Haft wegen Kritik
Diese Urgent Action ist beendet.
Seyoum Teshome und Taye Dendea wurden am 16. April ohne Anklage aus dem Maekelawi-Gefängnis entlassen. Die beiden waren am 8. und 15. März festgenommen worden.
Ein Ausschnitt der "Charities and Societies Proclamtion" (CSO), das die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen einschränkt
© Amnesty International
Seyoum Teshome und Taye Dendea wurden beide im März bei sich zuhause festgenommen, weil sie während des Ausnahmezustands die äthiopische Regierung kritisiert hatten.
Seyoum Teshome und Taye Dendea müssen freigelassen werden!
Appell an
Generalbundesanwalt
Getachew Ambaye
Jomo Kenyata St., P.O. Box 1370
Addis Ababa
ÄTHIOPIEN
Sende eine Kopie an
BOTSCHAFT DER DEMOKRATISCHEN BUNDESREPUBLIK ÄTHIOPIEN
S.E. Herrn Kuma Demeksa Tokon
Boothstraße 20 a, 12207 Berlin
Fax: 030-772 0626
E-Mail: Emb.ethiopia@t-online.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Seyoum Teshome und Taye Dendea umgehend und bedingungslos frei, da sie sich nur wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befinden.
- Bitte sorgen Sie dafür, dass die beiden Männer bis zu ihrer Freilassung Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und Familienangehörigen erhalten.
- Gewährleisten Sie, dass die Vorgaben des Ausnahmezustands mit internationalen und regionalen Menschenrechtsnormen und -standards übereinstimmen.
Sachlage
Seyoum Teshome, ein bekannter Blogger und Professor an der Ambo-Universität wurde bei sich zuhause auf dem Woliso-Campus in Zentraläthiopien festgenommen. Er wurde in die Hauptstadt Addis Ababa gebracht und wird dort im Maekelawi-Gefängnis festgehalten. Die Polizei teilte mit, dass er, während der Ermittlungen laufen, für 14 Tage festgehalten wird. Er wird beschuldigt, seine Profile in den Sozialen Medien dazu zu benutzen, "eine Gruppe zu organisieren, um Gewalt zu schüren". Seyoum Teshome hat verschiedene Blogs geschrieben, in denen er die äthiopische Regierung, kritisiert und diese in den Sozialen Medien und auf der Website von Amnesty International veröffentlicht.
Taye Dendea, der Leiter der Public Relations und Kommunikationsabteilung des Oromia Gerechtigkeitsbüros wurde am 15. März festgenommen, nachdem er in einem Radiointerview öffentlich gesagt hatte, dass die Tötung von 15 Personen durch Regierungskräfte in Moyale im Süden Äthiopiens am 8. März geplant gewesen sei und kein Versehen, wie die Regierung berichtet hatte. Auch er ist im Maekelawi-Gefängnis inhaftiert. Er ist noch nicht formal angeklagt und darf mit niemand Kontakt aufnehmen. Bislang hat er keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand.
Amnesty International ist darüber besorgt, dass sowohl Seyoum Teshome als auch Taye Dendea im Zusammenhang mit Äthiopiens derzeitigem Ausnahmezustand festgenommen wurden. Beide sind bekannte Regierungskritiker und waren zuvor bereits inhaftiert, weil sie die äthiopischen Behörden kritisiert hatten. Seyoum Teshome verbrachte während des letzten Ausnahmezustands, der 2016 begann, mehrere Monate in Haft. Taye Dendea hat bereits eine dreijährige und eine siebenjährige Haftstrafe verbüßt.
Hintergrundinformation
Am 15. Februar gab Premierminister Hailemariam Dessalegn bekannt, dass er zurücktreten werde. Nur wenige Tage zuvor waren Hunderte Häftlinge freigelassen worden, darunter auch Eskinder Nega und Bekel Gerba. Am darauffolgenden Tag erklärte der Ministerrat einen zweiten Ausnahmezustand und begründete dies damit, dass es nötig sei, dem völligen Zusammenbrauch von Recht und Gesetz vorzubeugen, der die verfassungsmäßige Ordnung gefährde.
