Amnesty Report Slowenien 16. April 2020

Slowenien 2019

Innenansicht eines älteren Wohnwagens, auf dem Bett sieht man Decken, mehrere Kinder, die in die Kamera schauen, ein Hund und einen Mann mit Hand

Angehörige der Roma-Minderheit in der slowenischen Stadt Ribnica im Januar 2020

Slowenien versäumte es, die Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen zu respektieren, zu schützen und zu fördern. Die rechtliche Definition von Vergewaltigung im Strafgesetzbuch blieb hinter der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung und -standards zurück. Das Sozialfürsorgesystem für ältere Menschen war nach wie vor völlig unzureichend. Roma wurden noch immer in allen Lebensbereichen systematisch diskriminiert und sozial ausgegrenzt.

 

Flüchtlinge und Asylsuchende

Viele potenzielle Asylsuchende, die ohne regulären Aufenthaltsstatus nach Slowenien eingereist waren, erhielten keinen Zugang zu Asyl, wurden mit Geldstrafen belegt und – häufig in Gruppen – ins benachbarte Kroatien abgeschoben. Solche kollektiven Abschiebungen erfolgten ohne angemessene Verfahrensgarantien gegen ein Refoulement (d.h. die Abschiebung in ein Land oder Gebiet, wo Verfolgung wahrscheinlich ist) sowie trotz glaubhafter Berichte über verbreitete Gewaltanwendung und Misshandlungen durch die kroatische Polizei und der Gefahr einer wahrscheinlichen weiteren Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina. 

Menschenrechtsorganisationen dokumentierten zahlreiche Fälle, in denen die slowenischen Behörden die Absicht von Asylsuchenden ignoriert hatten, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, und es versäumt hatten, den an der Grenze eintreffenden Menschen Informationen oder ausreichende Übersetzungshilfen zur Verfügung zu stellen. Die Behörden gingen diesen Vorwürfen nicht korrekt und effizient nach. Die Regierung verweigerte überdies den öffentlichen Zugang zu offiziellen Informationen in Bezug auf polizeiliche Maßnahmen und die allgemeine Lage an der slowenisch-kroatischen Grenze, obwohl der Öffentlichkeitsbeauftragte die Anweisung erteilt hatte, diese Dokumente zu veröffentlichen. Die Regierung ging gerichtlich gegen die Forderung nach einer Veröffentlichung vor. 

 

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Die Definition von Vergewaltigung im Strafgesetzbuch basierte entgegen internationalen Menschenrechtsstandards weiterhin auf dem Einsatz von Gewalt, Gewaltandrohung oder Zwang und nicht auf fehlender Zustimmung. Das Justizministerium verpflichtete sich, dies im Rahmen umfassenderer Veränderungen des Strafgesetzbuchs anzugehen und richtete eine Arbeitsgruppe ein, die Reformvorschläge entwickeln sollte. Bis Ende des Jahres gab es dazu noch keinen offiziellen Vorschlag.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Im September 2019 veröffentlichte der Rechnungshof einen Bericht über das Sozialfürsorgesystem, das die Nachlässigkeit der Regierung im Lauf des vergangenen Jahrzehnts kritisierte und zu dem Schluss kam, dass sich das System in einer bedenklichen Lage befinde. Laut dem Bericht hatten es die Behörden versäumt, bezahlbare Langzeitpflege für die Mehrheit derjenigen, die sie brauchten, in angemessenem Umfang bereitzustellen. Ältere Menschen mit schwächerem sozioökonomischem Hintergrund waren davon überproportional betroffen. Vertreter_innen von Pflegeheimen berichteten, dass etwa 53.000 Anträge auf geschätzte 20.000 vorhandene Betten eingegangen waren. Dies löste zunehmend Besorgnis über unzureichende Kapazitäten für die ältere Bevölkerung in staatlich finanzierten Einrichtungen aus. Im September 2019 kündigte das Gesundheitsministerium die Vorbereitung lange aufgeschobener Gesetzesentwürfe über Langzeitpflege für Senioren an, jedoch waren bis Ende des Jahres keine Fortschritte zu verzeichnen.

Diskriminierung – Roma

Roma waren 2019 noch immer mit systematischer Diskriminierung, hohen Arbeitslosenzahlen und sozialer Ausgrenzung konfrontiert. Viele lebten nach wie vor in abgetrennten Siedlungen in unangemessenen Unterkünften und hatten weder sichere Nutzungs- oder Besitzrechte noch Zugang zu Wasser, Strom, Sanitärversorgung und öffentlichen Verkehrsmitteln. 

Das Umweltministerium legte 2019 Änderungsvorschläge zum Baugesetz vor und setzte damit eine Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Oktober 2017 um, wonach die Zerstörung eines illegal errichteten Gebäudes, das die einzige Wohnstatt einer Person ist, eine Verletzung des Rechts auf Wohnen darstellt. Falls der Gesetzentwurf verabschiedet wird, würde er umfangreichere Schutzgarantien gegen Zwangsräumungen bieten, vor allem in irregulären Roma-Siedlungen. 

Die schulischen Leistungen von Roma-Kindern blieben 2019 dürftig, wobei inoffiziell erhobene Daten zeigten, dass mehr als 60% von ihnen keinen Primarschulabschluss schafften. Ein umfassenderes Bild der schulischen Leistungen von Roma-Schüler_innen und deren Abschlusszahlen in Primarschulen stand nicht zur Verfügung, da die Regierung Daten über Roma-Kinder noch immer nicht systematisch erfasste. Roma-Kinder blieben in Sonderschulen weiter stark überrepräsentiert.

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