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Flüchtlinge willkürlich inhaftiert
Flüchtlinge versuchen im September 2015 die griechische Insel Lesbos zu erreichen
© AFP/Getty Image
Zwölf syrische Flüchtlinge, darunter vier Kinder, werden seit dem 27. April willkürlich im türkischen Flüchtlingslager Düziçi festgehalten. Sie waren unter den ersten Syrer_innen, die seit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der EU und der Türkei auf freiwilliger Basis aus Griechenland in die Türkei rückgeführt wurden. Einige leiden unter Erkrankungen, die nicht angemessen behandelt werden.
Appell an
GENERALDIREKTION FÜR MIGRATIONSSTEUERUNG
Mr. Atilla Toros, Director General
Lalegül Çamlıca Mahallesi 122. Sokak
No: 2/3 06370 Ankara
TÜRKEI
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
Fax: (00 90) 312 422 09 00 oder
(00 90) 312 422 09 99
E-Mail: gocidaresi@goc.gov.tr
Sende eine Kopie an
VORSITZENDER DER MENSCHENRECHTSINSTITUTION
Dr. Hikmet Tülen
İnsan, Hakları Başkanı, Türkiye İnsan Hakları Kurumu, Yüksel Caddesi No: 23
Kat 3, Yenişehir, 06650 Ankara, TÜRKEI
Fax: (00 90) 312 422 29 96
E-Mail: tihk@tihk.gov.tr
BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herrn Hüseyin Avni Karslioğlu
Tiergartenstr. 19-21, 10785 Berlin
Fax: 030-275 90 915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Türkisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. Juni 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
E-MAILS, FAXE, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
-
Bitte lassen Sie die zwölf syrischen Flüchtlinge umgehend frei und gewähren Sie ihnen vorübergehenden Schutzstatus in der Türkei in Übereinstimmung mit Paragraf 91 des Ausländer- und Asylgesetzes der Türkei.
- Stellen Sie bitte sicher, dass alle im Lager Düziçi inhaftierten Personen eine angemessene medizinische Behandlung und Zugang zu Rechtsbeiständen erhalten.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
-
Urging the Turkish authorities to release the 12 Syrian refugees immediately and grant them Temporary Protection status in Turkey, under Article 91 of the Law on Foreigners and International Protection.
- Calling on them to ensure that all those held in Düziçi camp are provided with adequate medical care and access to lawyers.
Sachlage
Zwölf syrische Flüchtlinge – sechs Männer, zwei Frauen und vier Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren – wurden am 27. April von der griechischen Insel Lesbos in die Türkei gebracht. Sie waren unter den ersten Syrer_innen, die seit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der EU und der Türkei auf freiwilliger Basis aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt wurden. Türkische Beamt_innen auf Lesbos sagten ihnen, dass sie von der Türkei rückübernommen und innerhalb von zwei bis drei Tagen Ausweisdokumente erhalten würden. Diejenigen mit Familienangehörigen in der Türkei würden zudem mit diesen zusammengeführt werden. Bei ihrer Ankunft in der Türkei wurden die Flüchtlinge jedoch in das Flüchtlingslager Düziçi in der Provinz Osmaniye im Südosten der Türkei gebracht, wo sie seitdem festgehalten werden.
Amnesty International hat mit vier der acht Erwachsenen gesprochen, die laut eigener Aussage dreimal von Mitarbeiter_innen des Flüchtlingslagers befragt wurden. Ihnen wurde gesagt, dass sie mindestens drei Monate in dem Lager verbringen würden, bis die Behörden in Ankara eine Entscheidung in ihren Fällen träfen. Als sie fragten, ob sie das Lager eher verlassen könnten, sagte man ihnen, dass sie innerhalb weniger Tage an die Grenze gebracht werden könnten, wenn sie sich schriftlich zur freiwilligen Rückkehr nach Syrien bereiterklärten.
Die Inhaftierung dieser Gruppe von Flüchtlingen ist willkürlich und daher rechtswidrig. Die Flüchtlinge gaben gegenüber Amnesty International an, dass ihnen weder die Gründe noch die Länge ihrer Inhaftierung erläutert wurden. Auch über Möglichkeiten, gegen ihre Inhaftierung rechtlich vorzugehen, wurden sie nicht aufgeklärt. Berichten zufolge wurde dem Rechtsbeistand eines Flüchtlings der Zugang zu seinem Mandanten verwehrt.
Einige Mitglieder der Gruppe leiden unter Erkrankungen, die nicht angemessen behandelt werden. Der 45-jährige Abu Ali (Name geändert) leidet an Diabetes und einem Herzleiden. Er gab an, dass er seit dem 8. Mai keine Medikamente für seinen Diabetes mehr habe und dass er seinen Bedarf an Tabletten für sein Herzleiden nur noch etwa eine Woche lang decken könne. Am 12. Mai fühlte er sich schlecht und bat darum, in ein Krankenhaus gebracht zu werden, doch dies wurde ihm verwehrt. Der 33-jährige Abu Ahmad (Name geändert) litt fünf Tage lang an starken Zahnschmerzen. Seine wiederholten Anträge auf Einweisung in ein Krankenhaus wurden ignoriert, bis er am 13. Mai ins Krankenhaus gebracht wurde und sein Zahn ohne Untersuchung gezogen wurde.
Auf eine Anfrage vom 16. Mai hin sicherten die Behörden zu, die Flüchtlinge "nächste Woche" freizulassen und ihnen in Übereinstimmung mit dem türkischen Ausländer- und Asylgesetz vorübergehenden Schutzstatus zu gewähren.
