Iran: Vier Dissidenten seit mehreren Monaten verschwunden

Das Bild zeigt eine Collage mit Porträtbildern von Männern

Wurden im Iran hingerichtet: Die kurdischen Dissidenten Pejman Fatehi, Vafa Azarbar, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum (von links).

Vier Angehörige der kurdischen Minderheit im Iran sind seit sieben Monaten "verschwunden". Die iranischen Behörden halten Schicksal und Verbleib der Dissidenten seit ihrer Festnahme im Juli 2022 vor ihren Familien und ihrem Rechtsbeistand geheim. Den Männern drohen Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Verfahren wegen Anklagen, auf die die Todesstrafe steht.

Bitte beachten: Allen Personen mit persönlichen Beziehungen in den Iran raten wir, eine Teilnahme zu prüfen. Dieses Schreiben wird mit deinem Vor- und Nachnamen und Mail-Adresse an den Adressaten im Land gesandt.

Appell an

Head of Judiciary

Gholamhossein Mohseni Ejei

c/o Embassy of Iran to the European Union

Avenue Franklin Roosevelt No. 15

1050 Brüssel


BELGIEN

Dein Appell

Sehr geehrter Herr Ejei,

Pejman Fatehi, Vafa Azarbar, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum, Angehörige der kurdischen Minderheit im Iran, sind seit Juli 2022 Opfer des Verschwindenlassens durch Angehörige des Geheimdienstministeriums und der Strafverfolgungsbehörden. Sie wurden am 20. Juli 2022 von Angehörigen des Geheimdienstministeriums in Urmia in der Provinz West-Aserbaidschan festgenommen. Am 23. Juli 2022 gaben staatliche iranische Medien die Festnahme von vier nicht namentlich genannten Personen bekannt, die der "Spionage" für Israel und der Planung "terroristischer" Handlungen im Iran beschuldigt wurden. Ihre Familien gehen davon aus, dass diese Bekanntmachungen sich auf die vier Männer bezogen. Dafür sprachen der Zeitpunkt und die Art der Anschuldigungen, die offensichtlich im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zu der verbotenen kurdischen oppositionellen Gruppe Komala standen. Am 12. Oktober und 5. Dezember 2022 strahlte das iranische Staatsfernsehen ein Propagandavideo aus, in dem die vier Männer "gestanden", auf Anweisung des israelischen Geheimdienstes ein Bombenattentat auf ein Industriegebiet in der Nähe der Stadt Isfahan geplant zu haben. Mit der Ausstrahlung dieser "Geständnisse" verstießen die Behörden gegen das Recht der vier Männer auf ein faires Gerichtsverfahren, das unter anderem das Recht auf die Unschuldsvermutung, das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen und das Recht zu schweigen beinhaltet.

Ich fordere Sie auf, Schicksal und Verbleib von Pejman Fatehi, Vafa Azarbar, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum unverzüglich preiszugeben und diese freizulassen, da sie willkürlich inhaftiert wurden. Sollten sie einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt werden, müssen sie in einem Verfahren vor Gericht gestellt werden, das den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren entspricht, unter Ausschluss erzwungener "Geständnisse" und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe. Sorgen Sie bitte dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt sind und umgehend regelmäßigen Zugang zu ihren Familien, einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und angemessener medizinischer Versorgung erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republik Iran

S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh

Podbielskiallee 67

14195 Berlin


Fax: 030 84 35 3-535

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, Schicksal und Verbleib von Pejman Fatehi, Vafa Azarbar, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum unverzüglich preiszugeben und diese freizulassen, da sie willkürlich inhaftiert wurden. Sollten sie einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt werden, müssen sie in einem Verfahren vor Gericht gestellt werden, das den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren entspricht, unter Ausschluss erzwungener "Geständnisse" und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt sind und umgehend regelmäßigen Zugang zu ihren Familien, einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und angemessener medizinischer Versorgung erhalten.

