Aktuell Blog 03. Juli 2023

Bonner Klimakonferenz: "Es gibt noch sehr viel zu tun"

Das Bild zeigt das Porträtbild einer Frau

"Aufgeben ist keine Lösung": Die Klimaaktivistin Tina Taylor-Harry bei der Bonner Klimakonferenz im Juni 2023.

Vom 5. bis 15. Juni 2023 fand die Bonner Klimakonferenz statt – mit dem Ziel die nächste Weltklimakonferenz im Dezember 2023 in Dubai vorzubereiten. Verschiedene Themen kamen in Bonn zur Sprache wie das Pariser Klimaschutzabkommen und dessen bisherige Umsetzung. Auch die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen und die Entschädigung von Ländern, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, waren Teil der Diskussionen. Tina Taylor-Harry, Klimaaktivistin und Mitglied der Amnesty-Themengruppe Klimakrise und Menschenrechte, hat an der Konferenz teilgenommen.

Wir erleben derzeit Rekordtemperaturen der Meeresoberfläche, hohe Lufttemperaturen und ungekannt geringe Vorkommen von Meereis. Steigende Emissionen haben beispiellose Auswirkungen auf das Klima, in dem wir heute leben. Gleichzeitig sind Maßnahmen zur Lösung der Klimakrise auf Basis der UN-Klimarahmenkonvention und des Pariser Abkommens noch weit vom Ziel entfernt. Der Handlungsbedarf könnte nicht größer sein, Staaten müssen dringend ihr Handeln und ihre Ambitionen intensivieren.

Meine Teilnahme an der Bonner Klimakonferenz, wo ich Diskussionen über einen gerechten Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien, über Verluste und Schäden sowie Finanzfragen verfolgen konnte, war eine einzigartige Gelegenheit für mich.

Ich bin froh darüber, dass alle Parteien bei der Bonner Klimakonferenz gemeinsam eine Agenda für die UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) aufgestellt haben. Es ist eine Schande, dass Eindämmungsmaßnahmen nicht auf der Tagesordnung standen, aber irgendeine Agenda zu haben ist besser als gar keine Agenda. Eine Einigung zu erreichen, dauerte sehr lange. Allerdings war es großartig, den Kompromiss aller Parteien zu sehen. Nun besteht noch Verbesserungspotenzial mit Blick auf die Agenda und es ist noch sehr viel zu tun vor der COP28.

Tweet von Kristina Hatas, Fachreferentin von Amnesty für Menschenrechte im digitalen Zeitalter und Rüstungsexportkontrolle.

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Bei der Bonner Klimakonferenz waren viele Jugendliche und auch Kinder anwesend, was eine bedeutende Verbesserung darstellt. Aber wir brauchen sie auch direkt am Verhandlungstisch, nicht nur in der Beobachter*innenrolle. Junge Menschen sind nicht in dem Maße beteiligt, in dem sie es sein sollten, weil so viele Jugendliche kein Visum bekommen haben und daher nicht teilnehmen konnten. Außerdem sollte den Jugendlichen die finanzielle Last abgenommen werden und derartige Konferenzen sollten zugänglicher gestaltet werden. Die meisten Mittel für die Teilnahme an diesen Konferenzen kommen von Nichtregierungsorganisationen und Non-Profit-Organisationen, aber es sollte auch Finanzierung von Seiten der Regierungen angeboten werden.

Die Prozesse im Rahmen der Klimarahmenkonvention sind oft losgelöst von der Lebensrealität der Menschen, die aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels unter katastrophalen Bedingungen leben. Alle Teile der Welt sind von den Konsequenzen des Klimawandels betroffen. Dem Weltklimarat IPCC zufolge stellt er für mindestens 3,3 Milliarden Menschen ein besonderes Risiko im Alltagsleben dar. Jedoch sind im Globalen Süden lokale Gemeinschaften, Migrant*innen, Kinder, Frauen, Menschen mit Behinderungen, Bewohner*innen kleiner Inseln und Menschen in Entwicklungsländern unverhältnismäßig stark durch die Effekte des Klimawandels gefährdet. Diese vulnerablen Bevölkerungsgruppen drohen bei Gesprächen über den Klimawandel außen vor gelassen zu werden.

Um etwas über meinen persönlichen Hintergrund zu sagen: Ich entstamme einer Generation von Fischerleuten aus dem Nigerdelta im nigerianischen Bundesstaat Rivers. Als Vierjährige fand ich mich mitten im Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen Andoni und Ogoni wieder und sah Dinge, die kein Kind sehen sollte. Grund dafür waren Streitigkeiten über Wasserläufe und Fischgründe. Außerdem verlor ich aufgrund der Folgen der Ölförderung durch Shell und andere Konzerne meine Mutter. Sie starb an Typhus und mein Vater ging keine neue Ehe ein, daher zog ich mich selbst groß, weil er wegen seiner Arbeit selten zuhause war.

