NGO-Direktor in Verwaltungshaft

Übergang vom Ofer-Gefängnis zum Militärgericht Ofer
© Amnesty International / Jacob Burns
Ubai Aboudi ist ein NGO-Mitarbeiter und Bildungsaktivist. Seit dem 13. November 2019 befindet er sich ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Gefängnis Ofer nahe der Stadt Ramallah im Westjordanland.
Appell an
Major-General Nadav Padan
GOC Central Command
Military Post 01149, Battalion 877
Israel Defence Forces
ISRAEL
Sende eine Kopie an
Botschaft des Staates Israel
S. E. Herrn Jeremy Nissim Issacharoff
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030 – 8904-5555
E-Mail: botschaft@israel.de
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie Ubai Aboudi und alle anderen Verwaltungshäftlinge frei, sofern sie nicht umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und gemäß den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt werden.
- Bitte ergreifen Sie umgehend Maßnahmen, um die Praxis der Verwaltungshaft zu beenden.
Sachlage
Am 13. November 2019 gegen 3 Uhr nachts wurde Ubai Aboudi vor den Augen seiner Familie von mindestens zehn israelischen Soldat_innen in seinem Haus in Kufr Aqab festgenommen. Ubai Aboudi soll im Januar 2020 am dritten internationalen Treffen für Wissenschaft in Palästina (Third International Meeting for Science in Palestine) in den USA teilnehmen.
Am 18. November erging ein viermonatiger Verwaltungshaftbefehl, der vom Kommandanten der israelischen Streitkräfte im Westjordanland, Nadav Padan, unterzeichnet war. Am 28. November soll dieser Haftbefehl vom Militärgericht in Ofer bestätigt werden. Ubai Aboudi ist Leiter der bekannten palästinensischen Nichtregierungsorganisation Bisan Center of Research and Development (Zentrum für Forschung und Entwicklung). Verwaltungshaftanordnungen können immer wieder verlängert werden, und Beweise werden den Inhaftierten vorenthalten, so dass sie nicht effektiv gegen ihre Inhaftierung vorgehen können und nicht wissen, wann sie freigelassen werden.
Möglicherweise widerspricht Israels systematische Anwendung der Verwaltungshaft gegen Palästinenser_innen dem Völkerrecht. Durch den Gebrauch der Verwaltungshaft kommt es zu willkürlicher Inhaftierung und zu grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung.
Hintergrundinformation
Ubai Aboudi ist 35 Jahre alt und dreifacher Vater. Als Leiter des Bisan Center of Research and Development, arbeitet er zu nachhaltiger Entwicklung und Bildung in Palästina. Ubai Aboudi unterstützt zudem die Organisation Scientists for Palestine, die sich für die Förderung der Wissenschaft und für die Integration der besetzten palästinensischen Gebiete in die internationale Wissenschaftsgesellschaft einsetzt. Ubai Aboudi soll im Januar 2020 am dritten internationalen Treffen für Wissenschaft in Palästina (Third International Meeting for Science in Palestine) teilnehmen. Das Treffen findet am Massachusetts Institute of Technology (MiT) in den USA statt.
Während der Festnahme trennten israelische Soldat_innen Ubai Aboudi und seine Frau und konfiszierten sein Telefon und seinen US-amerikanischen Pass. Die Soldat_innen führten Ubai Aboudi ab, ohne seiner Frau mitzuteilen, wohin sie in brachten. Sie erfuhr am Tag darauf, dass Ubai Aboudi im Gefängnis Ofer festgehalten wird. Das Gefängnis liegt nahe der Stadt Ramallah in den besetzten palästinensischen Gebieten. Am 18. November wurde gegen Ubai Aboudi ein viermonatiger Verwaltungshaftbefehl erlassen, der vom Kommandanten der israelischen Streitkräfte im Westjordanland, Nadav Padan, unterzeichnet war. Am 28. November soll das Militärgericht in Ofer den Haftbefehl bestätigen. Im Falle einer Bestätigung durch das Gericht würde seine Haft am 12. März 2020 enden. Die Verwaltungshaft kann allerdings beliebig oft verlängert werden.
Ubai Aboudi wurde bereits in den Jahren 2005 und 2010 festgenommen. Er verbrachte über vier Jahre in israelischen Gefängnissen. Eine seiner Anklagen lautete auf Mitgliedschaft in der Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP), einer in Israel verbotenen Partei der politischen Linken mit einem bewaffneten Flügel.
Amnesty International hat über viele Jahre Beweise dafür gesammelt, dass die Verwaltungshaft von israelischen Behörden dazu genutzt wird, Menschen willkürlich zu inhaftieren, um sie für ihre Meinungen und ihre vermeintliche politische Zugehörigkeit zu bestrafen oder um Verdächtige festzuhalten, die aufgrund fehlender zulässiger Beweise nicht strafrechtlich verfolgt werden können. Die Verwaltungshaft wurde ursprünglich als Notfallmaßnahme zur Inhaftierung von Personen eingeführt, die eine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit darstellen.
Über viele Jahre hat Amnesty International Beweise dafür gesammelt, dass die Verwaltungshaft in Israel regelmäßig als politische Inhaftierung benutzt wird. So werden Behörden dazu befähigt, politische und gewaltlose politische Gefangene zu inhaftieren und sie für ihre Meinungen und für ihre vermeintliche politische Zugehörigkeit zu bestrafen, obwohl sie keine Straftaten begangen haben. Im Oktober 2019 befanden sich nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation Addameer 460 Personen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in israelischer Verwaltungshaft. Unter den Personen befanden sich auch zwei Kinder und fünf Mitglieder des Palästinensischen Legislativrats.