Todesurteil bestätigt

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 15. November wurde der Aktivist Xu Youchen hingerichtet. Einen Monat zuvor hatte das Oberste Volksgericht das Todesurteil gegen ihn bestätigt.

Amnesty-Todesstrafen-Stastik 2016

Die fünf Länder mit den meisten Hinrichtungen weltweit im Jahr 2016

Xu Youchen droht unmittelbar die Hinrichtung, nachdem das Hohe Volksgericht der Provinz Henan das Todesurteil im Berufungsverfahren bestätigt hat. Der Fall wird nun vom Obersten Volksgericht geprüft. Falls dieses die Entscheidung bestätigt, wird Xu Youchen hingerichtet. Im Berufungsverfahren sagte Xu Youchen aus, dass er durch Folter dazu gezwungen wurde, die Straftat zu "gestehen".

Appell an

Guo Shengkun Shuji     

Zhonggong Zhongyang Zhengfawei

14 Dengshikou Xijie, Dongcheng Qu

Beijing Shi 100006

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Vorsitzender des ständigen Ausschusses des Nationalkongresses

Zhang Dejiang Weiyuanzhang

Quanguo Renda Changwu Weiyuanhui

Bangongting, 23 Xijiaomin Xiang, Xicheng Qu   

Beijing Shi 100805, VOLKSREPUBLIK CHINA

E-Mail: english@npc.gov.cn

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Mingde Shi


Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

           oder de@mofcom.gov.cn

Amnesty fordert:

  • Stoppen Sie bitte umgehend die Vollstreckung des Todesurteils gegen Xu Youchen.
  • Bitte gewähren Sie Xu Youchen ein Neuverfahren im Einklang mit internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe und stellen Sie sicher, dass er weder gefoltert noch anderweitig misshandelt wird.
  • Verhängen Sie bitte umgehend ein offizielles Hinrichtungsmoratorium mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen, wie es dem Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2007 entspricht, und wandeln Sie alle bestehenden Todesurteile um.

Sachlage

Xu Youchen hatte beim Hohen Volksgericht der Provinz Henan Rechtsmittel eingelegt. Diese wurden am 12. Dezember abgelehnt und sein Schuldspruch der vorsätzlichen Tötung, sowie das Todesurteil bestätigt. Der Fall wird nun vom Obersten Volksgericht geprüft. Falls dieses die Entscheidung bestätigt, wird Xu Youchen hingerichtet. Seit er schuldig gesprochen wurde, ist er ständig an Händen und Füßen gefesselt, wie es in China bei Häftlingen üblich ist, die zum Tode verurteilt wurden.

Während des zweiten Verfahrens im Mai 2017, das nur vier Stunden dauerte, sagte Xu Youchen aus, dass er von der Polizei gefoltert worden sei. Damit sollte er zu dem "Geständnis" gezwungen werden, dass er ein Messer gekauft hatte, um aus Rache einen Polizisten anzugreifen. Sein Rechtsbeistand beantragte, die rechtswidrig erlangten Beweise gemäß der chinesischen Strafprozessordnung aus dem Verfahren auszuschließen. Stattdessen betrachtet das Hohe Volksgericht der Provinz Henan diese belastende Aussage als Beweis dafür, dass Xu Youchen sich der vorsätzlichen Tötung schuldig gemacht hat. Im Schuldspruch steht zudem, das Gericht habe polizeiliche Aufzeichnungen berücksichtigt, denen zufolge Xu Youchen während eines Verhörs gesagt haben soll, die Polizei habe ihn während des Verhörs, in dem er die belastende Aussage machte, weder physisch noch verbal misshandelt.

