Journalist vermisst

Ein Mann trägt ein rotes T-shirt und einen blauen Turban um den Kopf gewickelt.

Der pakistanische Menschenrechtsverteidiger Seengar Noonari

Der freiberufliche Journalist Stanislav Assev wird seit dem 2. Juni in der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" im Osten der Ukraine vermisst. Seine Familie und Freund_innen befürchten, dass er von den dortigen De-Facto-Behörden inhaftiert wurde und ihm Folter und andere Misshandlungen drohen.

Appell an

BOTSCHAFT DER UKRAINE

S.E. Herrn Andrii Melnyk

Albrechtstraße 26

10117 Berlin

Sende eine Kopie an

OMBUDSFRAU DER "VOLKSREPUBLIK DONEZK"

Daria Morozova

Donetsk, UKRAINE

E-Mail: ombudsman_dnr@mail.ru

Amnesty fordert:

  • Bitte geben Sie umgehend den Verbleib von Stanislav Aseev bekannt. Sollte er sich im Gewahrsam Ihrer Behörden befinden, halten Sie ihn bitte nicht weiter willkürlich in Haft.
  • Beenden Sie bitte umgehend die Praxis der willkürlichen Inhaftierung von Zivilpersonen und weitere Menschenrechtsverletzungen wie Folter und andere Misshandlungen durch Angehörige der Streitkräfte unter Ihrer Kontrolle.

Sachlage

Der freiberufliche Journalist Stanislav Assev wird seit dem 2. Juni in der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" im Osten der Ukraine vermisst. Seine Familie und Freund_innen befürchten, dass er von den dortigen De-Facto-Behörden inhaftiert wurde und ihm Folter und andere Misshandlungen drohen.

Stanislav Assev ist ein freiberuflicher Journalist aus der von Separatist_innen kontrollierten Region Donezk im Osten der Ukraine. Unter Pseudonym berichtet er vom Alltag in der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" (Donétskaya Naródnaya Respúblika - DNR). Am 2. Juni telefonierte Stanislav Aseev mit seinen Familienangehörigen und sagte ihnen, er sei schon in der Nähe von Donezk und werde sie am folgenden Tag besuchen.

Am 3. Juni tauchte Stanislav Aseev jedoch weder bei seiner Familie auf, noch ging er ans Telefon. Seine Familie suchte daraufhin seine Wohnung auf. Sie warteten stundenlang vor der Wohnung, doch er tauchte nicht auf. Am 4. Juni kehrten die Angehörigen in Begleitung der Wohnungseigentümer_in zu der Wohnung zurück. Als sie die Tür öffneten, sah die Wohnung aus, als sei sie durchsucht worden.

Die Familie von Stanislav Aseev appellierte an die örtliche Polizei und das De-Facto-Ministerium für Staatssicherheit, seinen Verbleib zu klären. Bisher haben sie keine Reaktion darauf erhalten. Sie haben zudem zwei Haftzentren in Donezk aufgesucht, konnten ihn aber auch dort nicht finden.



Seit Stanislav Aseevs letztem Anruf am 2. Juni gibt es keine überprüfbaren Informationen zu seinem Schicksal und Aufenthaltsort. Seine Angehörigen und Freund_innen befürchten, dass er sich im Gewahrsam der DNR-Behörden befindet. Ihm drohen Folter und andere Misshandlungen.



Es ist gängige Praxis des DNR-De-Facto-Ministeriums für Staatssicherheit, Menschen, die der DNR gegenüber für illoyal gehalten oder "subversiver" Aktivitäten verdächtigt werden, für 30 Tage in Haft zu nehmen. Die 30 Tage können beliebig oft verlängert werden und die Inhaftierten werden häufig ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der Konflikt in der Ostukraine begann 2014 nach der Annexion der Krim-Halbinsel durch die Russische Föderation. Im April und Mai 2014 besetzten Gegner_innen der neuen Regierung von Kiew in mehrere Städten der Regionen Donezk und Lugansk (Donbass) mehrere Gebäude, die zu den Lokalverwaltungen und Strafverfolgungsbehörden gehörten. Die Organisator_innen des Protests forderten mehr lokale Autonomie und Unabhängigkeit von der Ukraine sowie engere Bindungen zu Russland. Sie bildeten bewaffnete Gruppen und erklärten die Schaffung der "Volksrepublik Donezk" und der "Volksrepublik Lugansk". Als Reaktion begannen die Behörden in Kiew mit einer, wie sie sagten, "Antiterroroperation", die darauf abzielte, die Kontrolle über das Gebiet zurückzugewinnen.

In den selbsternannten Republiken operieren lokale Sicherheitsdienste ohne Kontrolle, nehmen Personen willkürlich fest und inhaftieren sie in eigenen Haftzentren. Oft werden die Gefangenen einer 30 Tage währenden "Verwaltungshaft" unterzogen, während der sie keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Amnesty International hat bereits Fälle dokumentiert, in denen solche Gefangene gefoltert oder in anderer Weise misshandelt wurden, um "Geständnisse" zu erpressen, die dann vor "Gericht" verwendet wurden, um sie schuldig zu sprechen.

Weitere Details über diese Praxis finden Sie in dem von Amnesty International und Human Rights Watch gemeinsam verfassten Bericht You Do Not Exist: Arbitrary detentions, enforced disappearances, and torture in eastern Ukraine, https://www.amnesty.org/en/documents/eur50/4455/2016/en/