Die Verkündung des Ausnahmezustands setzte eine Kommandostelle ein, welche befugt ist, durch Erlasse die konkreten Maßnahmen, Einschränkungen und Umsetzungsbereiche des Ausnahmezustands festzulegen. Der Premierminister hat den Vorsitz der Kommandostelle und der Verteidigungsminister fungiert als Sekretär. Die übrigen Mitglieder der Kommandostelle sind der stellvertretende Premierminister, der Polizeipräsident sowie der Leiter des sudanesischen Geheimdienstes. Unter der Verkündung hat der Kommandoposten weitreichende Befugnisse von einer Reihe menschenrechtlicher Verpflichtungen abzuweichen und er gibt eine Liste von Einschränkungen vor, die die Kommandostelle durch Erlasse verhängen kann. Die Befugnisse haben das Ziel:
1. Die Veröffentlichung und Verbreitung jeglichen Materials zu verbieten, das dazu dient, 'Misstrauen und Uneinigkeit unter den Menschen zu säen".
2. Die öffentliche Ausstellung von Materialien und Nachrichten zu verbieten, die "Gewalt schüren, darunter auch Darstellungen von Körperteilen".
3. Kommunikationsmittel können geschlossen oder beendet werden.
4. Verhüten öffentlicher Proteste und Demonstrationen, Versammlungen und Gruppenbewegungen, um Frieden und Ruhe zu erhalten.
5. Die Festnahme ohne richterlichen Haftbefehl von Personen, die verdächtigt werden, in irgendeiner Weise an der Vorbereitung und Beauftragung von Verbrechen gegen die Verfassung und verfassungsmäßige Ordnung und die Befugnis, Ermittlungen und die Strafverfolgung von Personen vor regulären Zivilgerichten anzuordnen, beteiligt gewesen zu sein.
6. Anordnung ohne Gerichtsbeschluss der Durchsuchung und Beschlagnahmung von jedwedem Material, das bei der Verübung eines Verbrechens eingesetzt wurde oder werden sollte. Alle Gebäude, darunter auch Wohnhäuser und Transportmittel sowie andere Orte können durchsucht und beschlagnahmt werden. Alle beschlagnahmten Gegenstände werden dem Besitzer nach den Ermittlungen zurückgegeben und ggf. als Beweismaterial im Strafverfahren verwendet.
7. Verhängen von Ausgangssperren.
8. Anordnung von vorübergehenden Schließungen von Straßen und öffentlichen Transportmitteln und vorübergehende Schließung des Zugangs zu bestimmten Orten.
9. Veranlassung von Maßnahmen, um den Schutz der Regierungsinstitutionen und der öffentlichen Infrastruktur zu gewährleisten.
10. Das Verbot des Tragens gefährlicher Waffen und brennbarer Substanzen an bestimmten Orten.
11. Wiederaufbau von Verwaltungsstrukturen und -anlagen, die in vielen Landesteilen aufgrund der jüngsten Gewalt zusammengebrochen sind. Die Neuansiedlung von Binnenvertriebenen aufgrund der Angriffe gegen bestimmte Ethnien in manchen Landesteilen in Zusammenarbeit mit den Regionalregierungen.
12. Das Erlassen von Maßnahmen zum Schutz von Dienstleistern, Geschäften und Privathäusern vor gewalttätigen Angriffen und Einschüchterungen.
13. Das Sicherstellen der störungslosen Bewegung und des Transports von Grundgütern und -dienstleistungen.
14. Das Sicherstellen von Transporten auf Straßen.
15. Vorbeugen gegen störende Vorkommnisse, die den normalen Betrieb von Schulen und Universitäten beeinträchtigen.
16. 'Ergreifen aller nötigen Maßnahmen', um die Verfassung und die verfassungsmäßige Ordnung zu schützen und den Frieden und die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten.
Der Erlass unterbindet das Berichten durch Organe der Bundes- und Regionalregierungen über Sicherheitsfragen ohne die Erlaubnis der Kommandostelle. Eine weitere Einschränkung der freie Meinungsäußerung umfasst das Verbot 'die Verkündung des Ausnahmezustands und des Erlasses zu kritisieren'. Der Erlass ermächtigt zudem die Ordnungskräfte mit Befugnissen, den Ausnahmezustand umzusetzen.