Amnesty Journal Deutschland 22. August 2019

"Die AfD schafft eine Kultur des Verdachts"

Ein Mann mit Brille diskutiert

David Begrich leitet die Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt. 

David Begrich leitet die Arbeitsstelle Rechtsextremismus von Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V. Die AfD in Sachsen-Anhalt fordert, dem Magdeburger Verein wegen seines "linksextremen" Engagements die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Ein Interview. 

Interview: Markus Bickel

Dreißig Jahre nach der Revolution in der DDR reklamiert die AfD die Erfolge des Umbruchs 1989 für sich. Wie kann das sein?

Was die AfD macht, ist, die Endphase der DDR mit den aktuellen politischen Zuständen zu parallelisieren. Sie bedient sich eines Assoziationsraums, der nur in Ostdeutschland funktioniert, indem sie suggeriert, legitime Nachlassverwalterin der friedlichen Revolution von 1989 zu sein. "Vollendet die Wende" oder "Bürgerrechtler an die Urne" sind Parolen, die direkt an die Systemumbrucherfahrung anknüpfen.

Mit Erfolg?

Die AfD setzt auf das große Potenzial der Nichtwählerinnen und -wähler, die für derlei Rhetorik empfänglich sind. Was dieses sehr heterogene Milieu verbindet, ist eine Mischung aus Wut, Resignation und Ressentiment – und die Zustimmungsbereitschaft zu tendenziell autoritären gesellschaftlichen Konzepten. Obwohl es ihnen materiell um ein Vielfaches besser geht als in der Endphase der DDR, fühlen sich viele Angehörige der mittleren und älteren Generation in ihrer biografischen Leistung schlicht und ergreifend nicht akzeptiert.

Was droht, wenn die AfD ihr Wahlprogramm umsetzen kann?

Man muss sich klarmachen, dass die AfD das Ziel eines kompletten Umbaus der Gesellschaftspolitik vor Augen hat. Auch für andere Fraktionen der extremen Rechten bildet das Gebiet der neuen Bundesländer ein Sehnsuchtsland, sozusagen das deutschere Deutschland. Das hat zum einen damit zu tun, dass hier viel weniger Migranten leben als im Westen, zum anderen damit, dass Kultur und Politik nicht so amerikanisiert sind wie in der alten Bundesrepublik. In der Propaganda der DDR spielten ja auch nationalistische Töne eine Rolle; daran knüpft die AfD direkt an.

Wie lässt sich demokratische Gegenwehr organisieren?

Die AfD setzt auf einen Prozess der Diskreditierung zivil­gesellschaftlichen und demokratischen Engagements. Sie will eine Kultur des Verdachts schaffen. Wir bei Miteinander e. V. in Sachsen-Anhalt halten dagegen, indem wir bei dem bleiben, was wir seit Jahren machen: Analysen anbieten zur gesellschaftspolitischen Entwicklung im ländlichen und kleinstädtischen Raum.

Die CDU setzt auf Abgrenzung statt Ausgrenzung. Ist das der richtige Weg?

Man muss ehrlicherweise sagen: Der richtige Weg ist noch nicht gefunden. Allein moralisch die Positionen der AfD zu kritisieren, reicht jedenfalls nicht aus. Einer Interaktion wird man nicht aus dem Weg gehen können, und ich sage ganz bewusst: Interaktion ist nicht Kooperation. Die Partei beherrscht das Wechselspiel zwischen Tabubruch und Provokation sehr gut. Daraus auszusteigen, ist für ihre Gegner nicht leicht, weil wir ja sehen, dass das in den Chatrooms viel Reichweite erzielt. Aber es führt meines Erachtens in eine Sackgasse.

Was können Demonstrationen wie #unteilbar in Dresden vor diesem Hintergrund bewirken?

Sie zeigen denen, die sich in Ostdeutschland engagieren, dass sie nicht allein gelassen sind. In Berlin oder Köln macht man sich manchmal nicht so recht klar, was es bedeutet, für eine bestimmte Haltung auch einstehen zu müssen. Ich würde mir deshalb wünschen, dass aus solch einer Demonstration Dialogformen entstehen, die diejenigen wirklich unterstützen, die gerade im ländlichen und kleinstädtischen Raum zum Teil unter schwierigen Bedingungen in Ostdeutschland für eine demokratische Kultur arbeiten.

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