Verwaltungshaft verlängert

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 17. Juli wurde Abdul Razeq Farraj aus dem Militärgefängnis Ofer freigelassen. Damit endeten 14 Monate Verwaltungshaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Abdul Razeq Farraj ist der Finanz- und Verwaltungsleiter der Entwicklungs-NGO Union of Agricultural Work Committees (UAWC) mit Sitz in Ramallah in den besetzten palästinensischen Gebieten.

Übergang vom Ofer-Gefängnis zum Militärgericht

Übergang vom Ofer-Gefängnis zum Militärgericht Ofer

Ein israelisches Militärgericht hat zum dritten Mal die Verwaltungshaftanordnung für den NGO-Mitarbeiter Abdul Razeq Farraj um weitere drei Monate verlängert. Abdul Razeq Farraj wird seit 325 Tagen von den isrealischen Behörden ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten.

Appell an

Verteidigungsminister

Avigdor Liberman                         

Ministry of Defence                   

37 Kaplan Street,

Hakirya Tel Aviv 61909, ISRAEL

Sende eine Kopie an

Minister für Öffentliche Sicherheit

Gilad Erdan

Kiryat Hamemshala

PO Box 18182,

Jerusalem 91181

ISRAEL


(Anrede: Dear Minister /

Sehr geehrter Herr Minister)

E-Mail: gerdan@knesset.gov.il

Fax: (00972) 2 584 7872

Botschaft des Staates Israel

S. E. Herrn Jeremy Nissim Issacharoff

Auguste-Viktoria-Straße 74-76

14193 Berlin

Fax: 030 – 8904-5555

E-Mail: botschaft@israel.de

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie Abdul Razeq Farraj und alle anderen Verwaltungshäftlinge umgehend frei, sofern sie nicht unverzüglich einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
  • Beenden Sie bitte die Schikanierung und willkürliche Inhaftierung von Palästinenser_innen, die in zivilgesellschaftlichen Organisationen, einschließlich Menschenrechtsorganisationen tätig sind.
  • Ich bitte Sie außerdem, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Praxis der Verwaltungshaft zu beenden.

Sachlage

Am 10. April wurde die Verwaltungshaftanordnung gegen Abdul Razeq Farraj zum dritten Mal um drei Monate verlängert und soll nun am 17. Juli enden. Abdul Razeq Farraj wurde am 21. Mai 2017 gegen 3 Uhr von israelischen Soldat_innen in seiner Wohnung in Ramallah in den besetzten palästinensischen Gebieten festgenommen. Der Militärkommandeur des Westjordanlandes stellte noch am selben Tag eine viermonatige Verwaltungshaftanordnung gegen Abdul Razeq Farraj aus, ohne ihn zuvor befragt zu haben. Eingangs sollte die Anordnung am 20. September enden, wurde aber seither bereits dreimal verlängert. Abdul Razeq Farraj wird derzeit im Militärgefängnis Ofer in der Nähe der Stadt Ramallah festgehalten.

Abdul Razeq Farraj nimmt an dem anhaltenden Boykott israelischer Militärgerichte durch die palästinensischen Verwaltungshäftlinge und ihrer Rechtsbeistände teil, die das Ende der seit Jahrzehnten von Israel eingesetzten Verwaltungshaft fordern, da sie eine Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren und unbegrenzt verlängerbare Haftanordnungen ermöglicht. Der am 13. Februar ausgerufene Boykott (siehe auch: http://cda.gov.ps/index.php/ar/ar-news/5025-2018-02-20-08-49-53) dauert zwei Monate an und die israelischen Behörden bestätigen derzeit die Verwaltungshaftanordnungen, ohne dass die Inhaftierten oder ihre Rechtsbeistände an den Anhörungen teilnehmen.

Der 55-jährige Abdul Razeq Farraj hat bereits zehn Jahre seines Lebens in Verwaltungshaft und insgesamt 16 Jahre in israelischen Gefängnissen zugebracht. Von 1985 bis 1991 verbüßte er von einem israelischen Gericht verhängte sechs Jahre Gefängnis wegen Mitgliedschaft in der in Israel verbotenen Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP). Seit seiner Freilassung wurde er sechsmal erneut festgenommen und jedesmal in Verwaltungshaft genommen. Er hat insgesamt 120 Monate (3650 Tage) in Haft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren verbracht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der 55-jährige Abdul Razeq Farraj, Vater zweier Kinder, hat einen BA in Wirtschaftswissenschaften und ein Mangement-Diplom der Birzeit-Universität. Er ist der Finanz- und Verwaltungsleiter der Entwicklungs-NGO Union of Agricultural Work Committees mit Sitz in Ramallah in den besetzten palästinensischen Gebieten und arbeitet dort bereits seit 30 Jahren. Die Organisation wurde 1986 gegründet, um palästinensische Bauern zu unterstützen, die von der israelischen Besetzung und der Konfiszierung von Land betroffen waren. Sie zielt darauf ab, die Kapazitäten von Bauern zu vergrößern und ihren Lebensstandard zu verbessern sowie ihre Landrechte zu verteidigen.