Der 57-jährige Xu Youchen und seine Frau wurden am 17. Juli 2014 von den Behörden in ihre Heimatstadt Jiaozuo in der Provinz Henan eskortiert, nachdem sie bei den Regierungsbehörden in Beijing eine Petition eingereicht hatten, um einen Vertragsstreit beizulegen, bei dem es um den Gebäudekomplex Zhongnanhai geht, in dem sich die Zentrale der Kommunistischen Partei Chinas befindet. Als Xu Youchen sich dagegen wehrte, gewaltsam aus dem Transporter entfernt zu werden, wurde dabei ein Polizist mit einem Messer verletzt. Er starb noch in derselben Nacht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Xu Youchen legte dem Hohen Volksgericht der Provinz Henan bei seinem Berufungsverfahren am 18. Mai 2017 eine 55 Seiten lange Aussage vor, in der er beschreibt, wie er während seiner Haft im Jahr 2014 von der Polizei gefoltert wurde. Eine Bitte seines Rechtsbeistands um Kopien der Überwachungsvideos vom Tatort und den Verhören durch die Strafverfolgungsbehörden, um zu überprüfen, ob Xu Youchen während der Verhöre gefoltert wurde, lehnten sowohl das Gericht des ersten Verfahrens als auch das Hohe Volksgericht der Provinz Henan ab. Laut Angaben von Xu Youchen unterschrieb er die von der Polizei verfasste, belastende Aussage und "gestand" damit, dass er ein Messer gekauft habe, um aus Rache einen Polizisten anzugreifen, nachdem er zuvor brutal verprügelt und zur Einnahme von Drogen gezwungen worden war. Nach dem Völkerrecht ist es verboten, Folter und andere Misshandlung anzuwenden und belastende Aussagen, die dadurch erlangt werden, vor Gericht als Beweismittel einzusetzen.

Das chinesische Petitionssystem ermöglicht es Einzelpersonen, durch die Eingabe von Petitionen Entschädigungen für erlittenes Unrecht direkt bei den Regierungsbehörden einzufordern. Xu Youchen und seine Frau, Zhang Xiaoyu sind langjährige Petitionseinreichende. Die chinesischen Behörden sperrten sie schon viele Male willkürlich in "schwarze Gefängnisse", also inoffizielle Hafteinrichtungen. Sie wurden auch in Arbeitslager zur Umerziehung gesteckt, ein nicht mehr existierendes System, um Menschen ohne Strafverfahren zu inhaftieren und zu bestrafen. Die Regierung hat die Anklagen gegen Zhang Xiaoyu bezüglich der Tötung des Polizisten zwar fallenlassen und sie auf freien Fuß gesetzt, doch sie wurde im August 2015 erneut festgenommen, diesmal wegen der 2014 eingereichten Petition und am 22. Dezember 2016, dem Tag, an dem Xu Youchen zum Tode verurteilt wurde, zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie schuldig befunden wurde, "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben".

Die gründliche Untersuchung China’s Deadly Secrets, die Amnesty International im April 2017 veröffentlichte, zeigt, dass die chinesischen Behörden ein ausgeklügeltes System der Geheimhaltung nutzen, um das Ausmaß der Hinrichtungen zu verschleiern, obwohl China behauptet, Fortschritte bei der Transparenz seines Strafrechtsystems zu machen. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass Hunderte von Hinrichtungen, über die in den Medien berichtet wird, in der Nationalen Online-Datenbank der Gerichte China Judgements Online fehlten, obwohl diese als großer Fortschritt in der Transparenz der chinesischen Justiz angekündigt worden war. Die neue öffentliche staatliche Datenbank ist zwar ein positiver erster Schritt, trägt aber nur wenig dazu bei, den Schleier der staatlich verordneten Geheimhaltung zur Anwendung der Todesstrafe im Land zu lüften.

2009 stellte Amnesty International die Veröffentlichung von Zahlen der geschätzten Hinrichtungen in China ein, da die Anwendung der Todesstrafe als Staatsgeheimnis gilt. Stattdessen fordert die Organisation die chinesischen Behörden unablässig auf, ihre Behauptung, dass sie weniger Hinrichtungen durchführen, durch die Veröffentlichung eigener Zahlen zu belegen.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode.  Die Todesstrafe stellt die größtmögliche Verletzung der Menschenrechte dar. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und stellt die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen dar.

Bis heute haben 142 Staaten die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. Der Großteil der Länder der Welt (105) hat diese Form der Bestrafung vollständig aus ihren Gesetzesbüchern gestrichen.

Folter und andere Misshandlungen sind in allen chinesischen Hafteinrichtungen nach wie vor an der Tagesordnung, obwohl China 1988 die Antifolterkonvention der UN ratifiziert hat. Amnesty International erhält regelmäßig Berichte über Todesfälle im Gewahrsam in einer Vielfalt staatlicher Einrichtungen wie Gefängnissen und polizeilichen Haftzentren. Viele dieser Todesfälle sollen die Folge von Folter sein.