Paraguay: Gesetzentwurf gefährdet Vereinigungsfreiheit

Zeichnung von zwei winkenden Figuren. Eine Person hält ein Schild hoch.

Die Abgeordnetenkammer in Paraguay entscheidet über eine Gesetzesvorlage, die die Menschenrechtsarbeit im Land massiv gefährden würde. Das vorgeschlagene Gesetz enthält weit gefasste und unklare Formulierungen. Es könnte zur Kontrolle von zivilgesellschaftlichen Organisationen herangezogen werden. Mit Hilfe des Gesetzes wären willkürliche Einschränkungen bis hin zu einer Auflösung möglich. Der Präsident der Abgeordnetenkammer und die Vorsitzenden der zuständigen Kommissionen müssen diesen Gesetzentwurf sofort stoppen, um das Recht auf Vereinigungsfreiheit zu wahren und zu schützen und die Menschenrechte im Land zu verteidigen.

Appell an

Sr. Raúl Latorre, Sr. Roberto González Segovia, 
Sr. Jorge Ramón Ávalos Mariño
c/o Botschaft der Republik Paraguay
Hardenbergstraße 12
10623 Berlin 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Paraguay
Herr Eduardo Jose von Glasenapp Candia, Geschäftsträger a.i.
Fax: 030-31 99 86 17
E-Mail: embapar@embapar.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, diesen Gesetzentwurf unverzüglich zurückzuziehen und ein Umfeld zu schaffen, das es allen Paraguayer*innen ermöglicht, ihre Menschenrechte wahrzunehmen.

Sachlage

Der derzeit in der Abgeordnetenkammer geprüfte Gesetzentwurf "zur Einführung von Kontrolle, Transparenz und Rechenschaftspflicht für gemeinnützige Organisationen" gibt Anlass zu großer Sorge. Nach all den Fortschritten in Paraguay bezüglich der Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen und von sozialen Bewegungen ist das vorgeschlagene Gesetz ein gravierender Rückschritt.

Nach den internationalen Menschenrechtsverträgen, denen Paraguay beigetreten ist, sind alle staatlichen Stellen gesetzlich verpflichtet, das Recht auf Vereinigungsfreiheit, das auch in der paraguayischen Verfassung verankert ist, zu wahren und zu gewährleisten. Die Garantie dieses Rechts umfasst unter anderem die Möglichkeit, Vereinigungen zu gründen, die satzungsgemäßen Tätigkeiten einer Organisation auszuüben, menschliche, materielle und finanzielle Ressourcen zu suchen, zu erhalten und zu nutzen. Der Staat muss ein günstiges Umfeld für die freie und wirksame Ausübung dieses Rechts schaffen. 

Der momentan diskutierte Gesetzentwurf enthält unklare Bestimmungen, die zu willkürlichen Einschränkungen der Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen führen könnten. Die ungerechtfertigte Verschärfung der Kontrolle ihrer Tätigkeit und die Verhängung von Sanktionen, einschließlich der dauerhaften Einstellung ihrer Aktivitäten, ohne ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren, stünden völlig im Widerspruch zu der Verpflichtung, das Recht auf die Verteidigung der Menschenrechte zu achten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ohne Anhörung oder öffentliche Konsultation hat der paraguayische Senat am 8. Juli 2024 den Gesetzentwurf "zur Einführung von Kontrolle, Transparenz und Rechenschaftspflicht für gemeinnützige Organisationen" verabschiedet. Der Text wird nun von der Abgeordnetenkammer geprüft. Anschließend wird es an den Präsidenten der Republik weitergeleitet, der das Gesetz verabschieden oder sein Veto einlegen kann. Im Falle einer Verabschiedung würde Paraguay sehr restriktive Bedingungen für zivilgesellschaftliche Organisationen einführen. 

Der vom Senat verabschiedete Gesetzesvorschlag steht in vielerlei Hinsicht im Widerspruch zu den internationalen Menschenrechtsverträgen, deren Vertragsstaat Paraguay ist; so zum Beispiel zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte oder zur Amerikanischen Menschenrechtskonvention. Diese Abkommen garantieren das Recht auf Vereinigungsfreiheit, freie Meinungsäußerung, Privatsphäre und Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten.

Einer der Hauptkritikpunkte an dem vom Senat angenommenen Text ist der Mangel an Präzision und Klarheit hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Umsetzung. Er behandelt verschiedene Organisationen völlig unterschiedslos, unabhängig davon, ob sie öffentliche oder private Mittel erhalten. Alle sind den gleichen Registrierungs- und staatlichen Kontrollanforderungen unterworfen. Darüber hinaus gibt es keine Begründung für die Notwendigkeit der Einführung neuer Beschränkungen. Mit dem Gesetzentwurf wird der bestehende umfassende nationale Rechtsrahmen ignoriert, der es dem paraguayischen Staat bereits jetzt ermöglicht, die für die Tätigkeit gemeinnütziger Organisationen erforderliche Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten.

Der breite Geltungsbereich und die Unbestimmtheit der im Gesetzentwurf enthaltenen Bestimmungen – einschließlich detaillierter Berichtspflichten über die Verwendung der erhaltenen Mittel – bedrohen die Unabhängigkeit, die für zivilgesellschaftliche Organisationen unabdingbar ist. Damit sind die Privatsphäre sowie die Sicherheit sowohl ihrer Mitglieder als auch derjenigen gefährdet, deren Rechte sie zu verteidigen suchen. 

Schließlich sieht der Gesetzentwurf nicht nur für juristische Personen, sondern auch für natürliche Personen, die mit der Leitung und Verwaltung der Organisationen betraut sind, Sanktionen für die Nichteinhaltung der Vorschriften vor. Dazu zählen sehr hohe Geldstrafen oder sogar die "endgültigen Einstellung der Tätigkeit". Dabei wird nicht präzisiert, in welchen Fällen die jeweilige Sanktion greift. Die Verhängung dieser Sanktionen ohne die notwendige Klarheit und ein ordnungsgemäßes Verfahren verstößt gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit und die Rechte auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit. Diese dürfen unter keinen Umständen unverhältnismäßigen oder so schwerwiegenden Beschränkungen unterworfen werden, dass sie in Frage gestellt werden.

Der Gesetzesentwurf stellt eine ernsthafte Bedrohung für den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft in Paraguay dar. Seine praktische Umsetzung hätte eine abschreckende Wirkung und würde die Menschen daran hindern, ihre Menschenrechte wahrzunehmen – einschließlich der Rechte auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit.