Tränengas gegen Demonstrierende

Zeichnung dreier Ausrufezeichen

Bewohner_innen der kolumbianischen Stadt Buenaventura berichten von Polizeirepressionen wie dem Einsatz von Tränengas bei friedlichen Protesten. Seit Beginn der Proteste am 16. Mai wurden mehrere Personen, darunter zwei Kinder, verletzt. Polizei und Streitkräfte haben vor Ort eine hohe Präsenz, und angesichts der fortdauernden Proteste wird ein Anstieg der Gewalt befürchtet.

Appell an

PRÄSIDENT

Señor Juan Manuel Santos

President of Colombia

Palacio de Nariño

Carrera 8 No. 7-26

Bogotá

KOLUMBIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Kolumbien

I. E. Frau Maria Lorena Gutierrez Botero

Taubenstr. 23

10117 Berlin


 

Amnesty fordert:

  • Bitte gewährleisten Sie das Recht der Menschen, an friedlichen Demonstrationen wie dem Generalstreik in Buenaventura und anderen Städten teilzunehmen.
  • Sorgen Sie dafür, dass die kolumbianische Polizei und andere Sicherheitskräfte keine unzulässige Gewalt anwenden und die Menschenrechte aller Demonstrierenden in Buenaventura und anderen Städten respektieren.
  • Ergreifen Sie unverzüglich Maßnahmen, um die grundlegenden Rechte auf Wasser, Gesundheit und angemessene Bildung sowie das Recht der Beteiligung an der Umsetzung der Friedensvereinbarungen mit der FARC für die Bevölkerung von Buenaventura zu gewährleisten.

 

Sachlage

Am 16. Mai 2017 rief die Gemeinde Buenaventura einen Generalstreik aus, um von der kolumbianischen Regierung die Gewährleistung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie das Recht auf Beteiligung an der Umsetzung der Friedensvereinbarungen mit den Revolutionären Streitkräften von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC) einzufordern. Die Organisator_innen des Generalstreiks forderten die Bewohner_innen von Buenaventura auf, alle gewerblichen und schulischen Aktivitäten einzustellen und auf die Straße zu gehen, um dort friedlich zu protestieren, bis die Regierung angemessen und unverzüglich auf ihre Forderungen reagiert. Während einer friedlichen Demonstration am Samstag, den 20. Mai, setzten Angehörige der Bereitschaftspolizei ESMAD (Escuadrón Móvil Antidisturbios) ohne Vorwarnung Tränengas gegen die Demonstrierenden ein, unter denen sich auch Kinder und ältere Personen sowie Personen mit Behinderungen befanden. Sie hatten sich an der Piñal-Brücke und in der Gegend von La Delfina versammelt, zwei von acht Treffpunkten der Demonstration. Wie die lokale Menschrechts-NGO Proceso de Comunidades Negras (PCN) Amnesty International berichtete, führte dieser ungerechtfertigte Tränengaseinsatz zu einer Konfrontation zwischen den Sicherheitskräften und Demonstrierenden, im Zuge derer mehrere Personen verletzt wurden, darunter auch zwei Kinder. PCN forderte die Präsenz von Menschenrechtsbehörden dringend zu erhöhen, um Konfrontationen und Repressionen zu verhindern.

Trotz der Angst vor weiteren Repressionen und Gewalt fanden am Sonntag, den 21. Mai, und am Montag, den 22. Mai, an mehreren Orten in Buenaventura und im ländlichen Umland weitere friedliche Demonstrationen statt. Der Indigene Schutz (Guardia Indígena), eine unbewaffnete Schutztruppe verschiedener indigener Gemeinschaften des Landes, nahm ebenfalls an den Demonstrationen teil, um die Demonstrierenden vor weiterer Gewalt zu schützen. Die Protestierenden kündigten an, den Generalstreik aufrechtzuerhalten, bis die Regierung auf die angesprochenen Probleme eingehe. Auch in anderen kolumbianischen Städten – darunter Quibdó (Departamento Chocó), Tumaco (Nariño) und Cali (Valle del Cauca) – wurden Demonstrationen zur Unterstützung des Generalstreiks angekündigt. Lokale Gruppen in Buenaventura befürchten, dass mit der Zunahme der Demonstrationen auch das Risiko einer gewaltsamen Unterdrückung durch Sicherheitskräfte steigt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Unruhen in Buenaventura, dessen Bevölkerung meist aus afrokolumbianischen und indigenen Gemeinschaften besteht, haben im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen wurde die Stadt vom Staat lange systematisch vernachlässigt (was dazu führte, dass 80% der Bevölkerung in Armut leben und ein genereller Mangel an Zugang zu grundlegenden Menschenrechten besteht), zum anderen herrscht aufgrund der Präsenz mehrere rivalisierender Akteure (Drogenhandel, kriminelle Banden und andere bewaffnete Gruppen, darunter Guerillas) ein hohes Maß an Gewalt.

Vor drei Jahren hat die Gemeinde Buenaventura schon einmal zu einem Generalstreik aufgerufen, nachdem die Regierung den Ausnahmezustand ausgerufen hatte. Es kam zu Verhandlungen zwischen Gemeinde und Regierung. Die daraus resultierende Vereinbarung sah u. a. vor, dass die Regierung sich sofort um die Bereitstellung von Wasser und Sanitärversorgung für die gesamte Gemeinde, den Bau eines modernen Krankenhauses und die Verbesserung des Bildungssystems kümmern würde. Bisher wurde jedoch kaum eines dieser Versprechen erfüllt.