Haftstrafen nach unfairem Verfahren

Vereinigte Arabische Emirate

Vereinigte Arabische Emirate

Am 27. März endete in Abu Dhabi ein Massenverfahren gegen 41 Männer. 34 Personen wurden zu Haftstrafen verurteilt. Das Strafmaß reichte von drei Jahren bis zu lebenslanger Haft. Drei der Verurteilten waren zum Zeitpunkt der Festnahme unter 18 Jahre alt. Sieben Männer wurden freigesprochen.

Appell an

VIZEPRÄSIDENT UND MINISTERPRÄSIDENT
Sheikh Mohammed Bin Rashid al-Maktoum
Prime Minister’s Office
PO Box 212000, Dubai
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 971) 4 330 4044
Twitter: @HHShkMohd
E-Mail: info@primeminister.ae

INNENMINISTER
Lt General Sheikh Saif bin Zayed Al Nahyan
Zayed Sport City, Arab Gulf Street
Near to Shaikh Zayed Mosque
Abu Dhabi PO Box 398
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 971) 2 441 4938 oder
(00 971) 2 402 2762 oder
(00 971) 2 441 5780

Sende eine Kopie an

KRONPRINZ VON ABU DHABI
Sheikh Mohamed bin Zayed Al Nahyan
Crown Prince Court
King Abdullah Bin Abdulaziz
Al Saud Street
P.O. Box: 124, Abu Dhabi
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
Fax: (00971) 2 668 6622
Twitter: @MBZNews

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE
S. E. Herrn
Jumaa Mubarak Jumaa Salem Aljunaibi
Hiroshimastraße 18-20
10785 Berlin
Fax: 030-5165 1900
E-Mail: AmbOffice.Berlin@mofa.gov.ae

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. Mai 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE, TWITTERNACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stellen Sie sicher, dass die Urteile der 34 Männer aufgehoben werden und dass sie ein neues Verfahren vor einem ordentlichen Strafgericht erhalten, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht, bei dem nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird und welches das Recht einschließt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen; Bitte stellen Sie die Angeklagten, die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme unter 18 Jahre alt waren, vor ein Gericht, das den Rahmenbestimmungen der Vereinten Nationen für die Jugendgerichtsbarkeit entspricht.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass "Geständnisse", die auf Folter oder anderweitiger Misshandlung basieren, vor Gericht nicht als Beweismittel verwendet werden, und dass die Männer vor weiterer Misshandlung geschützt werden; bitte ordnen Sie in Übereinstimmung mit dem Istanbul-Protokoll eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Foltervorwürfe an.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the UAE authorities to ensure the convictions of the 34 men are quashed and to order a retrial before an ordinary criminal court in accordance with international fair trial standards, including the right to appeal, and without recourse to the death penalty; adding that those under 18 at the time of arrests should be retried in a court abiding by international standards of juvenile justice.

  • Calling on them to ensure that any "confessions" obtained by torture and other ill-treatment are not used as evidence in court and that the men are protected from any further ill-treatment; and calling on them to order an independent and impartial investigation into the allegations of torture, in line with the Istanbul protocol.

Sachlage

Am 27. März endete das Gerichtsverfahren gegen 41 Männer vor der Staatssicherheitskammer des Obersten Bundesgerichts in Abu Dhabi. Angeklagt waren 37 Staatsbürger der Vereinigten Arabischen Emirate, zwei Iraner, ein Syrer und ein Komorer. Ihnen wurden terroristische Straftaten vorgeworfen, darunter auch die Gründung der Jugendgruppe Shabab Al Manarah mit dem Ziel, die Regierung der VAE zu stürzen und ein "IS-ähnliches Kalifat einzuführen". Außerdem sollen sie Waffen, Munition und Sprengstoffe in die VAE geschmuggelt haben, um "die Sicherheit und das Leben von Menschen, einschließlich das der Regierung des Landes, zu gefährden". Das Gericht verurteilte elf Männer zu lebenslangen Haftstrafen, darunter einen Mann, der zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alt war, und zwei Männer, die während des Gerichtsverfahrens nicht anwesend waren. Die restlichen Männer erhielten unterschiedlich lange Haftstrafen: zwei Männer wurden zu 15 Jahren Haft verurteilt; 13 Männer zu zehn Jahren Haft; zwei Männer, die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme unter 18 Jahre alt waren, wurden zu fünf Jahren Haft verurteilt. Sieben Männer wurden freigesprochen. Die vier Männer mit ausländischer Staatsbürgerschaft werden nach Verbüßen ihrer Haftstrafen abgeschoben. Die Verurteilten haben keine Möglichkeit, Rechtmittel gegen ihre Urteile einzulegen.

Mindestens 21 der Männer wurden zwischen dem 20. November und dem 7. Dezember 2013 von Angehörigen der Staatssicherheit festgenommen und anschließend in geheimen Hafteinrichtungen festgehalten. Dort hatten sie 20 Monate lang keinen Kontakt zur Außenwelt, auch nicht zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen. Im Juli 2015 wurden einige von ihnen in das al-Razeen-Gefängnis und in das al-Wathba-Gefängnis in Abu Dhabi verlegt. Das Gerichtsverfahren gegen die 41 Männer begann am 24. August 2015. Während des Verfahrens stellte der Rechtsbeistand eines Angeklagten fest, dass sich die schriftlichen Geständnisse, die dem Gericht präsentiert wurden, sehr ähnlich waren und sagte, dass er vermutete, dass sie gefälscht seien. Die Anklagevertretung zeigte vor Gericht Videoaufnahmen, in denen die Männer die gegen sie vorgebrachten Anklagen "gestanden".

Hintergrundinformation

Hintergrund

Viele der 41 Männer, die im Zusammenhang mit der Jugendgruppe Shabab Al Manarah vor Gericht stehen, sind miteinander verwandt. Khalid Kalantar und seine vier Söhne Abdullah, Abulrahman, Othman und Mohammed wurden zwischen dem 20. November und 2. Dezember 2013 festgenommen. Ali Salim al-Boloushi, ein Medizinstudent der Universität der Vereinigten Arabischen Emirate, wurde am 6. Dezember 2013 um 21.30 Uhr festgenommen, als er gerade Brot für ein Familienessen einkaufen wollte. Zwei Tage zuvor, am 4. Dezember 2013, war sein Onkel, Ahmed Abdulrahman Nawab al-Boloushi, um 1.30 Uhr nachts in der Notaufnahme eines Krankenhauses festgenommen worden, in dem sein Vater behandelt wurde. Man brachte ihn zu seinem Haus und durchsuchte dieses. Einer ihrer Verwandten, Jumaa Abdulrahman Murad al-Boloushi, wurde am 3. Dezember 2013 ebenfalls in einem Krankenhaus festgenommen, in dem sein Sohn behandelt wurde. Am 27. März 2016 wurden Khalid Kalantar und seine beiden Söhne, Othman und Abdullah Kalantar, zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Ein anderer Sohn, Abdulrahman, wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ali Salim al-Boloushi, Ahmed Abdulrahman Nawab al-Boloushi und Jumaa Abdulrahman Murad al-Boloushi waren unter den sieben Männern, die freigesprochen wurden.

Einer der verurteilten Männer gehört der Gemeinschaft der staatenlosen Bidun in den Vereinigten Arabischen Emiraten an und hat einen Pass von den Komoren. Ein Abkommen zwischen den VAE und der Regierung der Komoren ermöglicht es, dass staatenlose Bidun, denen die Staatsbürgerschaft der VAE nicht gewährt wird, die Staatsbürgerschaft der Komoren erhalten. Zwei der Männer mit ausländischer Staatsangehörigkeit wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteil, die anderen beiden zu jeweils zehn Jahren Haft. Nach Verbüßen ihrer Haftstrafen werden alle vier abgeschoben.

Das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention), das 1997 von den von den Vereinigten Arabischen Emiraten ratifiziert wurde, ist ein rechtlich bindender Vertrag. Darin wird jede Person unter 18 Jahren als Kind definiert. In den Gesetzen der Vereinigten Arabischen Emirate bleibt jedoch unklar, ab wieviel Jahren eine Person kein Kind mehr ist. Das Jugendrecht von 1976 definiert ein Kind als eine Person unter 15 Jahren, wohingegen in Paragraf 63 des Strafgesetzbuches steht, dass für jede Person über sieben und unter 18 Jahren besondere rechtliche Bestimmungen für Jugendliche gelten.

Seit 2011 haben Angehörige der Staatssicherheit in den Vereinigten Arabischen Emiraten Hunderte Menschen festgenommen, darunter auch ausländische Staatsangehörige. Viele der Festgenommenen "verschwinden" in geheimen Hafteinrichtungen, in denen sie ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten werden. Einige ehemalige Opfer des Verschwindenlassens haben angegeben, gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein. Zudem gaben sie an, während ihrer Verhöre, bei denen keine Rechtsbeistände anwesend waren, zur Abgabe von "Geständnissen" gezwungen worden zu sein. Die Staatssicherheitskammer des Obersten Bundesgerichts lässt solche "Geständnisse" entgegen internationaler Menschenrechtsnormen häufig als Beweismittel vor Gericht zu und nutzt sie selbst dann als Grundlage für Verurteilungen, wenn die Angeklagten sie widerrufen haben.

Verfahren vor der Staatssicherheitskammer des Obersten Bundesgerichts entsprechen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Die Vorsitzenden Richter, die von der Regierung ins Amt berufen werden, sind weder unabhängig noch unparteiisch. Die Fälle, die vor der Kammer verhandelt werden, beziehen sich meist auf weit gefasste und vage formulierte Bestimmungen aus dem Strafgesetzbuch bezüglich der Staatssicherheit oder auf Antiterrorgesetze und Gesetze gegen Internetkriminalität. Besonderer Grund zur Sorge bietet zudem die Tatsache, dass es nicht möglich ist, gegen die dort gesprochenen Urteile vor höherinstanzlichen Gerichten vorzugehen und zu Unrecht Verurteilte dementsprechend keine Möglichkeit haben, Rechtsmittel einzulegen. Dies stellt einen Verstoß gegen internationale Menschenrechtsnormen dar.

Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate hat Amnesty International gegenüber erklärt, dass die Unabhängigkeit der Justiz in der Verfassung verankert sei. Dennoch erklärte die UN-Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten 2014, dass das gesamte Justizsystem der Vereinigten Arabischen Emirate "faktisch unter der Kontrolle der Regierung" stehe. Sie bezeichnete dies als eine "wichtige Herausforderung für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichtswesens".