Drohende Hinrichtungen

Pakistan

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Der Premierminister von Pakistan hat nach dem Anschlag auf eine von der pakistanischen Armee betriebene Schule in Peschawar am 16. Dezember das Hinrichtungsmoratorium aufgehoben. Sechs Männer sind bereits hingerichtet worden. Weitere Todesurteile könnten jederzeit vollstreckt werden.

Appell an

PREMIERMINISTER
Nawaz Sharif
Prime Minister House
Pakistan Secretariat
Constitution Avenue
Islamabad
PAKISTAN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Premierminister)
Fax: (00 92) 51 922 0404
Twitter: @PMNawazSharif

PRÄSIDENT VON PAKISTAN
Honourable Mr. Mamnoon Hussain
President's Secretariat
Islamabad
PAKISTAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 92) 51 920 4974
E-Mail: dir_pp@president.gov.pk
Twitter: @MamnonHussain

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK PAKISTAN
S. E. Herrn Syed Hasan Javed
Schaperstr. 29
10719 Berlin
Fax: 030 2124 4210
E-Mail: mail@pakemb.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Urdu, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Februar 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE , TWITTERNACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stoppen Sie jegliche Vorbereitungen für weitere Hinrichtungen und setzen Sie das offizielle Hinrichtungsmoratorium wieder in Kraft. Dies sollte im Einklang mit den fünf seit 2007 verabschiedeten Resolutionen der UN-Generalversammlung ein erster Schritt zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe sein.

  • Bitte stellen Sie zudem sicher, dass nationale Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung nicht gegen die Verpflichtungen Pakistans aus internationalen Menschenrechtsabkommen verstoßen und dass die Schutzmaßnahmen respektiert werden, welche die Rechte aller zum Tode verurteilten Personen garantieren.

  • Bitte wandeln Sie alle bereits verhängten Todesurteile in Haftstrafen um.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Pakistan government to immediately halt plans to carry out any executions and to re-establish an official moratorium on all executions in the country as a first step towards abolition of the death penalty, in line with five UN General Assembly resolutions adopted since 2007.

  • Calling on the Pakistan government to ensure that any measures taken to combat crime do not violate Pakistan’s obligations under international human rights law, and that all safeguards guaranteeing the rights of those facing the death penalty are respected.

  • Urging the Pakistan President and government to commute all existing death sentences.

Sachlage

Am 19. Dezember erklärte General Raheel Sharif, amtierender Armeechef Pakistans, dass er die Hinrichtungsbefehle für sechs Häftlinge unterschrieben habe. Zwei der Männer sind am 19. Dezember hingerichtet worden. Die anderen vier wurden zwei Tage später gehängt. Dem Innenministerium liegen derzeit 547 Gnadengesuche vor, die an den Präsidenten weiterzuleiten sind. Die meisten von ihnen sollen von Häftlingen stammen, die in Verbindung mit terrorismusbezogenen Straftaten verurteilt wurden. 120 dieser Fälle wurden dem Präsidenten am 18. Dezember vorgelegt. Angesichts der hohen Anzahl der Gnadengesuche und der allgemeinen Stimmung im Zuge des Terroranschlags vom 16. Dezember ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Präsident alle Gesuche angemessen überprüfen kann. Bei dem Anschlag auf eine Schule in Peschawar wurden mindestens 142 Menschen getötet, darunter 132 Kinder.

Laut Menschenrechtsanwält_innen der NGO Justice Project Pakistan (JPP) ist es unwahrscheinlich, dass alle Häftlinge, die ein Gnadengesuch eingereicht haben, Zugang zu einem Rechtsbeistand hatten. Sie mussten sich daher so gut sie konnten selbst verteidigen. In Pakistan werden Todesurteile oftmals nach Prozessen verhängt, die nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen. Laut einer Studie der JPP wurden 818 der 6.872 Häftlinge, die sich 2012 im Todestrakt befanden, wegen terrorismusbezogener Straftaten verurteilt. Heute gibt es in Pakistan mehr als 8.000 Todeskandidat_innen. Das Anti-Terror-Gesetz von Pakistan, das 1997 in Kraft getreten ist, enthält eine so vage Definition von Terrorismus, dass ihr so gut wie alle Straftaten zugeordnet werden können. Die JPP hat herausgefunden, dass 256 der 818 bekannten Fälle, in denen die Betroffenen vorgeblich wegen "Terrorismus" strafrechtlich verfolgt wurden, in Wirklichkeit in keinem Zusammenhang mit terrorismusbezogenen Straftaten standen. Die Betroffenen wurden nämlich gemäß dem pakistanischen Strafgesetzbuch und nicht gemäß dem Anti-Terror-Gesetz verurteilt. Einige der Taten, die ihnen vorgeworfen wurden, wie beispielsweise Blasphemie, sind zudem gemäß Völkerrecht keine Straftaten und fallen nicht in die Kategorie "schwerster Verbrechen". Somit darf für sie gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Pakistan gehört, nicht die Todesstrafe verhängt werden.

