USA: Erneute Hinrichtung in Missouri

Diese Urgent Action ist beendet.

Michael Tisius wurde am 6. Juni 2023 in Missouri hingerichtet, nachdem sein Gnadengesuch abgelehnt worden war.

Das Bild zeigt einen Raum mit einer Liege und eine Vorrichtung, um Menschen zu fixieren

Hinrichtungskammer in Huntsville im US-Bundesstaat Texas (Archivaufnahme)

Sachlage

Michael Tisius wurde 2001 des Mordes an zwei Gefängniswärtern am 22. Juni 2000 schuldig gesprochen. Sein Todesurteil wurde daraufhin in der Berufungsinstanz aufgehoben. Im neuen Strafzumessungsverfahren 2010 stimmten die Geschworenen erneut für die Todesstrafe. Michael Tisius war zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alt und hatte eine von Missbrauch und Vernachlässigung geprägte Kindheit hinter sich. Bei ihm wurden neurologische Defizite und Hirnfunktionsstörungen, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine abhängige Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Expert*innen sind zu dem Schluss gekommen, dass ein älterer Gefängnisinsasse die Unreife und psychische Erkrankung von Michael Tisius ausgenutzt hat, um ihn in das Verbrechen zu verwickeln.

Ende April 2023 versuchten die Rechtsbeistände von Michael Tisius, einen Hinrichtungsaufschub zu erreichen. Sie hatten herausgefunden, dass einer der Geschworenen im neuen Strafzumessungsverfahren 2010 weder lesen noch schreiben konnte, was ihn nach dem Gesetz von Missouri automatisch von der Teilnahme an einer Jury hätte ausschließen müssen. Der Mann gab an, nach seiner Vorladung als Geschworener einem Angestellten des Gerichts gesagt zu haben, dass er nicht lesen könne. Der Mitarbeiter habe ihn in einen Raum geführt, ihm den Fragebogen für Geschworene vorgelesen und diesen für ihn ausgefüllt. Bei der Auswahl der Geschworenen fragte der Richter die angehenden Geschworenen, ob jemand von ihnen nicht in der Lage sei, "Englisch zu lesen, zu sprechen oder zu verstehen". Niemand meldete sich, und die Angelegenheit kam erst 2023 ans Licht. Der Oberste Gerichtshof von Missouri lehnte einen Hinrichtungsaufschub ab. Am 31. Mai ordnete jedoch ein Bundesgericht die Aussetzung der Hinrichtung an, um eine Beweisanhörung in dieser Angelegenheit durchführen zu können. Dagegen legte der Bundesstaat Missouri Rechtsmittel ein, und am 2. Juni hob das zuständige US-Berufungsgericht (Court of Appeal for the Eighth Circuit) den Hinrichtungsaufschub unter Berufung auf ein Bundesgesetz auf, das die Einreichung von zweiten oder aufeinanderfolgenden Anträgen auf richterliche Haftprüfung stark einschränkt. Am 6. Juni lehnte der Oberste Gerichtshof der USA eine Intervention in dem Fall ab.

Vier weitere Geschworene, die der Jury im neuen Strafzumessungsverfahren angehörten, sowie zwei Ersatzgeschworene unterzeichneten Erklärungen, denen zufolge sie nun die Umwandlung des Todesurteils durch den Gouverneur unterstützen bzw. nicht ablehnen würden, da sie nun besser über den Fall informiert seien als noch 2010, auch hinsichtlich der mildernden Umstände. Ein ehemaliger Gefängnisdirektor hat sich in einem für ihn beispiellosen Schritt in einem Schreiben an den Gouverneur ebenfalls für eine Begnadigung ausgesprochen. Er sagte, er halte Michael Tisius für einen "vorbildlichen Häftling", dessen "Benehmen mit das beste" sei, das er in seinen 26 Jahren als Gefängnisdirektor erlebt habe. Ihm zufolge habe Michael Tisius "die volle Verantwortung für seine Tat übernommen. Er hat Bedauern und Reue gezeigt."

Am 5. Juni 2023 lehnte Gouverneur Mike Parson eine Begnadigung in einer öffentlichen Erklärung ab. Er sagte, er habe selbst ein Bezirksgefängnis geleitet (Mike Parson war von 1993 bis 2005 Sheriff von Polk County) und wisse daher aus eigener Erfahrung, "wie hart und selbstlos" die Arbeit in den Gefängnissen sei. Der Gouverneur versicherte, dass der Fall Tisius "in jeder Phase des Gerichtsverfahrens fair und sorgfältig geprüft" worden sei und dass die Hinrichtung stattfinden werde, um sicherzustellen, dass die Familien der beiden Opfer "endlich Gerechtigkeit für den Verlust ihrer Angehörigen erhalten". 

Michael Tisius sagte in seiner letzten Stellungnahme vor der Hinrichtung Folgendes: "Ich wünschte, ich hätte die Dinge richtigstellen können, als ich noch hier war. Ich habe wirklich versucht, ein besserer Mensch zu werden. Ich habe wirklich versucht, so vielen wie möglich so viel wie möglich zu geben ... Es tut mir leid. Und das nicht, weil ich am Ende bin, sondern weil es mir wirklich leid tut."

Dies war die dritte Hinrichtung in Missouri im Jahr 2023 und die 96. Hinrichtung in dem US-Bundesstaat, seit der Oberste Gerichtshof der USA die Todesstrafe im Jahr 1976 wieder eingeführt hat. Nur Texas (583), Oklahoma (120), Virginia (113) und Florida (102) haben seit 1976 mehr Hinrichtungen durchgeführt. Virginia hat die Todesstrafe ebenso wie zehn weitere US-Bundesstaaten in den letzten 15 Jahren abgeschafft. In diesem Jahr gab es in den USA 12 Hinrichtungen, davon 5 in Texas, 3 in Missouri, 3 in Florida und eine in Oklahoma. Auf diese vier Bundesstaaten entfallen 57 Prozent der 1.570 Hinrichtungen in den USA seit 1976.

Es sind keine weiteren Aktionen des Eilaktionsnetzes erforderlich. Vielen Dank allen, die mit Appellen versucht haben, die Hinrichtung zu verhindern.