzusetzen.

Hier erzählt Woodfox' Weggefährte Robert King von seinem Freund Albert. King war ebenfalls 32 Jahre im Louisiana-State-Gefängnis in Angola inhaftiert, davon 29 Jahre in Isolationshaft.

Als ich Albert zum ersten Mal begegnete, war er überhaupt nicht politisch aktiv. Ich lernte ihn im Gefängnis kennen, als er ungefähr 17 Jahre alt war. Als er in meinem Schlafsaal untergebracht wurde, stand ich eigentlich kurz vor meiner Entlassung. Wir unterhielten uns miteinander, waren aber nicht befreundet.

Er war sehr extrovertiert und wollte immer über alles Bescheid wissen, was vor sich ging. Es gab viele Dinge, die ihn interessierten, nichts aber machte einen solchen Eindruck auf ihn wie die Black Panther Party: Unbeugsame schwarze Männer, die stolz auf ihre Identität waren.

Albert blieb für die Black Panther Party aktiv, auch als er im Louisiana State Gefängnis in Angola interniert wurde. Seinerzeit galt es als das brutalste Gefängnis der USA: Es herrschten sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen, die Gefangenen arbeiteten 17 Stunden pro Tag für zweieinhalb Cents die Stunde, hauptsächlich in der Verarbeitung von Zuckerrohr. Täglich gab es Vergewaltigungen, die Gefängniswärter hatten Pistolen und Schlagstöcke und machten jüngere Häftlinge zu Sexsklaven.

Albert arbeitete in der Küche. Er und sein Mitgefangener Herman Wallace gaben regelmäßig Kurse in politischer Bildung – ob in der Küche oder auf dem Hof machten sie ihren Mitgefangenen klar, dass sie zwar im Gefängnis waren, aber dennoch Grundrechte hatten.

Es war ziemlich waghalsig, die Ideen der Black Panther Party im Gefängnis zu verbreiten. Ich denke, Alberts Überzeugungen waren die Quelle für seinen Mut. Er war mit Haut und Haar Black-Panther-Mitglied.

Die "Angola 3" im Jahr 2001: Herman Wallace, Robert King und Albert Woodfox (v.l.n.r.).

Albert konnte gemeinsam mit Herman immer gut einzelne Personen und auch Gruppen mobilisieren. Doch dann wurde im April 1972 ein Gefängniswärter ermordet aufgefunden, und der Verdacht fiel auf die beiden. Und auch ich, obwohl ich zum Zeitpunkt des Mordes gar nicht anwesend war, wurde daraufhin ebenfalls in Einzelhaft verlegt und war somit in unmittelbarer Nähe der beiden untergebracht.

Jahrelang hatte ich die Zelle neben Albert. Wir fingen an, uns zu wehren. Unser Bereich des Gefängnisses wurde als der radikalste angesehen, wir versuchten, Veränderungen herbeizuführen, zum Beispiel durch Hungerstreiks und sehr, sehr viel störendes Verhalten: Ein Rädchen, das nicht quietscht, wird auch nicht geschmiert. Dort in der Einzelhaft machten sie einiges mit uns … Wir wurden gefüttert wie Tiere.

Mein politisches Bewusstsein hat mir neuen Lebensmut gegeben, Zielstrebigkeit und den Mut, für meine Überzeugungen einzustehen. Und ich habe gesehen, dass es noch mehr Leute gibt, denen es auch so geht: Wie ich lehnten sie sich gegen ein verlogenes politisches System auf, das einen bestimmten Teil der Bevölkerung komplett vernachlässigte und Versprechen abgab, die nicht gehalten wurden. Als ich in Einzelhaft verlegt wurde, betrachtete ich ohnehin ganz Amerika als ein großes Gefängnis. Aus der "offenen" gesellschaftlichen Gefangenschaft kam ich in die geschlossene Hochsicherheitsverwahrung. Egal, wo ich mich befand – ich war im Gefängnis. Und dieses neue Bewusstsein hat mir den Antrieb gegeben, immer weiterzumachen. Ich war im Gefängnis, aber das Gefängnis war nicht in mir.

Albert ging es vermutlich genauso. Er hat einmal gesagt: "Meinen Geist werden sie niemals einsperren." Obwohl sein Körper unter der Inhaftierung leidet, hat er immer noch seinen Geist. Ich meine, was können sie ihm jetzt noch antun?

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Freiheit für Albert Woodfox! (Video auf YouTube ansehen)

Mehrere Jahrzehnte lang waren Albert, Herman und ich vollkommen auf uns alleine gestellt. Erst als wir schon fast 25 Jahre in Einzelhaft gesessen hatten, fragten sich die Leute, warum? Denn das hatte es bis dahin noch nie gegeben.

Dass sich dann so viele Leute für uns einsetzten, hat uns Hoffnung und Bestätigung gegeben, Mut gemacht und die nötige politische Plattform geschaffen, um weiterzumachen. Mittlerweile kann ich häufiger mit Albert sprechen, weil er seit Ende 2010 nicht mehr in Angola, sondern in einem anderen Gefängnis untergebracht ist. Er ist zwar immer noch in Einzelhaft, aber er darf häufiger telefonieren, Besuch empfangen und mit Menschen reden. Wir sprechen oft gemeinsam über seinen Fall: Wo wir stehen und was wir noch tun können. Das Ziel ist Alberts Freilassung. Er ist vorsichtig mit seinen Erwartungen, aber er bleibt hoffnungsvoll. Durch die auf ihn gerichtete Aufmerksamkeit wird den Behörden gezeigt, dass Albert nicht verschwinden wird und dass auch seine Unterstützerinnen und Unterstützer nicht verschwinden werden. Die Behörden haben immer wieder versucht, den Fall unter den Teppich zu kehren, und jedes Mal schlägt er nur noch höhere Wellen.

Werde aktiv! Beteilige dich am Amnesty-Briefmarathon und fordere die Freilassung von Albert Woodfox! Jetzt mitmachen: http://www.briefmarathon.de

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