Sachlage

Pejman Fatehi, Vafa Azarbar, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum, Angehörige der kurdischen Minderheit im Iran, sind seit Juli 2022 Opfer des Verschwindenlassens durch Angehörige des Geheimdienstministeriums und der Strafverfolgungsbehörden. Sie wurden am 20. Juli 2022 von Angehörigen des Geheimdienstministeriums in Urmia in der Provinz West-Aserbaidschan festgenommen. Am 23. Juli 2022 gaben staatliche iranische Medien die Festnahme von vier nicht namentlich genannten Personen bekannt, die der "Spionage" für Israel und der Planung "terroristischer" Handlungen im Iran beschuldigt wurden. Ihre Familien gehen davon aus, dass diese Bekanntmachungen sich auf die vier Männer bezogen. Dafür sprachen der Zeitpunkt und die Art der Anschuldigungen, die offensichtlich im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zu der verbotenen kurdischen oppositionellen Gruppe Komala standen. Am 12. Oktober und 5. Dezember 2022 strahlte das iranische Staatsfernsehen ein Propagandavideo aus, in dem die vier Männer "gestanden", auf Anweisung des israelischen Geheimdienstes ein Bombenattentat auf ein Industriegebiet in der Nähe der Stadt Isfahan geplant zu haben. Mit der Ausstrahlung dieser "Geständnisse" verstießen die Behörden gegen das Recht der vier Männer auf ein faires Gerichtsverfahren, das unter anderem das Recht auf die Unschuldsvermutung, das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen und das Recht zu schweigen beinhaltet.

Seit ihrem Verschwindenlassen, das ein Verbrechen nach dem Völkerrecht darstellt, haben ihre Familien und der von ihnen beauftragte unabhängige Rechtsbeistand versucht, über Nachforschungen in Haftanstalten und an Gerichten in Urmia, Mahabad, Sanandaj, Isfahan und Teheran herauszufinden, wo sich die vier Männer befinden. Die Behörden verweigerten die Herausgabe jeglicher Informationen. Zudem wurden sie von Angehörigen des Geheimdienstministeriums wiederholt davor gewarnt, weitere Ermittlungen zu den vier Männern anzustellen, da dies "sinnlos" sei und die Männer hingerichtet würden. Angesichts ihres Verschwindenlassens und der Weigerung der Behörden, irgendwelche Informationen preiszugeben, wissen weder ihre Familien noch ihr Rechtsbeistand über ihren rechtlichen Status Bescheid, auch nicht, ob sie angeklagt und/oder vor Gericht gestellt wurden. Die in den staatlichen Medien gegen sie erhobenen Anschuldigungen stellen jedoch Straftaten dar, die mit der Todesstrafe geahndet werden können. Vor dem Hintergrund des weitverbreiteten und systematischen Einsatzes von Folter und anderen Misshandlungen gegen Häftlinge, insbesondere, um in der Ermittlungsphase "Geständnisse" zu erzwingen, ist Amnesty International in Sorge um die Sicherheit der vier Männer. Zusätzlich verstärkt wird diese Sorge durch die routinemäßige Verhängung von Todesurteilen durch iranische Gerichte nach unfairen Prozessen, in denen erzwungene "Geständnisse" als Beweismittel verwendet werden, selbst wenn diese vor Gericht widerrufen werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die iranischen Behörden haben den Familien von Pejman Fatehi, Vafa Azarbar, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum bisher jede Information über ihr Schicksal und ihren Verbleib verweigert. Mehrfach leugneten Angehörige der Behörden, überhaupt etwas über die vier Männer zu wissen, und das auch noch nach der Ausstrahlung der Videos mit den erzwungenen "Geständnissen". Nachdem im Januar 2023 Videos in Umlauf kamen, in denen die Mütter von Pejman Fatehi, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum die Behörden aufforderten, ihnen Zugang zu ihren Söhnen zu gewähren, luden Angehörige des Geheimdienstministeriums Familienmitglieder zu Verhören vor und drohten ihnen mit Gefängnis, sollten sie weitere Nachforschungen über das Schicksal und den Verbleib der vier Männer anstellen. Auch ihr Rechtsbeistand versuchte mehrfach, Informationen über ihren Fall zu erhalten, indem er Briefe an das Evin-Gefängnis in Teheran sowie das Innenministerium schickte und bei Gerichten nachfragte. Die Behörden haben seine Anfragen jedoch bisher ignoriert.