Auch Shafqat Hussain droht die Todesstrafe. Er wurde wegen Entführung und fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen und war zur Tatzeit erst 14 Jahre alt. Pakistan ist es durch zwei internationale Verträge verboten, die Todesstrafe gegen Personen zu verhängen, die zur Tatzeit jünger als 18 Jahre alt waren.

Amnesty International verurteilt den Angriff auf die Schule in Peschawar durch die pakistanische Taliban aufs Schärfste. Die Organisation fordert eine umfassende Untersuchung von willkürlichen Anschlägen und Angriffen auf Zivilpersonen, darunter auch der Anschlag in Peschawar. Amnesty International fordert zudem, dass die mutmaßlichen Täter_innen unter Ausschluss der Todesstrafe in Verfahren vor Gericht gestellt werden, die den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt. Darüber hinaus liegen keine eindeutigen Beweise dafür vor, dass die Todesstrafe Verbrechen wirksamer verhindert als andere Arten der Bestrafung. Die umfangreichste, von der UN im Jahr 1988 durchgeführte und 2008 zuletzt aktualisierte Studie, stellt fest, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass Hinrichtungen eine abschreckendere Wirkung haben als lebenslange Haftstrafen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Über 8.000 Gefangene befinden sich in Pakistan im Todestrakt. Mehr als 500 der Todeskandidat_innen wurden wegen terrorismusbezogener Straftaten verurteilt. Ihnen droht nun die Hinrichtung. Pakistan hatte im Oktober 2013 ein Moratorium gegen die Vollstreckung von Todesurteilen wieder in Kraft gesetzt. Zuletzt waren 2008 eine Zivilperson und 2012 ein Soldat gehängt worden. Es befinden sich derzeit Hunderte Menschen wegen terrorismusbezogener Anklagen im Todestrakt. Nach einer Reihe von aufsehenerregenden Tötungen und Terroranschlägen in Pakistan und im Zuge des Attentats auf eine Schule der pakistanischen Armee in Peschawar am 16. Dezember hat Premierminister Nawaz Sharif die Wiederaufnahme von Hinrichtungen angekündigt, da er unter Druck steht, Recht und Ordnung wiederherzustellen.

Amnesty International besorgt insbesondere, dass viele Todesurteile in Pakistan in Prozessen verhängt werden, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprechen. Diese Verfahren sind gekennzeichnet durch den fehlenden Zugang zu Rechtsbeiständen und das Zulassen von Beweisen, die nach dem Völkerrecht nicht vor Gericht verwendet werden dürfen. So werden Aussagen, die durch Folter erzwungen wurden, als Beweismittel vor Gericht zugelassen. Angeklagte haben oft nur eingeschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand oder ihnen werden vom Staat Rechtsbeistände gestellt, die häufig schlecht ausgebildet und unterbezahlt sind. Es kommt vor, dass die vom Staat gestellten Rechtsbeistände ihre Mandant_innen nicht mit ganzem Einsatz vertreten, es sei denn, sie erhalten weitere Bezahlungen von der Familie des/ der Angeklagten. Hinzu kommt, dass das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren in Verhandlungen vor vorinstanzlichen Gerichten missachtet wird und dort nach wie vor Todesurteile verhängt werden. Die Verhandlungen dieser Gerichte sind nur eingeschränkt öffentlich zugänglich und die Gerichtsverfahren müssen in der Regel innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen abgeschlossen werden, wodurch die Richter_innen unter großen Druck geraten, Angeklagte zu verurteilen. Der UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen bemerkte 2012, dass Militär- und andere Sondergerichte nicht befugt sein sollten, Todesurteile zu verhängen.