Sorge um Gesundheit

Karte von Kambodscha

Karte von Kambodscha

Kem Sokha wurde am 1. Februar 2018 die Freilassung gegen Kaution verweigert, obwohl sich sein Gesundheitszustand sehr verschlechtert hat. Er war der Vorsitzende der inzwischen aufgelösten größten kambodschanischen Oppositionspartei. Seit seiner Festnahme am 3. September 2017 wird er isoliert in Untersuchungshaft gehalten. Bei einer Verurteilung wegen der politisch motivierten Anklage des Landesverrats drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft.

Appell an

Innenminister und Vize-Premierminister

Sar Kheng

75 Norodom Blvd

Khan Chamkarmon, Phnom Penh

KAMBODSCHA

Sende eine Kopie an

Aussenminister

Prak Sokhonn

No. 3 Samdech Hun Sen Street Khan

Chamcar Mon

Phnom Penh, KAMBODSCHA


Fax: (00 855) 23 216 141

Botschaft des Königreichs Kambodscha

I. E. Frau Sopharat Touch

Benjamin-Vogelsdorff-Straße 2

13187 Berlin

Fax: 030–48 63 79 73

E-Mail: rec-Berlin@t-online.de

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie Kem Sokha aus gesundheitlichen Gründen umgehend und bedingungslos frei.
  • Beenden Sie bis zu seiner Freilassung unverzüglich die Einzelhaft von Kem Sokha, da sie grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe oder auch Folter gleichkommen kann und gestatten Sie ihm uneingeschränkten und vertraulichen Zugang zu seinen Rechtsbeiständen, Familienangehörigen und zu unabhängiger medizinischer Versorgung, um seinen immer schlechteren Gesundheitszustand zu stabilisieren.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass alle Menschen, die sich in Kambodscha politisch engagieren, friedlich ihre Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wahrnehmen können, ohne Festnahme oder Schikane befürchten zu müssen.

Sachlage

Bei der Anhörung vor dem Berufungsgericht in Phnom Penh am 1. Februar 2018 bemerkten Beobachter_innen, dass sich der Gesundheitszustand von Kem Sokha sehr verschlechtert hat. Bei dieser Anhörung ging es um die Freilassung auf Kaution. Ärzt_innen in der "Vollzugsanstalt 3" (Correctional Centre 3 – CC3) in der Provinz Tbong Khmum sollen Kem Sokha Berichten zufolge zwar mit Medikamenten versorgt haben, doch die Gefängnisleitung verweigert ihm bislang eine Behandlung durch unabhängige Ärzt_innen. Seine großen gesundheitlichen Probleme – Bluthochdruck, Diabetes und starke Schmerzen in den Schultern – führen laut Berichten dazu, dass er Schwierigkeiten hat, längere Zeit zu stehen. Kem Sokha wird im CC3 von anderen Häftlingen isoliert und darf abgesehen von seinen Rechtsbeiständen und seiner Familie keinen Besuch erhalten.

Die Rechtsbeistände begründeten den Antrag auf Freilassung gegen Kaution mit seinem sich verschlechternden Gesundheitszustand, doch das Gericht ging auch dieses Mal nicht darauf ein. Vor Betreten des Gerichtssaals wurden die Rechtsbeistände von Kem Sokha einer Leibesvisitation unterzogen und man nahm ihnen ihre Mobiltelefone ab – das ist in Kambodscha unüblich. Zudem durften sie vor Beginn der Anhörung nicht mit ihrem Mandanten sprechen. Die Rechtsbeistände hatten bereits berichtet, dass ihre Unterlagen regelmäßig geprüft werden, ehe sie Kem Sokha im Gefängnis treffen und dass sie davon ausgehen, dass ihre Gespräche auf Video aufgenommen werden.