Das erste Mal, dass die Familien der Männer seit ihrer Festnahme im Juli 2022 etwas über sie erfuhren, war am 12. Oktober 2022, als ihre erzwungenen "Geständnisse" in einem Propagandavideo im staatlichen Fernsehen gesendet wurden. Da waren sie schon 80 Tage lang "verschwunden". In dem Video, das von Amnesty International überprüft wurde, geben die Behörden an, dass Pejman Fatehi, Vafa Azarbar Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum in der Nähe von Isfahan festgenommen wurden. Sie hätten auf Anweisung des israelischen Geheimdienstes Mossad ein Bombenattentat auf ein "strategisch wichtiges Industriegebiet" geplant. In einem offenen Brief vom 26. November 2022 an Javaid Rehman, den UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage im Iran, beschreiben die Familien die Gesichter der Männer bei ihren erzwungenen "Geständnissen" als "schwach, müde und gequält". Darüber hinaus wehren sich die Familien auch gegen die Behauptungen der Behörden, die Männer seien an "terroristischen" Handlungen und Gewalttaten beteiligt gewesen. Am 5. Dezember wurde das Propagandavideo noch einmal im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt, wodurch die Familien der vier Männer erneut traumatisiert wurden und die Sorge um ihre Sicherheit und Unversehrtheit weiter zunahm.

Als Reaktion auf eine Erklärung des Geheimdienstministeriums, die am 23. Juli 2022 in den staatlichen iranischen Medien veröffentlicht wurde und in der von der Festnahme von vier nicht namentlich genannten Personen im Zusammenhang mit "terroristischen Aktivitäten" die Rede war, gab Komala am 27. Juli 2022 eine Erklärung ab, in der die Organisation "die falschen und unbegründeten Anschuldigungen" gegen ihre Mitglieder entschieden zurückwies und erklärte, die vier Männer seien in der Provinz West-Aserbaidschan bei der Durchführung organisatorischer und politischer Aktivitäten festgenommen worden.

Nach internationalen Menschenrechtsnormen und -standards umfasst das Recht auf freie Meinungsäußerung auch das Recht, friedlich für politische Überzeugungen einzutreten, solange diese keinen Hass schüren und nicht zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufrufen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte geschützt, der vom Iran ratifiziert wurde. Jede Person, die aufgrund einer strafrechtlichen Anklage, auch im Zusammenhang mit "Terrorismus", festgenommen oder inhaftiert wird, muss in voller Übereinstimmung mit den iranischen Menschenrechtsverpflichtungen, einschließlich des Rechts auf ein faires Verfahren, behandelt werden. Das Recht auf ein faires Verfahren beinhaltet: das Recht auf die Wahl des eigenen Rechtsbeistands; das Recht auf Zugang zu einem wirksamen Rechtsbeistand ab dem Zeitpunkt der Festnahme und während des gesamten Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens; das Recht, unverzüglich einer*einem Richter*in vorgeführt zu werden; das Recht, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor einem unabhängigen, unparteiischen Gericht anzufechten; das Recht auf die Unschuldsvermutung; das Recht, zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, sich selbst zu belasten oder sich schuldig zu bekennen; das Recht, umfassenden Zugang zu relevantem Beweismaterial zu erhalten; das Recht, nicht aufgrund vager Anschuldigungen inhaftiert zu werden; das Recht, Zeug*innen zu benennen und ins Kreuzverhör zu nehmen; das Recht auf eine faire, öffentliche Anhörung vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht; und das Recht auf ein öffentliches und rechtlich begründetes Urteil. Amnesty International hat im Iran häufige systematische Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren ab dem Zeitpunkt der Festnahme und während der gesamten Ermittlungs-, Gerichts- und Berufungsverfahren dokumentiert. Iranische Gerichte ignorieren routinemäßig Vorwürfe von Folter und anderen Misshandlungen, ohne eine Untersuchung anzuordnen, und verlassen sich auf durch Folter erlangte "Geständnisse", um Urteile und Strafen zu erlassen, auch in Fällen, in denen Angeklagten die Todesstrafe droht.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld oder anderer Eigenschaften der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Amnesty International ruft seit langem alle Länder, die an der Todesstrafe festhalten, einschließlich des Iran, auf, ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.

Ethnische Minderheiten werden im Iran systematisch diskriminiert. Ihr Zugang zu Bildung, Arbeit und politischen Ämtern wird beschnitten. Die iranischen Behörden setzen die Todesstrafe zunehmend als politisches Druckmittel gegen ethnische Minderheiten ein, insbesondere gegen Kurd*innen und Belutsch*innen. Diese werden unverhältnismäßig häufig zum Tode verurteilt und zudem heimlich hingerichtet, ohne dass die Behörden den Familien ihre Leichname zur Bestattung übergeben würden.