Aktuell Nicaragua 25. Februar 2010

Nicaragua: Abtreibungsverbot bedroht das Leben schwangerer Krebspatientin

Beratungsgespräch in einer Klinik, Ocotal, Nicaragua, November 2007.

Beratungsgespräch in einer Klinik, Ocotal, Nicaragua, November 2007.

24. Februar 2010 - Amnesty International fordert die nicaraguanischen Behörden auf, einer schwangeren Frau die notwendige Krebsbehandlung zu ermöglichen, die ihr derzeit vorenthalten wird aufgrund eines Gesetzes, das Abtreibungen unter allen Umständen verbietet. Am 2. Februar 2010 diagnostizierten Ärzte bei der in der 10. Woche schwangeren Amalia* Krebs, der sich vermutlich bereits auf Gehirn, Lunge und Brust ausgebreitet hatte.

Trotzdem wird die 27-Jährige nicht umfassend behandelt: Die Ärzte müssen aufgrund des Abtreibungsgesetzes befürchten, strafrechtlich verfolgt zu werden, wenn sie dem Fötus während der Behandlung – und sei es unbeabsichtigt – irgendeinen Schaden zufügen.

"Es ist schockierend, dass Nicaragua einer Krebspatientin potentiell lebensrettende Maßnahmen verweigert, weil sie schwanger ist", sagte Esther Major, Zentralamerika-Expertin bei Amnesty International. "Amalias Situation offenbart die Auswirkungen des drakonischen Gesetzes und verdeutlicht die Dringlichkeit, es aufzuheben. Es verhindert die rechtzeitige Behandlung und erschwert eine rationale medizinische Beurteilung. Jeder Tag ist entscheidend für Amalias Überlebenschancen. Die nicaraguanischen Behörden müssen umgehend Schritte in die Wege leiten, um ihr eine umfassende Gesundheitsversorgung zu bieten und den Krebs adäquat zu bekämpfen." Die behandelnden Ärzte verweigern Amalia jedoch eine notwendige Strahlenbehandlung und Chemotherapie, da sie eine Strafverfolgung befürchten.

Im Jahr 2006, bevor das Abtreibungsverbot rechtswirksam wurde, veröffentlichten 21 nicaraguanische Ärzteverbände aus allen medizinischen Fachbereichen eine gemeinsame Stellungnahme gegen das geplante Abtreibungsverbot. Sie warnten eindringlich, dass medizinische Fachleute durch das Gesetz in ihrer Aufgabe, eine adäquate Gesundheitsversorgung zu gewährleisten sowie in ihrer Berufsausübung eingeschränkt würden.

Am 18. Februar 2010 wandten sich nicaraguanische NGOs und der größte gynäkologische Fachverband Nicaraguas an die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, um Sondermaßnahmen zu fordern. Sie verlangen von der Regierung, ihrer gesetzmäßigen Pflicht nachzukommen, Amalias Recht auf Leben und Gesundheit zu schützen und eine sofortige medizinische Behandlung, die ihr Leben retten oder zumindest verlängern könnte, sicherzustellen.
"Das totale Abtreibungsverbot in Nicaragua ist rechtswidrig. Außerdem hat die nicaraguanische Regierung die Forderung von vier UN-Expertengremien - unter ihnen die Kommission gegen Folter - nach der Aufhebung des Gesetzes ignoriert", sagte Esther Major.

Vor zwei Wochen haben elf Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Nicaragua aufgefordert, das Abtreibungsgesetz zu ändern. Anlass war der in jüngster Zeit zu verzeichnende Anstieg der Müttersterblichkeitsrate und der Anzahl von Vergewaltigungsopfern, die gezwungen wurden, ein Kind auszutragen.
Eine juristische Anfechtung des Gesetzes liegt dem Obersten Gerichtshof seit über einem Jahr vor, sagte Esther Major. Amnesty International ist entsetzt über die Weigerung der nicaraguanischen Regierung, auf die dringenden Gesuche zu reagieren, die eine Änderung dieses grausamen Verbotes fordern.

(*Name von der Redaktion geändert)

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