2012 trat Abdul Razeq Farraj für 24 Tage in den Hungerstreik und protestierte damit zusammen mit anderen Verwaltungshäftlingen gegen die schlechten Haftbedingungen im Ofer-Gefängnis. Zu der Zeit erklärten 2.000 gefangene und inhaftierte Palästinenser_innen einen Massenhungerstreik, um damit gegen die schlechten Haftbedingungen, die Einzelhaft, die Verweigerung von Besuchen ihrer Familienangehörigen und die Haft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren zu protestieren. Der Streik endete am 14. Mai 2012 nachdem Ägypten einen Deal mit den israelischen Behörden ausgehandelt hatte. 2014 trat Abdul Razeq Farraj mit anderen Verwaltungshäftlingen erneut in den Hungerstreik und protestierte damit gegen die Praxis der israelischen Verwaltungshaft. Der Hungerstreik währte mehr als 60 Tage und endete damit, dass die Verwaltungshäftlinge eine Vereinbarung mit dem Israelischen Gefängnisdienst IPS trafen.

Die Familie von Abdul Razeq Farraj ist durch die anhaltende Haft und die Unsicherheit bezüglich des Zeitpunkts seiner Freilassung sehr in Mitleidenschaft gezogen. Sein Sohn Basil berichtete Amnesty International: "Ich hatte vor, meine Universität in Genf für ein paar Wochen zu verlassen, weil ich darauf hoffte, dass mein Vater dann entlassen wäre. Ich träume von dem Tag, an dem unsere Familie wieder zusammen ist. Doch wie immer steht die Besatzung zwischen uns und unseren Hoffnungen und Träumen von freudigen Momenten."

Wie bei allen Verwaltungshäftlingen ist das "Beweismaterial" gegen Abdul Razeq Farraj geheim und weder er noch sein Rechtsbeistand können es ansehen. Dies verstößt gegen eine Grundregel für faires Gerichtsverfahren.

Bis auf eines befinden sich alle israelischen Gefängnisse, in denen palästinensische Verwaltungshäftlinge festgehalten werden, in Israel. Die Inhaftierung von Palästinenser_innen aus den besetzten palästinensischen Gebieten innerhalb Israels verstößt gegen internationales Recht. In der Vierten Genfer Konvention ist verbrieft, dass Menschen die in besetzten Gebieten festgenommen werden auch dort inhaftiert werden müssen und nicht auf dem Gebiet der Besetzungsmacht.

Die Praxis der Verwaltungshaft wurde vorgeblich als Sondermaßnahme zur Inhaftierung von Personen eingeführt, die eine große und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit darstellen. Israel setzt diese Form der Haft jedoch als Alternative zum Strafjustizsystem ein, um Personen festzunehmen, anzuklagen und vor Gericht zu stellen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Verwaltungshaftanordnungen werden zudem gegen Personen eingesetzt, für deren Festnahme keinerlei Gründe vorliegen. Verwaltungshaftanordnungen können immer wieder verlängert werden und Beweise werden den Inhaftierten vorenthalten, weshalb sie nicht effektiv gegen ihre Inhaftierung vorgehen können und nicht wissen, wann sie freigelassen werden. Amnesty International ist der Ansicht, dass es sich bei einigen der Palästinenser_innen in israelischer Verwaltungshaft um gewaltlose politische Gefangene handelt, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Haft gehalten werden. Seit Oktober 2015 hat die Gewalt in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten stark zugenommen. Wie bereits in früheren Zeiten verstärkter Spannungen in den besetzten palästinensischen Gebieten haben die israelischen Behörden mit Masseninhaftierungen reagiert. Es werden immer mehr Verwaltungshaftanordnungen ausgestellt, unter anderem auch gegen Kinder. Nach Angaben der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer befanden sich im Dezember 2018 insgesamt 427 Personen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in israelischer Verwaltungshaft.

Amnesty International hat das verschärfte Vorgehen der israelischen Regierung gegen die palästinensische Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger_innen in den besetzten palästinensischen Gebieten dokumentiert. Zudem unternimmt Israel Schritte, die die Meinungsfreiheit in Israel einschränken. Staatsbedienstete setzen Einschüchterungen und Verleumdungskampagnen gegen Menschenrechtsorganisationen und ihre Mitarbeiter_innen ein.