Aktuell Israel und besetzte palästinensische Gebiete 20. November 2012

Israel/Gaza-Konflikt: UN muss Waffenembargo verhängen und internationale Beobachter entsenden

Ein palästinensisches Kind vor einem durch Raketenangriffe zerstörten Haus in Gaza-Stadt, 20. November 2012

Ein palästinensisches Kind vor einem durch Raketenangriffe zerstörten Haus in Gaza-Stadt, 20. November 2012

19. November 2012 - Der Konflikt zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen in Gaza eskaliert. Amnesty International fordert ein internationales Waffenembargo und den sofortigen Einsatz internationaler Beobachter in der Krisenregion. Seit Mittwoch, dem 14. November 2012, wurden Dutzende Zivilpersonen in Gaza und drei israelische Zivilpersonen getötet. Informationen der UN, von Menschenrechtsorganisationen vor Ort und Amnesty International zufolge haben beide Seiten humanitäres Völkerrecht verletzt.

"Internationale Beobachter, die in der Lage sind, Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu untersuchen, müssen so schnell wie möglich sowohl in Gaza als auch in Israel vor Ort sein, damit unabhängige und unparteiische Untersuchungen der Verstöße beider Seiten durchgeführt werden können", sagte Ann Harrison, stellvertretende Direktorin des Nahost und Nordafrika-Programms bei Amnesty International. "Der UN-Sicherheitsrat sollte dringend zusammentreffen, um ein internationales Waffenembargo gegen Israel, die Hamas und bewaffnete palästinensische Gruppen in Gaza zu verhängen."

Solange nicht über ein solches Embargo entschieden wurde, sollten alle Staaten umgehend Lieferungen von Waffen, Munition und anderen Rüstungsgütern an Israel, die de-facto Regierung der Hamas und bewaffnete palästinensische Gruppen in Gaza einstellen.

Das israelische Militär berichtet, dass es seit dem 14. November mehr als 1.350 Ziele im Gazastreifen angegriffen hat. Israelische Streitkräfte nahmen dicht besiedelte Wohngegenden unter Artilleriebeschuss, griffen Regierungs- und Pressegebäude an, und zerbombten die Häuser von Familien von Mitgliedern bewaffneter palästinensischer Gruppen. Dabei wurden palästinensische Zivilpersonen verletzt und getötet.

Bis Montagnachmittag lagen Amnesty International die Namen von 66 Zivilpersonen vor, die in Gaza getötet wurden, darunter 17 Kinder und 9 Frauen. Das palästinensische Zentrum für Menschenrechte berichtete am Montagmittag, dass 622 Zivilpersonen - darunter 175 Kinder und 107 Frauen - in Gaza verwundet wurden, viele von ihnen schwer.
"Die Anzahl der zivilen Todesopfer in Gaza wirft dringende Fragen darüber auf, in welchem Ausmaß israelische Streitkräfte ihrer Verpflichtung nachkommen, das Leben von Zivilpersonen zu schützen", sagte Ann Harrison. "Wir sind sehr besorgt darüber, dass einige Zivilpersonen in Gaza als Folge von willkürlichen und unverhältnismäßigen Angriffen der israelischen Streitkräfte getötet oder verletzt wurden."

Bewaffnete palästinensische Gruppen haben seit dem 14. November mehr als 1.100 Raketen auf Israel abgeschossen. Die meisten Raketen können nicht gezielt eingesetzt werden, einige wurden aus Wohngebieten abgeschossen. Bei diesen unrechtmäßigen Angriffen wurden drei israelische Zivilpersonen getötet und mindestens 51 verletzt, zwei von ihnen schwer, wie Magen David Adom, die israelische Sektion des Internationalen Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes, mitteilte.

Einige der Raketen landeten im Gazastreifen und verursachten Opfer unter der Zivilbevölkerung. "Bewaffnete palästinensische Gruppen schießen Raketen ab, die nicht gezielt auf militärische Ziele gelenkt werden können. Der bloße Einsatz dieser Raketen bringt Zivilpersonen in Gefahr und verletzt humanitäres Völkerrecht", sagte Ann Harrison.
Amnesty International ist zudem äußerst besorgt über Berichte, denen zufolge der militärische Flügel der Hamas am 16. November eine Schnellhinrichtung eines mutmaßlichen Kollaborateurs in Gaza durchgeführt hat.

"Alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft sollten beide Seiten dazu drängen, dem Schutz der Zivilbevölkerung Vorrang zu geben und sich strikt an das humanitäre Völkerrecht zu halten. Einige sehr einflussreiche Staaten haben nur mit eisigem Schweigen reagiert."

Krankenhäuser in Gaza haben Schwierigkeiten, die Notsituation zu meistern. Verschlimmert wird die Situation durch Versorgungsengpässe, die durch die seit Juni 2007 bestehende israelische Blockade verursacht wurden. Vor den aktuellen Kampfhandlungen fehlten den Krankenhäusern bereits 40 Prozent der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierten "lebenswichtigen Medikamente".

Amnesty International hat die Blockade des Gazastreifens wiederholt als kollektive Bestrafung der 1,6 Millionen Einwohner verurteilt und gefordert, die Blockade vollständig aufzuheben.

Für Kriegsverbrechen, die während des Konflikts zwischen Israel und Gaza in den Jahren 2008 und 2009 von allen Parteien begangen wurden und die Amnesty International und eine UN-Untersuchungsmission unter der Leitung von Richard Goldstone dokumentierten, wurde niemand zur Rechenschaft gezogen.

Amnesty International hat die UN-Generalversammlung wiederholt aufgefordert, den Bericht der UN-Untersuchungsmission, bekannt als "Goldstone Report", an den UN-Sicherheitsrat zu übergeben. Dieser hätte dann die Möglichkeit, den Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshof mit Ermittlungen zu beauftragen, um mögliche Verbrechen aller Konfliktparteien zu untersuchen.

Eine solche Untersuchung würde Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit aller beteiligten Parteien während des Konflikts in den Jahren 2008 und 2009 einbeziehen. In dem Konflikt starben 1.400 Palästinenser, darunter etwa 300 Kinder und Hunderte unbewaffneter Zivilpersonen. Auch drei israelische Zivilpersonen wurden während der Auseinandersetzung getötet.

Seit Ende dieses Konfliktes hat Amnesty International sowohl das wahllose Abfeuern von Raketen aus Gaza als auch israelische Angriffe verurteilt, bei denen Zivilpersonen getötet und verwundet wurden.

Da keine unparteiische und effektive Untersuchung der vergangenen Kriegsverbrechen durchgeführt wurde, besteht die Sorge, dass solche Verstöße wiederholt werden und die Opfer der Verbrechen im aktuellen Konflikt ohne Aussicht auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zurückbleiben.

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