Algerien: Inhaftierter Bruder eines Aktivisten im Hungerstreik

Das Bild zeigt das Porträtbild eine Mannes

Abderrahmane Zitout befindet sich in Algerien in Haft.

Am 16. Februar trat Abderrahmane Zitout zum dritten Mal seit seiner Inhaftierung in den Hungerstreik. Der algerische Ladenbesitzer und Vater von vier Kindern protestiert damit gegen seine verlängerte Untersuchungshaft, die mittlerweile schon 324 Tage anhält. Er ist seit dem 5. April 2022 willkürlich im Gefängnis von El-Harrach inhaftiert. Die konstruierten Anklagen gegen ihn stehen im Zusammenhang mit dem Aktivismus seines Bruders und dessen Mitgliedschaft in der politischen Oppositionsgruppe Rachad, die von den algerischen Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft wird.

Appell an

Präsident

Abdelmagid Tebboune

Présidence de la République

Place Mohammed Seddik Benyahia

El Mouradia, Alger, 16000

ALGERIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien

S.E. Herr Smail Allaoua


Görschstraße 45-46

13187 Berlin

Fax: 030-4809 8716

E-Mail: info@algerische-botschaft.de

Amnesty fordert:

Sachlage

Abderrahmane Zitout wird seit dem 5. April 2022 willkürlich im Gefängnis von El-Harrach in Algier in verlängerter Untersuchungshaft festgehalten. Seit seiner Inhafterung hat sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechtert, trotzdem wurde ihm der Zugang zu medizinischer Versorgung lange verwehrt. Erst nach seinem zweiten Hungerstreik im August 2022 kam er für einige Zeit in stationäre Behandlung.

Am 17. April 2022 wurde Abderrahmane Zitout von der Staatsanwaltschaft vor dem erstinstanzlichen Gericht von Sidi M’hamed wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinignung" (Paragraf 87 bis), "Verbreitung von Falschinformationen, die die nationale Einheit gefährden" (Paragraf 196 bis), "Entgegennahme von Geldern aus dem Ausland mit der Absicht, Handlungen auszuführen, die die Staatssicherheit gefährden" (Paragraf 100) und "Beleidigung einer gesetzlichen Körperschaft" (Paragraf 144) angeklagt. Bisher steht jedoch noch kein Datum für seine Anhörung fest und er befindet sich weiterhin im 400 Kilometer von seiner Heimat entfernten Algier in Untersuchungshaft. Die Anschuldigungen gegen ihn stützen sich auf erzwungene "Geständnisse" des ehemaligen Militäroffiziers und Whistleblowers Mohamed Benhlima, der behauptet hatte, dass Abderrahmane Zitout Geld von seinem Bruder Mohamed Larbi erhalten hätte, um einen Laden in Algerien eröffnen zu können. Mohamed Benhlima hatte in seiner Aussage wohl auf die gute Beziehung von Abderrahmane Zitout zu seinem Bruder und auf dessen Teilnahme an der Hirak-Protestbewegung verwiesen, außerdem hatte er die Behörden auf einige Unterhaltungen von Abderrahmane Zitout über Facebook Messenger aufmerksam gemacht, in denen sich dieser zu den Hirak-Protesten äußert.

Am 16. Februar trat Aderrahmane Zitout in einen Hungerstreik um gegen seine willkürliche Inhaftierung zu protestieren, die schon mehr als zehn Monate andauert. Er wurde bereits im August 2022 nach einem 20-tägigen Hungerstreik ins Krankenhaus eingeliefert und musste dort elf Tage lang wegen seiner schwerwiegenden Gesundheitsprobleme behandelt werden. Seiner Familie wurde der Zugang zu den medizinischen Unterlagen verwehrt. Wegen seiner unbehandelten Rückenprobleme und eines Bandscheibenvorfalls sitzt Abderrahmane Zitout seit seiner Inhaftierung im Rollstuhl. Berichten einer ihm nahestehenden Person zufolge hat er seit seiner Inhaftierung etwa 10 Kilogramm abgenommen und es besteht Grund zur Sorge um sein Leben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der 40-jährige Abderrahmane Zitout ist Inhaber eines kleinen Bekleidungsgeschäfts in Laghouat, einer Stadt im Norden Algeriens, etwa 400 Kilometer von Algier entfernt, wo er mit seiner Frau und seinen vier Kindern lebt. 

Am 30. März 2022 durchsuchte die Polizei sein Haus und sein Geschäft und inhaftierte ihn ohne Kontakt zur Außenwelt. In Haft wurde er über einen Zeitraum von fünf Tagen stundenlang zu der Beziehung zu seinem Bruder verhört. Sein Bruder, Mohamed Larbi Zitout, ist ein ehemaliger Diplomat und Gründungsmitglied von Rachad, einer politischen Bewegung, die von den algerischen Behörden im Februar 2022 als terroristische Vereinigung eingestuft wurde. Er ist außerdem Gründungsmitglied der mittlerweile aufgelösten Menschenrechtsorganisationen Alkarama und Justitia Universalis.

Am 5. April 2022 ordnete ein Richter am Gericht von Sidi M’hamed in Algier die Untersuchungshaft für Abderrahmane Zitout an. Am 17. April erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn in vier Fällen. Er befindet sich bis heute in Untersuchungshaft. Er darf weder seine Familie noch seinen Rechtsbeistand telefonisch kontaktieren und darf abgesehen von seinem Rechtsbeistand nur alle 15 Tage 15 Minuten lang Besuch von seiner Familie empfangen. Bisher steht noch kein Datum für seine Anhörung fest.

Die algerischen Behörden nutzen die Einstufung von Rachad als terroristische Vereinigung, um zahlreiche ihrer Mitglieder wegen terrorismusbezogener Straftaten zu verfolgen. Sie beziehen sich unter anderem auf Paragraf 87, bis, der die Todesstrafe vorsieht und Terrorismus als jede Handlung "gegen die Staatssicherheit, die Unversehrtheit des Territoriums, die Stabilität und das ordnungsgemäße Funktionieren der staatlichen Institutionen" definiert. Im März 2022 wurde der algerische Aktivist und Whistleblower Mohamed Benhlima wegen seiner angeblichen Verbindung zu Rachad durch die spanischen Behörden abgeschoben. Im September 2021 wurde Hassan Bouras von einem*r Richter*in Algier wegen seiner mutmaßlichen Verbindung zu Rachad verhört.

Laut den von Amnesty International eingesehenen Vernehmungsprotokollen, die seine Rechtsbeistände angefertigt hatten, stützten sich die Behörden als Beweise für die Terrorismusvorwürfe gegen Abderrahmane Zitout auf Unterhaltungen über Facebook Messenger, sowie auf die erzwungenen "Geständnisse" von Mohamed Benhlima, wonach Mohamed Larbi Zitout Abderrahmane Zitout Geld für die Eröffnung eines Geschäfts in Algerien geschickt haben soll. Seit Juli 2022 werden sowohl Abderrahmane Zitouts Mutter als auch seine Schwestern und Neffen strafrechtlich verfolgt und regelmäßig auf die Polizeiwache vorgeladen, wo man sie vor allem bezüglich ihrer familiären Beziehungen zu Mohamed Larbi Zitout befragt.