Uigure zu 15 Jahren Haft verurteilt

Eine Hand verdeckt teilweise die Kamera. Im Hintergrund befinden sich protestierende Menschen, welche die chinesische Flagge schwenken.

Unterstützer der chinesischen Regierung stören in Den Haag eine Amnesty-Protest-Aktion gegen die Masseninhaftierung  von Uiguren in China (Oktober 2018).

Der uigurische Historiker und Verleger Iminjan Seydin wurde im Februar 2019 in einem geheimen Verfahren, das nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprach, wegen "Anstiftung zum Extremismus" zu 15 Jahren Haft verurteilt. Seine Tochter hat erst kürzlich durch Mundpropaganda von der Verurteilung ihres Vaters erfahren, der seit Mai 2017 "verschwunden" war. Es sind bisher keine Beweise gegen ihn veröffentlicht worden.

Appell an

Präsident

Xi Jinping

Zhongnanhai, Xichangan’jie

Xichengqu, Beijing Shi 100017


CHINA


 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin


Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: chinaemb_de@mfa.gov.cn
oder
presse.botschaftchina@gmail.com

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Iminjan Seydin bitte umgehend und bedingungslos frei, es sei denn, es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass er eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat, und er erhält ein Verfahren, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.

Sachlage

Der uigurische Historiker und Verleger Iminjan Seydin wurde im Februar 2019 in einem geheimen Prozess, der bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprach, der "Anstiftung zum Extremismus" für schuldig befunden. Man verurteilte ihn zu 15 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 500.000 Yuan (knapp 66.000 Euro). Zudem wurden ihm für fünf Jahre alle politischen Rechte entzogen.

Seine Tochter Samira Imin erfuhr erst im November 2019 von dem Gerichtsverfahren, als sie mit einem Freund in Peking sprach und mit einem Volksgericht in Ürümqi telefonierte. Zwar sind bisher keine Beweise gegen Iminjan Seydin veröffentlicht worden, doch man geht davon aus, dass seine Verurteilung mit einem arabischen Rhetorikbuch zusammenhängt, das er 2014 veröffentlicht hatte.

Er "verschwand" im Mai 2017. Damals war er Mitglied einer Arbeitsgruppe zur Armutsbekämpfung im Amt für religiöse Angelegenheiten in Hotan in der Provinz Xinjiang.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Iminjan Seydin war Geschichtsprofessor am Islamischen Institut von Xinjiang und der Gründer des Verlags Imin Book Publishing Company in Xinjiang. Seit 2012 hat er mehr als 350 Bücher in Bereichen wie Wissenschaft, Psychologie, Sprachwissenschaft und Kindererziehung herausgegeben. Er setzt sich für die Stärkung des kulturellen Austauschs ein. Nach seiner Inhaftierung hat das Islamische Institut von Xinjiang seinen Vertrag gekündigt. Seine Tochter Samira Imin arbeitet an der Harvard Medical School in den USA.

Die Uiguren sind eine größtenteils muslimische ethnische Minderheit, die hauptsächlich in der Autonomen Region Xinjiang auf dem Gebiet der Volksrepublik China lebt. Seit den 1980er-Jahren werden Uigur_innen immer wieder Opfer von systematischen schweren Menschenrechtsverletzungen wie willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, Haft ohne Kontakt zur Außenwelt und starken Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit und ihrer sozialen und kulturellen Rechte. Die lokalen Behörden kontrollieren die Religionsausübung weiterhin streng. So ist es beispielsweise allen Staatsbediensteten und Kindern unter 18 Jahren verboten, in Moscheen zu beten. Die Politik der chinesischen Regierung schränkt den Gebrauch der uigurischen Sprache und die Religionsfreiheit in erheblichem Maße ein und fördert den Zustrom von Han-Chinesen in die Region.

Seit Chen Quanguo 2016 das Amt des Parteisekretärs der Autonomen Region Xinjiang angetreten hat, kann man an den Medienberichten ablesen, wie scharf die neu eingeführten Sicherheitsmaßnahmen sind. Im Oktober 2016 gab es zahlreiche Berichte darüber, dass die Behörden in der Region die Reisepässe von Uigur_innen konfisziert hatten, um ihre Bewegungsfreiheit weiter einzuschränken. Im März 2017 erließ die Autonome Region Xinjiang eine Verordnung zur "Entextremisierung", die ein breites Spektrum an Handlungen beschreibt und diese als "extremistisch" verbietet. Dazu zählen unter anderem "Verbreitung von extremistischem Gedankengut", die Verunglimpfung von staatlichen Radio- oder Fernsehsendern und die Verweigerung, diese zu konsumieren sowie das Tragen von Burkas oder "ungewöhnlichen" Bärten. Darüber hinaus zählen Widerstand gegen die nationale Politik sowie das Publizieren, Herunterladen, Aufbewahren und Lesen von Artikeln oder Publikationen und audiovisuellen Beiträgen mit "extremistischem Inhalt". Aufgrund der Verordnung wurde zudem ein "Zuständigkeitssystem" eingerichtet, mit dem die "Antiextremismus-Arbeit" der Regierung in verschiedene Bereiche eingeteilt und jährlich überprüft wird.

Es werden schätzungsweise eine Million Uigur_innen, Kasach_innen und Angehörige anderer mehrheitlich muslimischer Bevölkerungsgruppen in sogenannten Einrichtungen zur "Umformung durch Erziehung" festgehalten. Die chinesischen Behörden bestritten bis Oktober 2018 die Existenz dieser "Umerziehungseinrichtungen". Danach erklärten sie, die Menschen seien freiwillig in diesen Lagern und würden eine Berufsausbildung erhalten. Ziel dieser Einrichtungen sei es, den Menschen eine technische und berufliche Ausbildung zu bieten und ihnen zu ermöglichen, eine Arbeit zu finden und sich zu "nützlichen" Bürger_innen zu entwickeln. Im Widerspruch zu diesen Erläuterungen stehen allerdings die Berichte von ehemaligen Insass_innen dieser Lager, die Schläge, Nahrungsentzug und Isolationshaft beschreiben.

China ist bisher den Aufforderungen der internationalen Gemeinschaft und auch von Amnesty International nicht nachgekommen, unabhängige Expert_innen uneingeschränkt nach Xinjiang einreisen zu lassen. Stattdessen versucht die chinesische Regierung, kritische Stimmen zu unterdrücken, indem sie sorgfältig ausgewählte Delegationen aus verschiedenen Ländern zu streng durchgeplanten und überwachten Besuchen nach Xinjiang einlädt.