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Hausarrest wegen Menschenrechtsarbeit
Der Menschenrechtsverteidiger Serikzhan Bilash steht seit dem 10. März unter Hausarrest. Er leitet die Menschenrechtsorganisation Atajurt, die Menschenrechtsverletzungen an ethnischen Kasach_innen in China dokumentiert. Die kasachischen Behörden haben ihn gemäß Paragraf 174 des Strafgesetzbuches angeklagt und bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft. Allem Anschein nach ist dies ein Versuch, ihn für seine Menschenrechtsarbeit zu bestrafen. Serikzhan Bilash ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Appell an
Generalstaatsanwalt
Nurdauletov Gizat Daurenbekovich
Prospect Mengilik, 14
Nur-Sultan
010000 REPUBLIK KASACHSTAN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Kasachstan
S. E. Herrn Bolat Nussupov
Nordendstraße 14/17
13156 Berlin
Fax: 030-4700 7-125
E-Mail: berlin@mfa.kz
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Serikzhan Bilash bitte umgehend und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert ist.
- Sorgen Sie bitte dafür, dass er in der Haft weder gefoltert noch anderweitig misshandelt oder psychischem Druck ausgesetzt wird.
Sachlage
Der Menschenrechtsverteidiger Serikzhan Bilash wird seit dem 10. März willkürlich in Kasachstan festgehalten. Dies hängt offenbar mit seinem Engagement für die Rechte von ethnischen Kasach_innen in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang in China zusammen.
Serikzhan Bilash ist kasachischer Staatsangehöriger und zog Anfang der 2000er-Jahre von China nach Kasachstan. 2017 gründete er die Nichtregierungsorganisation Atajurt Eriktileri, die Verwandte von ethnischen Kasach_innen unterstützt, die in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang inhaftiert sind. Seine Organisation wurde jüngst von den kasachischen Behörden ins Visier genommen.
Im Februar 2019 wurde ihm eine Geldstrafe von 700 US-Dollar auferlegt, weil er im Namen einer nicht registrierten Organisation tätig gewesen sein soll. Zuvor hatte er erfolglos versucht, die Organisation registrieren zu lassen. Serikzhan Bilash berichtet, seitdem unter Überwachung zu stehen. Kurz vor seiner Festnahme war er in ein Hotel gezogen, um seine Familie zu schützen.
Der Menschenrechtsverteidiger wurde am 10. März in Almaty festgenommen und am selben Abend in die Hauptstadt Nur-Sultan gebracht, wo er per Gerichtsbeschluss zu Hausarrest im Haus eines Bekannten verurteilt wurde. Es ist unklar, mit welcher Begründung er nach Nur-Sultan gebracht wurde, da die ihm vorgeworfene Straftat in Almaty begangen wurde. Erst am Tag nach seiner Festnahme erhielt er Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl.
Die Vorwürfe gegen Serikzhan Bilash beruhen auf Paragraf 174 des Strafgesetzbuches, der das Schüren "sozialer, nationaler, ethnischer, klassenbezogener oder religiöser Zwietracht" unter Strafe stellt. Hierbei handelt es sich um einen vage formulierten Gesetzestext, der von den Behörden häufig dazu genutzt wird, um vermeintliche kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Berichten zufolge wurde Serikzhan Bilash ins Visier genommen, weil er Anfang Februar bei einem Treffen mit Angehörigen der uigurischen Gemeinschaft in Kasachstan gesagt hat: "Dschihad bedeutet heute nicht mehr, eine Waffe zu halten und nach Syrien zu gehen. Dschihad ist Information und Propaganda." Allem Anschein nach sind die Vorwürfe gegen ihn ein Versuch, ihn davon abzuhalten, Menschenrechtsverletzungen in China anzuprangern. China ist für Kasachstan ein wichtiger Handelspartner.
Hintergrundinformation
Serikzhan Bilash hat in der Vergangenheit eng mit Amnesty International zusammengearbeitet, um Menschenrechtsverletzungen in der Autonomen Region Xinjiang aufzudecken. So hat er beispielsweise zu einem Amnesty-Bericht beigetragen, der im September 2018 veröffentlicht wurde. Der Bericht mit dem Titel China: "Where Are They?" Time For Answers About Mass Detentions In The Xinjiang Uighur Autonomous Region dokumentiert Vorfälle extremer Überwachung, willkürlicher Inhaftierung und ideologischer Indoktrinierung von Uigur_innen, Kasach_innen und anderen Angehörigen vornehmlich muslimischer Gruppen in der Autonomen Region Xinjiang. Weitere Informationen finden Sie hier.
Die kasachische Regierung hängt stark von finanzieller Unterstützung und Darlehen aus China ab. Kasachstan scheut deshalb davor zurück, Menschenrechtsverletzungen an Kasach_innen in der Autonomen Region Xinjiang zu thematisieren. Dieses Thema wird jedoch immer brisanter. Im April 2018 floh eine Chinesin namens Sayragul Autybai nach Kasachstan und beantragte dort Asyl. Sie hatte über die Situation in Umerziehungslagern in China berichtet, in denen sie zuvor angestellt war. In Kasachstan wurde sie wegen rechtswidrigen Grenzübertritts festgenommen und mehrere Monate lang festgehalten, in denen sie fürchtete, nach China abgeschoben zu werden. Im August 2018 wurde sie gegen Kaution freigelassen. Ihr Asylantrag wurde im Oktober abgewiesen. Sie hat Rechtsmittel eingelegt, das Verfahren läuft derzeit noch. Im März 2019 bedankte sich China offiziell bei der kasachischen Regierung für ihre Unterstützung des "Programms zur Entradikalisierung" in der Autonomen Region Xinjiang.
Amnesty International berichtet regelmäßig über Verstöße gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit in Kasachstan. Paragraf 174 des Strafgesetzbuches ist sehr vage formuliert und wird häufig dazu genutzt, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Im Jahr 2018 wurde die Oppositionspartei Demokratische Wahl Kasachstans zu einer "extremistischen" Organisation erklärt. Zahlreiche Personen, die in den Sozialen Medien vermeintlich ihre Unterstützung für die Partei ausgedrückt haben, wurden befragt und/oder strafrechtlich verfolgt. Im November 2016 wurden Maks Bokaev und Talgat Ayan gemäß Paragraf 174 des neuen Strafgesetzbuches und wegen anderer Anklagen zu je fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Grundlage war ihre Beteiligung an der Organisation friedlicher Demonstrationen sowie Beiträge in den Sozialen Medien, in denen sie sich gegen vorgeschlagene Änderungen des Bodengesetzes aussprachen. Die Haftstrafe von Talgat Ayan wurde am 12. April 2018 zur Bewährung ausgesetzt und er wurde gegen Auflagen aus dem Gefängnis entlassen. Maks Bokaev hingegen befindet sich nach wie vor als gewaltloser politischer Gefangener in Haft und ist bei schlechter Gesundheit.