Aktuell Deutschland 17. April 2020

Volkmar Deile: Nachruf auf einen großen Verfechter der Menschenrechte

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht

Ein Nachruf von Wolfgang Grenz, Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion von 2011 bis 2013.

Als Volkmar Deile 1990 sein Amt als Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International antrat, war er in der deutschen Zivilgesellschaft kein Unbekannter. Er war Geschäftsführer von Aktion Sühnezeichen /Friedensdienste gewesen. Noch mehr war er mir aber bekannt geworden als einer der Koordinatoren der großen Friedensdemonstration im Oktober 1982 in Bonn. 

Ich war gespannt, wie Volkmar und Amnesty zusammenkommen würden. Es gab Beispiele von anderen Organisationen, bei denen es nicht so gut klappte, wenn in der Öffentlichkeit bekannte Persönlichkeiten Chef einer Organisation wurden, deren Aufgabenbereich sich von dem der bisherigen Tätigkeiten unterschied und die mit den in der neuen Organisation vorhandenen Eigentümlichkeiten nicht klarkamen. Das war für Volkmar kein Problem. Nun sind Friedenspolitik und Menschenrechte nicht so weit auseinander. Zum anderen hat er sich über einige Besonderheiten bei Amnesty zwar gewundert. Er konnte damit aber gut umgehen. Einmal hat er sich in einem Fernsehinterview versprochen, als er die Forderungen von Amnesty besonders betonen wollte, rutschte es aus ihm heraus "Wir von Aktion Sühnezeichen fordern". Das fiel dem Interviewer und auch den meisten Zuschauern nicht auf. Inhaltlich war es auch richtig. Es zeigte aber auch, dass er mit Aktion Sühnezeichen weiter eng verbunden war und blieb. 

Nach seinem Ausscheiden als Generalsekretär verfolgte er die Entwicklung von Amnesty intensiv weiter. Manche Entwicklungen, auch in der deutschen Sektion, sah er kritisch. Das Thema Menschenrechte ließ ihn aber nicht mehr los.

Zehn Jahre nach der großen Friedensdemonstration fand wieder eine große Kundgebung im Bonner Hofgarten statt. Diesmal koordinierte Volkmar nicht, er war einer der Redner am 14.11.1992. Die Kundgebung fand zwei Tage vor einem Sonderparteitag der SPD statt, der über die Zustimmung der SPD zur Einschränkung des Grundrechts auf Asyl nach Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes entscheiden sollte. Die Rede von Volkmar war der inhaltliche Höhepunkt der Kundgebung. Er wies deutlich die auch heute immer wieder erhobene Behauptung zurück, das Asylrecht werde missbraucht. Er wies auf die Ursachen von Flucht und Vertreibung hin, auf Kriege, ökologische Katastrophen, soziales Elend und Menschenrechtsverletzungen. Es lohnt sich, diese Rede, die er nach Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen selbst formuliert hatte und die daher sehr authentisch war, noch einmal zu lesen. Sie hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt.

Volkmar war ein Netzwerker, auch auf kleinerer Ebene. Er war in verschiedenen Gesprächskreisen aktiv. Mich nahm er einige Male mit zu einem Gesprächskreis junger Journalistinnen und Journalisten. Sie waren an seinen Einschätzungen sehr interessiert.

Solche Gesprächsrunden konnte es damals in Bonn geben, heute in Berlin gibt es sie in dieser Regelmäßigkeit nicht mehr. Viele der damaligen Teilnehmenden haben ebenso wie unsere Pressesprecherinnen und Pressesprecher und Volontäre später wichtige Positionen bei Rundfunkanstalten und Zeitungen bekleidet und tun dies zum großen Teil auch noch heute noch.

Studio-Porträtfoto Volkmar Deile

Volkmar Deile war von 1990 bis 1999 Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland (Archivaufnahme aus dem Jahr 1997). Er verstarb am 2. April 2020.

 

Volkmar spielte eine wichtige Rolle bei der Gründung des "Forum Menschenrechte". Für uns war klar, dass der originäre Nutzen für Amnesty geringer war als für viele der anderen Initiativen und Organisationen. Es war ihm aber bewusst, dass mit der Gründung des "Forum Menschenrechte" die Arbeit für die Menschenrechte in Deutschland gestärkt werden würde. Aus diesem Grund hat er die Gründung des Forums entscheidend unterstützt.

Im Arbeitsalltag war Volkmar nicht immer "pflegeleicht". Er erwartete viel von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, stellte aber auch hohe Anforderungen an sich selbst. Wenn er in der Regel kurz nach 9.00 Uhr ins Sekretariat kam und wir ein fröhliches Pfeifen hörten, war er sehr guter Laune. Wenn wir nichts hörten, war dies eher ein schlechtes Zeichen. Aber seine schlechte Stimmung hellte sich meist schnell wieder auf.

Nach seinem Ausscheiden als Generalsekretär verfolgte er die Entwicklung von Amnesty intensiv weiter. Manche Entwicklungen, auch in der deutschen Sektion, sah er kritisch. Das Thema Menschenrechte ließ ihn aber nicht mehr los. Er wurde weiterhin oft um seine Meinung und seinen Rat gefragt. So war er ein wichtiger Gesprächspartner für Martin Klingst, als dieser für sein Buch über die Menschenrechte recherchierte. 

Ich bin sehr traurig, dass wir Volkmar als Mensch und Menschenrechtler verloren haben.