Amnesty Journal 19. Mai 2011

Spannungsreiches Erzählen

15 Filme waren für den Amnesty-International-Filmpreis nominiert. Eine Übersicht von Jürgen Kiontke.

Unter den Berlinale-Filmen, die für den diesjährigen Amnesty-International-Filmpreis nominiert waren, waren auch einige Wettbewerbsbeiträge, so etwa der Berlinale-Gewinner "Nader und Simin: Eine Trennung". Der Film des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi vermittelt einen Einblick in eine Gesellschaft, deren Rechtsvorschriften anhand der geplanten Scheidung eines Mittelschicht­ehepaares geschildert werden. Die Spannungen in der Gesellschaft treten in den Gerichtsszenen ebenso zutage wie in der Darstellung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse iranischer Familien. Aus dem Nichts entsteht eine Mordanklage, die Todesstrafe steht im Raum. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen der diesjährigen Berlinale ist "Nader und Simin" zudem rasant und spannend erzählt.

Ebenfalls im Wettbewerb liefen "Odem (Lipstikka)", ein Film über die schwierigen Bedingungen in den von Israel besetzten Gebieten, und "The Forgiveness of Blood": Eine albanische Familie kämpft mit den Folgen und Gegebenheiten der Blutrache. "El Premio" aus Mexiko thematisiert die argentinische Militärdiktatur aus der Sicht eines kleinen Mädchens.

Highlights der Amnesty-Nominierungsliste waren außerdem die Beiträge "Territoire perdu" und "State of Violence". Der erste der genannten Filme enthält selten gezeigte Bilder aus der umkämpften Westsahara, entlang eines 2.400 Kilometer langen Sandwalls. Unzählige Menschen leben hier seit Jahrzehnten in Flüchtlingslagern. Regisseur Pierre-Yves Vandeweerd präsentiert Super-8- und Schwarzweiß-Aufnahmen von diesem von der Weltöffentlichkeit völlig vergessenen Konflikt. "State of Violence" aus Südafrika zeichnet die Entwicklung von Menschen in Südafrika nach dem Ende der Apartheid im Stile eines Polit-Thrillers nach: Die ehemaligen Township-Kämpfer sind zu Neureichen geworden, die Verhältnisse sind gewalttätig.

Weitere für den Amnesty-Filmpreis nominierte Filme waren "Halaw", der sich mit Migranten auf den Philippinen beschäftigt, "Traumfabrik Kabul" über den Alltag einer afghanischen Regisseurin und Polizistin sowie "El Mocito", ein Dokumentarfilm über einen ehemaligen chilenischen Polizisten, der schon als Junge zum Folterer wurde.

Neben dem Gewinner des Amnesty-International-Filmpreises "Barzakh" (siehe Seite 60) liefen in der Festival-Sparte Panorama die nominierten Filme "Mama Africa", eine Dokumentation über die Sängerin Mirjam Makeba, und der mazedonische Episodenfilm "Majki". Der Dokumentarfilm "Zai Yi Qi – Toge-ther" gewährt Einblicke in das Leben Aids-Kranker und HIV-Positiver in China. Beeindruckend auch der spanische Film "También la lluvia", dem die geschickte Verknüpfung zweier Plots gelingt: Ein Filmteam, das sich in Bolivien der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus widmet, gerät in die Wirren des "Wasserkrieges" von Cochabamba: Die Bevölkerung dieser Stadt wehrt unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen die Übernahme der Wasserversorgung durch einen Großkonzern ab.

Bedrückend dagegen der Film "Man at Sea": Er inszeniert das Schicksal illegalisierter Flüchtlinge in Nordafrika als Beziehungsdrama. Ein Kapitän hat die Menschen aus dem Meer gefischt – nun kämpft er mit den Spannungen an Bord seines Öl­tankers. Denn niemand will das Schiff in den Hafen lassen – es sei denn, die dort sich herumtreibenden Organhändler, die ein Geschäft wittern.

Insgesamt lieferte die diesjährige Berlinale eine beeindruckende Bandbreite an Filmen, die das Thema Menschenrechte spannungsreich ins Bild setzten.

Weitere Artikel