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"Nur, wer seine Rechte kennt, kann sie auch verteidigen"
Souleymane Sow von Amnesty Guinea
© Lisa Groß / Amnesty
Amnesty International hat in Guinea viel bewegt. Vor elf Jahren wurde die Sektion gegründet, sie hat an der Abschaffung der Todesstrafe mitgewirkt. Souleymane Sow, der Mitbegründer und Direktor von Amnesty Guinea, erzählt, wie es um die Menschenrechte in dem westafrikanischen Land bestellt ist.
Interview: Parastu Sherafatian
Wie kam es zur Gründung von Amnesty Guinea?
Ich lernte während meines Studiums in Frankreich eine lokale Amnesty-Gruppe kennen und engagierte mich dort als Jugendvertreter. Im Laufe dieser Zeit lernte ich Amnesty gut kennen und traf viele Mitglieder der Organisation. Als ich 2009 nach Guinea zurückkehrte, wollte ich mich auch in meinem Land für die Menschenrechte einsetzen. Ich fragte bei Amnesty Frankreich, ob sie mich beim Aufbau einer lokalen Gruppe unterstützen könnten, und sie vernetzten mich mit anderen Personen, die dieselbe Idee hatten. Wir mobilisierten viele junge Unterstützer*innen und gründeten 2012 unsere erste Gruppe.
Wie stand es um die Menschenrechte, als die Gruppe die Arbeit aufnahm?
Es fehlte damals bei vielen Guiner*innen an Wissen über die eigenen Rechte. Wir konzentrierten uns also zunächst auf die Menschenrechtsbildung und besuchen bis heute oft Schulen. Denn nur, wer seine Rechte kennt, kann sie auch verteidigen. Ein weiteres großes Thema war die Todesstrafe. Zusammen mit 34 anderen Nichtregierungsorganisationen arbeiteten wir monatelang daran, sie in Guinea abzuschaffen. Um das zu erreichen, sprachen wir mit unzähligen Politiker*innen. 2016 kam dann unser großer Erfolg: Die Todesstrafe wurde nicht in das neue Strafgesetzbuch übernommen.
Guinea befindet sich seit dem Staatsstreich in 2021 in einer Übergangsphase. Welche Auswirkungen hat das auf die Menschenrechtslage?
In den vergangenen zwei Jahren gab es viele Einschränkungen der Menschenrechte. Die Übergangsbehörden haben insbesondere die Meinungsfreiheit auf vielfältige Weise beschnitten. Seit dem Staatsstreich sind praktisch alle Demonstrationen verboten. Und wenn sich Menschen doch versammeln, kommt es oft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und willkürlichen Festnahmen. Journalist*innen werden schikaniert und daran gehindert, kritisch über die Situation zu berichten.
Was unternimmt Amnesty Guinea dagegen?
Wir fordern mit Stellungnahmen und Petitionen, dass Fälle von willkürlich Inhaftierten aufgeklärt werden. Und wir bieten Betroffenen an, sie bei einer Strafanzeige zu unterstützen. Leider dauern die Prozesse oft lange, oder es kommt letztlich nicht dazu, dass die Leidtragenden Gerechtigkeit erfahren. Es herrscht auf mehreren Ebenen der Behörden eine Kultur der Straflosigkeit. Wir fragen uns oft, was der Regierung wichtig ist: für Gerechtigkeit zu sorgen oder Straflosigkeit walten zu lassen?
Welches weitere Thema beschäftigt euch?
Derzeit steht die Problematik der sexualisierten Gewalt, vor allem gegenüber Frauen, im Fokus unserer Arbeit. Wir haben im vergangenen Jahr einen Amnesty-Bericht dazu veröffentlicht und unsere bisher größte Kampagne "Stoppt sexualisierte Gewalt in Guinea!" gestartet. Wir übersetzen unsere Materialien in mehrere nationale Sprachen und erstellen auditive Inhalte für alle, die nicht lesen können. Uns ist sehr wichtig, dass wir so viele Menschen wie möglich erreichen. Mittlerweile wird die Thematik vermehrt angesprochen, und der öffentliche Diskurs hat sich gewandelt. Inzwischen trauen sich mehr Betroffene, von ihren Erfahrungen zu berichten und Gerechtigkeit einzufordern. Zwar gibt es noch viel zu tun, aber ich bin zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Parastu Sherafatian ist Mitarbeiterin der Pressestelle von Amnesty International in Deutschland.