Bereits am 15. Januar hatte die Ermittlungsrichterin des erstinstanzlichen Gerichts in Phnom Penh den Antrag auf Freilassung gegen Kaution mit der Begründung abgelehnt, dies diene "Kem Sokhas Sicherheit" und "dem weiteren reibungslosen Ermittlungsverlauf". An den vorherigen Anhörungen zur Kautionsstellung durfte Kem Sokha aufgrund von "Sicherheitsbedenken" nicht teilnehmen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 3. September um kurz nach Mitternacht wurde der Parlamentsabgeordnete Kem Sokha bei sich zuhause im Stadtteil Tuol Kork von Phnom Penh festgenommen. Kem Sokha war damals Vorsitzender der größten kambodschanischen Oppositionspartei Nationale Rettungspartei Kambodschas (Cambodia National Rescue Party – CNRP), die dann jedoch am 16. November aufgelöst wurde. Die Festnahme erfolgte durch acht Angehörige der Leibwächtertruppe von Premierminister Hun Sen und 100 Polizist_innen. Am 4. September ordnete der Untersuchungsrichter eines erstinstanzlichen Gerichts in Phnom Penh Untersuchungshaft gegen Kem Sokha in der "Vollzugsanstalt 3" in der Provinz Tbong Khmum an, während die Ermittlungen zu den Vorwürfen der "Zusammenarbeit mit einer ausländischen Macht" (Paragraf 443 des kambodschanischen Strafgesetzbuchs) durchgeführt werden. Kem Sokha befindet sich nach wie vor in dieser Hafteinrichtung. Am 11. September hob die mehrheitlich von Abgeordneten der Regierungspartei besetzte Nationalversammlung seine parlamentarische Immunität auf, was bedeutet, dass er strafrechtlich verfolgt werden kann.

Die Vorwürfe gegen Kem Sokha basieren auf der Videoaufnahme einer von ihm 2013 gehaltenen Rede in Australien, in der er angibt, von der US-Regierung Ratschläge für den Aufbau einer friedlichen basisdemokratischen Bewegung in Kambodscha erhalten zu haben.

Im Juni 2017 fanden in Kambodscha Kommunalwahlen statt, und im Juli 2018 werden Parlamentswahlen abgehalten. Vor diesem Hintergrund ergriff die Regierungspartei 2017 eine Reihe von Maßnahmen, die ganz offensichtlich den politischen Spielraum der größten Oppositionspartei CNRP einschränken sollten. So wurden beispielsweise CNRP-Mitglieder festgenommen und auf der Grundlage konstruierter Verratsvorwürfe angeklagt, was dazu führte, dass mehr als die Hälfte aller CNRP-Abgeordneten aus Furcht vor einer Festnahme aus dem Land floh.

Am 6. Oktober 2017 beantragte das Innenministerium beim Obersten Gerichtshof die Auflösung der CNRP mit der Begründung, die Partei habe gegen das Parteiengesetz verstoßen, da sie mutmaßlich eine "Farbrevolution" anführe, um die derzeitige Regierung zu stürzen. Das Innenministerium gab weiter an, die CNRP habe sich wegen mutmaßlicher Unterstützung durch die USA der "Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten" schuldig gemacht und habe sich zudem mit der Zivilgesellschaft gegen die Regierung verschworen. Am 16. November wurde die CNRP nach einer dreistündigen Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof aufgelöst. Die Anhörung wurde von den Rechtsbeiständen der CNRP boykottiert.

Berichten zufolge verfügt der Vorsitzende Richter über enge Verbindungen zu Premierminister Hun Sen und gehört einigen hochrangigen Ausschüssen der Regierungspartei an. Rechtsbeistände für das Innenministerium argumentierten, die CNRP sei in ein von den USA finanziertes Komplott verwickelt, um die Regierung im Vorfeld der Parlamentswahlen zu stürzen. Sie legten allerdings keinerlei Beweise für ihre Anschuldigungen vor. Zudem warfen sie einigen bekannten zivilgesellschaftlichen Sprecher_innen vor, "Komplizen" der CNRP zu sein.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN – Fortsetzung auf Englisch

With the CNRP dissolved and 118 CNRP officials banned from political activities for five years, its leader in arbitrary detention, and a large – but unconfirmed – number of opposition members in self-imposed exile, the crackdown on the human rights to liberty, fair trials and freedom of association, assembly, expression of members of the main opposition party ahead of July’s elections has found new and deeply worrisome peaks.

This relentless onslaught on the human rights of CNRP members comes in the context of a much wider attack on independent voices in the country, in particular civil society and independent media, leading to the silencing of more than 30 radio broadcast frequencies, the shutting down of independent press agencies, the suspension and closure of several independent human rights NGOs, the continued arbitrary detention of activists, and increased threats and intimidation of critical voices in the country.

After being questioned on 24 November and 14 December by the investigating judge, alongside two Deputy Prosecutors on the latter date, Kem Sokha announced that he would refuse to answer any further questions for the judicial investigation inside his prison cell and requested to be transferred to a prison facility closer to Phnom Penh. This request has so far been denied.