Israel/OPT: Sorge um inhaftierte palästinensische Journalisten

Die Collage besteht aus zwei Fotos. Das linke Foto zeigt einen Jungen Mann, der vor einem Zaun steht und den rechten Daumen hebt. Das rechte Foto zeigt einen jungen Mann, der auf einem Stein sitzt und die Kamera in seinen Händen begutachtet.

Die palästinensischen Journalisten Nidal al-Waheidi (links) und Haitham Abdelwahed

Die Journalisten Nidal al-Waheidi und Haitham Abdelwahed aus dem besetzten Gazastreifen wurden am 7. Oktober von israelischen Streitkräften festgenommen, als sie über den Angriff der Hamas berichteten. Sie werden unter Bedingungen festgehalten, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Die israelischen Behörden haben bisher weder Informationen über ihren Aufenthaltsort noch über die rechtlichen Gründe für ihre Festnahme herausgegeben. Die beiden Männer könnten in Lebensgefahr sein.

Appell an

Militärgeneralanwältin
Brig. Gen. Yifat Tomer-Yerushalmi
c/o Botschaft des Staates Israel
Auguste-Viktoria-Straße 74–76
14193 Berlin
 

Sende eine Kopie an

Botschaft des Staates Israel
S.E. Herrn Ron Prosor
Auguste-Viktoria-Straße 74–76
14193 Berlin
Fax: 030-8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de

Amnesty fordert:

Sachlage

Der Verbleib von Haitham Abdelwahed und Nidal al-Waheidi ist seit dem 7. Oktober 2023 unbekannt, als sie dem Verschwindenlassen durch die israelischen Streitkräfte zum Opfer fielen. Die beiden Journalisten aus dem besetzten Gazastreifen wurden festgenommen, als sie am Grenzübergang Beit Hanoun/Erez über den Angriff der Hamas berichteten. Am 22. Oktober und 2. November reichten sechs in Israel ansässige Menschenrechtsorganisationen zwei Eilanträge beim Obersten Gerichtshof Israels ein, um die Aufklärung des Verbleibs Hunderter Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen zu fordern, die in Israel inhaftiert worden waren, darunter auch Haitham Abdelwahed und Nidal al-Waheidi. Zudem forderten sie die Bekanntgabe der Rechtsgrundlage für die Inhaftierungen sowie die Freilassung aller rechtswidrig Inhaftierten. Zweieinhalb Monate nach ihrem Verschwinden haben die Familien, Kolleg*innen und Freund*innen der beiden Journalisten, von denen die meisten im belagerten Gazastreifen unter israelischem Bombardement und häufigen Kommunikationsausfällen leben, von den israelischen Behörden noch keine Informationen über das Schicksal der Männer erhalten und wissen nicht einmal, ob sie noch am Leben sind. 

Die Furcht um das Leben der Journalisten verstärkte sich noch, als die israelische Armee im November angab, dass zwei Personen aus dem Gazastreifen im Gewahrsam des Militärs gestorben seien. Am 18. Dezember erklärten Vertreter*innen des israelischen Militärs gegenüber der israelischen Tageszeitung Haaretz, dass "einige" Inhaftierte aus dem Gazastreifen in der militärischen Hafteinrichtung auf dem Sde Teiman-Flugplatz nahe der Stadt Be’er Scheva gestorben seien. Dort werden Hunderte Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen unter Bedingungen festgehalten, die gegen das Verbot von Folter und anderer Misshandlung verstoßen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Haitham Abdelwahed arbeitet als Journalist für den unabhängigen Medienkanal Ain Media und sein Kollege Nidal al-Waheidi ist für die Produktionsfirma Al-Nadschah tätig. Die Palästinenser aus dem Gazastreifen wurden am 7. Oktober von israelischen Streitkräften festgenommen, als sie nahe dem Grenzübergang Beit Hanoun/Erez über den Angriff der Hamas berichteten. Zwei weitere Journalisten von Ain Media, Ibrahim Lafi und Roshdi Sarraj, sind seit dem 7. Oktober bei israelischen Angriffen getötet worden.

