Arbeiter „verschwunden“

Ein Mann trägt ein rotes T-shirt und einen blauen Turban um den Kopf gewickelt.

Der pakistanische Menschenrechtsverteidiger Seengar Noonari

Martinus Beanal, ein Arbeiter aus Papua, wird seit dem 7. November vermisst. Sein "Verschwinden" steht offenbar mit der mutmaßlichen Eskalation bewaffneter Konflikte im Dorf Utikini des Bezirks Tembagapura in Mimika Regency in der Provinz Papua in Zusammenhang. Nach Angaben der Polizei ist er nicht mehr am Leben und wurde von seiner Familie bestattet. Seine Familienangehörigen widersprechen dieser Aussage jedoch. Somit ist nach wie vor nicht bekannt, wo sich Martinus Beanal befindet.

Appell an

General Pol. H.M. Tito Karnavian          

National Police Headquarters

Jl. Trunojoyo No.3, Kebayoran Baru

Jakarta Selatan 12110

INDONESIEN

Sende eine Kopie an

Vorsitzender der Nationalen Menschenrechtskommission (Komnas HAM)

Mr. Ahmad Taufan Damanik      

Jl. Latuharhary No. 4B Menteng

Jakarta Pusat 10310

INDONESIEN

Fax: (00 62) 21 39 25 227

E-Mail: pengaduan@komnasham.go.id

Botschaft der Republik Indonesien

S. E. Herrn Fauzi Bowo


Lehrter Straße 16-17

10557 Berlin

Fax: 030-4473 7142


E-Mail: info@botschaft-indonesien.de

Amnesty fordert:

  • Hiermit bitte ich Sie, das Schicksal und den Verbleib von Martinus Beanal zu klären und seine Sicherheit zu gewährleisten.
  • Bitte leiten Sie eine Untersuchung der Umstände des Verschwindens von Martinus Beanal ein und stellen Sie sicher, dass seine Familie umfassend und genau über die Ergebnisse der Ermittlungen informiert wird.

Sachlage

Martinus Beanal ist Mitarbeiter des Nahrungsmittelunternehmens Pangan Sari Utama, das den Konzern Freeport McMoran beliefert. Er war am 7. November morgens auf dem Weg nach Hause, kam aber nicht dort an. Er verließ die Niederlassung des Nahrungsmittelzulieferers im Bezirk Tembagapura um 5 Uhr und machte sich auf den Weg in sein Dorf Opitawak in Mimika Regency. Laut Angaben seiner Familie wurde er von Angehörigen der Streitkräfte angehalten, die ihn wegen der Militär- und Polizeioperationen in dem Gebiet nicht passieren ließen. Aufgrund dieser Sperrung musste Martinus Beanal einen anderen Weg zu seinem Dorf nehmen, der etwa zwei bis drei Stunden dauern sollte. Gegen 6:30 Uhr rief er seine Familie an und sagte, er mache gerade eine Pause an einem Funkturm. Außerdem teilte er seiner Familie mit, dass er nicht sicher sei, welchen Weg er nehmen solle, weil die Straße mehrere Abzweigungen habe und Abdrücke von Militärstiefeln dort zu sehen seien. Dann hörten die Verwandten mehrere Schüsse am Telefon und die Verbindung wurde unterbrochen.

Daraufhin rief die Ehefrau von Martinus Beanal einige Bewohner_innen des Dorfes Opitawak an, die sie bat, nach ihrem Mann zu suchen und ihn zurück in ihr Dorf zu bringen. Einige Dorfbewohner_innen gelangten in die Nähe des Ortes, von dem aus sich Martinus Beanal zuletzt gemeldet hatte, liefen aber gegen 7 Uhr wieder in ihr Dorf zurück, als sie Schüsse hörten. Nachdem die Dorfbewohner_innen der Ehefrau und anderen Verwandten von Martinus Beanal Bescheid gesagt hatten, entschieden sie um 8 Uhr, noch einmal in die Gegend des Funkturms zu gehen. Dort wurden sie jedoch von Soldaten gestoppt und aufgefordert, umzukehren.

Nach Angaben der Polizei und des Mlitärs kommt es im Bezirk Tembagapura, Mimika, in der Umgebung des Unternehmens Freeport McMoran seit August 2017 immer wieder zu bewaffenten Auseinandersetzungen. Die Polizei- und Militäreinheiten geben an, in der Region gegen die bewaffnete Gruppe Free Papua Movement – (OPM), die sich für die Unabhängigkeit Papuas einsetzt, zu kämpfen. Am 21. Oktober wurden ein Polizist getötet und mehrere Zivilpersonen verwundet. Menschenrechtsgruppen in Papua konnten jedoch nicht bestätigen, dass es in der Region Tembagapura bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften und der bewaffneten Unabhängigkeitsgruppe gegeben habe. Am 10. November gab ein Polizeisprecher in den Medien bekannt, dass Martinus Beanal am 9. November in einem von der bewaffneten Unabhängigkeitsgruppe besetzten Gebiet tot aufgefunden worden sei und die Familie ihn bestattet habe. Die Familie widerspricht dieser Angabe jedoch.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Verschwindenlassen ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und ein Verbrechen unter dem Völkerrecht, womit die Rechte der Betroffenen und ihnen nahe stehenden Personen verletzt werden. Die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1992 angenommene Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen führt aus, dass eine Untersuchung "fortzuführen ist, solange das Schicksal der verschwundenen Person nicht aufgeklärt ist" (Artikel 13, Abs. 6). Ebenso heißt es darin in Artikel 17, Abs. 1, dass das Verschwindenlassen als Verbrechen anzusehen ist, solange die Täter_innen das Schicksal und den Verbleib der Personen, die verschwunden sind, geheim halten und die entsprechenden Fakten nicht geklärt sind.

Das indonesische Militär weist eine lange Geschichte des Verschwindenlassens auf. Doch die indonesische Regierung hat wenig unternommen, um den Verbleib und das Schicksal derjenigen aufzuklären, die während der Herrschaft von Suharto oder der darauffolgenden Phase der politischen Reform ab 1998 – einschließlich der Konflikte in Timor-Leste (Osttimor) und der indonesischen Provinz Aceh – dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen sind bzw. seither vermisst werden. Laut Angaben in ihrem Jahresbericht hat die UN-Arbeitsgruppe über Verschwindenlassen (United Nations Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances – WGEID) Informationen über 162 ungelöste Fälle von Verschwindenlassen in Indonesien und darüber hinaus 428 ungeklärte Fälle in Timor-Leste, die überwiegend aus der Zeit der indonesischen Besatzung (1975-1999) herrühren. Von Seiten der indonesischen Regierung steht auch noch eine Antwort auf die seit 2006 ausstehende Anfrage der WGEID aus, ob sie das Land besuchen kann.

Die Familien von "Verschwundenen" und Vermissten fordern die indonesische Regierung seit Jahren auf, das Schicksal und den Verbleib ihrer Angehörigen aufzuklären. Doch bislang ist wenig dabei herausgekommen und das Leid der Angehörigen dauert an. Eine nationale Wahrheitskommission könnte eine solche Rolle übernehmen, doch der indonesischen Regierung fehlt es an politischem Willen, eine neue Kommission einzurichten, seit das Verfassungsgericht die frühere nationale Wahrheitskommission 2006 auflöste.

Nach einer Anfrage der indonesischen Menschenrechtskommission (Komnas HAM) im Jahr 2009 empfahl das indonesische Repräsentantenhaus Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen zu ratifizieren. Im September 2010 unterzeichnete die indonesische Regierung das Übereinkommen. Derzeit diskutiert der Ausschuss I des indonesischen Repräsentantenhauses einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.

Im Oktober 2014 wurden sechs Militärangehörige von einem Militärgericht in Medan in der Provinz Nordsumatra der Entführung und Misshandlung von Dedek Khairudin schuldig befunden und zu Haftstrafen zwischen 14 und 17 Monaten verurteilt. Dedek Khairudin fiel im November 2013 dem Verschwindenlassen zum Opfer, nachdem er von einem Angehörigen des Militärgeheimdienstes vom Militärstützpunkt Korem 011/LW und mindestens acht Marinesoldaten aus der Region Pangkalan Brandan in Nordsumatra festgenommen worden war. Bis zum heutigen Tag ist sein Schicksal ungeklärt.