Hintergrundinformation
Amnesty International hat mit vier der syrischen Flüchtlinge aus der Gruppe gesprochen. Sie waren 2016 zu verschiedenen Zeitpunkten auf der griechischen Insel Lesbos angekommen und hatten in Griechenland keinen Asylantrag gestellt, sondern sich stattdessen für eine freiwillige Rückführung in die Türkei entschieden. Türkische Beamt_innen auf Lesbos sagten ihnen, dass sie von der Türkei rückübernommen und innerhalb von zwei bis drei Tagen Ausweisdokumente erhalten würden. Diejenigen mit Familienangehörigen in der Türkei würden zudem mit diesen zusammengeführt werden. Am 27. April wurde die Gruppe nach Adana im Südosten der Türkei geflogen und noch am selben Tag mit dem Bus in das Flüchtlingslager Düziçi gebracht.
Amnesty International hat bereits zuvor dokumentiert, dass Flüchtlingen im Lager Düziçi der Zugang zu ihren Rechtsbeiständen verweigert wurde. Die türkischen Behörden betrachten das Lager nicht als Hafteinrichtung, sondern als Unterbringungszentrum. Im Rahmen von Recherchen, veröffentlicht in dem englischsprachigen Bericht Europe’s Gatekeeper – Unlawful detention and deportation of refugees from Turkey (https://www.amnesty.org/en/documents/eur44/3022/2015/en/), gaben türkische Behörden gegenüber Amnesty International an, dass diejenigen, die damals dort "untergebracht" waren, "Obdachlose oder Bettler_innen" waren. Die Beamt_innen bestätigten, dass Flüchtlinge und Asylsuchende aufgrund einer behördlichen Entscheidung und nicht aus freiem Willen in das Lager verbracht wurden und es nicht verlassen durften. Es stellt damit de facto eine Hafteinrichtung dar. Die Behörden sagten Amnesty International, im Lager Inhaftierte würden entlassen werden, wenn sie zeigen könnten, dass sie eine Unterkunft haben und für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, oder wenn sie in eine freiwillige Rückkehr nach Syrien einwilligen.
Verbot willkürlicher Inhaftierung
Willkürliche Inhaftierungen sind gemäß Völkerrecht verboten. Dieses Verbot ist in Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) festgeschrieben, zu dessen Vertragsstaaten die Türkei gehört. Der Begriff "willkürlich" umfasst hierbei Aspekte wie Unangemessenheit, Ungerechtigkeit, fehlende Vorhersehbarkeit und fehlendes ordentliches Verfahren sowie Zumutbarkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus berechtigt das Prinzip habeas corpus, wie es beispielsweise in Artikel 9 (4) des IPbpR enthalten ist, jeden, dem die Freiheit entzogen wird, ein Verfahren vor einem Gericht zu beantragen. Das Gericht muss unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheiden und kann eine Freilassung anordnen, falls die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist. Um nicht willkürlich zu sein, muss eine Inhaftierung durch das Gesetz vorgeschrieben, im jeweiligen Fall notwendig und in Bezug auf den legitimen Zweck verhältnismäßig sein.
Recht auf Asyl
Das Recht, Asyl vor Verfolgung zu suchen und zu genießen, ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 festgelegt und wird durch das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) von 1951, das von der Türkei ratifiziert wurde, geschützt. Amnesty International betrachtet Syrien als ein Land, in dem Personen nach der Rückkehr schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen oder -verstöße drohen.
Syrer_innen, die sich in der Türkei befinden, sind Gegenstand der im Oktober 2014 verabschiedeten Verordnung zum vorübergehenden Schutzstatus (Temporary Protection Regulation – TPR). Darin ist in Artikel 5 festgeschrieben, dass Syrer_innen nicht wegen der Einreise ohne Erlaubnis in die Türkei oder des dortigen Aufenthalts ohne Erlaubnis bestraft werden dürfen. Weitere Richtlinien des im April 2014 verabschiedeten Ausländer- und Asylgesetzes der Türkei schreiben vor, dass die Verwaltungshaft nur während der Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz zugelassen ist (Paragraf 68) oder bei einer geplanten Abschiebung (Paragraf 57). Keiner dieser Paragrafen darf jedoch bei syrischen Flüchtlingen angewandt werden, da diese unter dem türkischen Recht keine Antragsteller_innen für "internationalen Schutz" sind und nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen, weil ihnen dort schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen (TPR Artikel 6). Die Abschiebung von Flüchtlingen nach Syrien stellt einen Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen der Türkei dar, unter anderem gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement), der es verbietet, Personen in irgendeiner Weise in Gebiete zurückzuweisen, in denen ihnen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen.
Das EU-Türkei-Abkommen
Amnesty International kritisiert das Abkommen zwischen der EU und der Türkei, da es den Weg für die sofortige Rückführung aller Personen in die Türkei freimacht, die ohne Erlaubnis auf die griechischen Inseln einreisen. Dies basiert auf der Einschätzung der Türkei als "sicheren Drittstaat". Amnesty International hat schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtlinge in der Türkei dokumentiert und ist der Ansicht, dass die Türkei derzeit nicht als sicherer Ort für Flüchtlinge gelten kann. Das Abkommen untergräbt das Recht auf Asyl und das internationale Schutzsystem, indem die Verantwortung von der EU auf einen Drittstaat, die Türkei, die bereits drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat, geschoben wird.