Die israelische Menschenrechtsorganisation HaMoked hat wiederholt versucht, Informationen über den Verbleib und die Rechtsgrundlage der Inhaftierung von Haitham Abdelwahed und Nidal al-Waheidi zu erhalten. Zu diesem Zweck reichte sie mehrere Anträge bei den israelischen Behörden und zwei Eilanträge beim Obersten Gerichtshof ein. Die israelischen Behörden haben bisher auf keine der Anfragen geantwortet. Der Oberste Gerichtshof beantwortete eine der Eingaben mit dem Hinweis, dass "Israel keine Verpflichtung gegenüber den Bewohner*innen des Gazastreifens hat, da es sich um ein Gebiet handelt, das von einer terroristischen Organisation kontrolliert wird und nicht festlegt, welchen rechtlichen Rahmen und welche Pflichten Israel einzuhalten hat, wenn es Bewohner*innen des Gazastreifens festhält". Das Schicksal von Haitham Abdelwahed und Nidal al-Waheidi ist kein Einzelfall. HaMoked plant, einen weiteren Antrag an die israelischen Behörden zu stellen, um Informationen über das Schicksal inhaftierter Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen zu erhalten. Vom 7. Oktober bis zum 11. Dezember erhielt HaMoked 816 Anfragen zu vermissten Palästinenser*innen, aus deren Ausweisnummern und Adressen hervorgeht, dass sie in Gaza geboren wurden. Es wird davon ausgegangen, dass die tatsächliche Zahl der Vermissten um einiges höher ist, da viele Familien aufgrund von Kommunikationsausfällen und der Sorge vor Konsequenzen nicht in der Lage sind, ihre vermissten Angehörigen zu melden.

Ehemalige Inhaftierte und die Rechtsbeistände von Gefangenen berichten über Fälle von Folter und erniedrigender Behandlung von Palästinenser*innen, die in Gefängnissen oder militärischen Hafteinrichtungen festgehalten werden. Seit dem 7. Oktober haben die israelischen Behörden bestätigt, dass sechs palästinensische Häftlinge in israelischem Gewahrsam gestorben sind, wobei die Autopsie an mindestens einer Person deutliche Spuren von Schlägen und Folter aufzeigte. Zwei der gestorbenen Häftlinge stammten aus dem besetzten Gazastreifen, und ihre Familien erfuhren erst von anderen freigelassenen Gefangenen von ihrem Tod. Die Leichen aller sechs Personen werden von den israelischen Behörden weiterhin zurückgehalten. Im Internet zirkulieren Bilder und Videos über die Folter, Demütigung und erniedrigende Behandlung von Palästinenser*innen durch israelische Streitkräfte. Darin ist zu sehen, wie Palästinenser*innen mit verbundenen Augen, bis auf die Unterwäsche entkleidet und mit hinter dem Rücken gefesselten Händen geschlagen und erniedrigt werden. 

Am 7. Dezember waren im Internet Bild- und Videoaufnahmen eines weiteren Falls von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung palästinensischer Inhaftierter zu sehen. Hunderte Palästinenser*innen wurden in der Stadt Beit Lahia im nördlichen Gazastreifen bis auf die Unterwäsche ausgezogen und mit verbundenen Augen und auf dem Rücken gefesselten Händen festgehalten. Unter den Festgenommenen befanden sich Journalist*innen, Schuldirektor*innen und Ladenbesitzer*innen. Sie wurden in militärische Hafteinrichtungen gebracht, wo manche der Inhaftierten weiter gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Einige wurden nach 12-14 Stunden freigelassen, während andere bis heute in Gewahrsam sind, ohne dass Informationen über ihren Aufenthaltsort vorliegen. Hunderte Menschen befinden sich seit mehr als 70 Tagen an unbekannten Orten ohne Zugang zu Schutzmechanismen in Haft.

Die Rechtsgrundlage für die anhaltende Inhaftierung von Nidal al-Waheidi, Haitham Abdelwahed und Hunderten weiteren Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen bleibt unklar. Seit dem 7. Oktober haben die israelischen Behörden wieder damit begonnen, das Gesetz gegen "rechtswidrige Kämpfer*innen" anzuwenden – eine Einstufung, die völkerrechtlich nicht anerkannt ist. Mit Stand vom 1. Dezember 2023 werden demgemäß mindestens 260 Palästinenser*innen aus dem besetzten Gazastreifen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit festgehalten. Nach diesem Gesetz und den zugehörigen Notstandsverordnungen hat ein Häftling das Recht, sich innerhalb von 28 Tagen mit einem Rechtsbeistand zu treffen; dies kann jedoch gerichtlich auf bis zu 80 Tage ausgeweitet werden. Auch die Inhaftierung ohne Anwesenheit eines Rechtsbeistands kann gerichtlich bewilligt werden. Im Fall Tausender Menschen aus dem Gazastreifen, die nach dem 7. Oktober festgenommen und Anfang November wieder freigelassen wurden, stellte sich jedoch heraus, dass sie ohne jegliche Rechtsgrundlage oder Befugnis festgehalten worden waren.