Weißes lädiertes Schild mit pinker Schrift und einem Ausrufezeichen in einem Dreieck, inmitten grüner Pflanzen. Text auf dem Schild: "Warning! Do not drink, fish or swim here"

Warnschild an einem mit Öl verseuchten Flussarm im Niger-Delta in Nigeria (Archivbild)

Heute studiere ich an der Universität in Kiel und zwar den Master-Studiengang "Sustainability, Society and the Environment". Ich habe schnell gemerkt , dass die Erfahrungen meiner Kindheit einen direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel haben. Ich will die Menschen für die Auswirkungen des Klimawandels sensibilisieren und darüber aufklären. Auch deshalb bin ich im Mai 2021 der Amnesty-Themenkoordinationsgruppe Klimakrise und Menschenrechte beigetreten.

Die Ölförderung durch Shell in Nigeria hat sich verheerend auf das dortige Ökosystem und das Alltagsleben der Menschen ausgewirkt. Die Menschen im Nigerdelta leben ohne Elektrizität, während ihrem Boden Öl und Energie im Wert von Milliarden von Dollar entnommen und an reiche Länder des Globalen Nordens geliefert werden. Die Ölkonzerne hinterlassen eine Spur von Armut, Verschmutzung, Zerstörung und Menschenrechtsverstößen. Landwirtschaftliche Flächen und Gewässer sind verschmutzt, und die Mangrovensümpfe, ein wichtiger Teil des Ökosystems und eine Quelle von Bau- und anderen Materialien, sind vom Verschwinden bedroht.

Gleichzeitig hat die durch die Öl- und Erdgasindustrie verursachte Umweltverschmutzung zur Verseuchung des Grundwassers geführt, was Durchfall- und Typhusausbrüche nach sich zog. Öllecks und Gasabfackelung haben die Fischbestände dezimiert und die Bodenfruchtbarkeit ruiniert. Unter ländlichen Bäuer*innen und Fischerleuten in Nigeria ist die Redewendung "Öl ist ein Fluch" weit verbreitet. Die Bewohner*innen des Nigerdeltas erfahren dies in Verbindung mit den verheerenden Auswirkungen der Klimakrise aus erster Hand.

Dies ist ein perfektes Beispiel für Klimaungerechtigkeit, da Länder wie Nigeria im Verhältnis zu ihren Treibhausgasemissionen unverhältnismäßig stark unter den Effekten des Klimawandels zu leiden haben. Und in der Folge werden die Rechte der Bevölkerung des Globalen Südens immer stärker untergraben. Erst wenn der Globale Norden die Menschenrechte auch in Entwicklungsländern achtet und aufrechterhält, können die Auswirkungen des Klimawandels auf gerechte Weise bewältigt werden, ohne dass Teile der Welt benachteiligt werden.

In gelb gekleidete Demonstrierende halten ein Banner mit der Aufschrift: "Climate Crisis = Human Rights Crisis"

Die reichen Länder Nordamerikas und Europas müssen den stark gefährdeten Ländern bei der Bewältigung der Klimafolgen helfen, da sie den nötigen Einfluss, die Mittel und das Wissen haben, um auf den Klimawandel zu reagieren. Obwohl der Anteil der meisten Entwicklungsländer am Klimawandel vernachlässigbar ist, sind sie bereit, die Klimakrise zu bekämpfen, und brauchen hierfür die Unterstützung des Globalen Nordens.

Aus meiner Sicht sind für mehr Klimagerechtigkeit die folgenden Verhandlungsergebnisse notwendig:

  • Entwicklungsländern muss mehr Klimafinanzierung zur Verfügung gestellt werden, damit sie in der Lage sind, Eindämmungs- und Anpassungsmaßnahmen zu etablieren.
  • Der Fonds für Verluste und Schäden ("Loss and Damage Fund") muss so schnell wie möglich operationalisiert werden und im weiteren Verlauf muss sichergestellt werden, dass die Mittel die vulnerabelsten Gruppen erreichen.
  • Das "Just Transition Work Programme" muss die Bedürfnisse der Entwicklungsländer berücksichtigen und sie gleichzeitig zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und zur Umstellung auf erneuerbare Energien und Ressourcen bewegen.
  • Mittel sollten in Form von Zuschüssen und Schenkungen anstelle von Darlehen bereitgestellt werden.

Darüber hinaus bietet ein Nichtverbreitungsvertrag für fossile Energien einen einfachen Vorschlag für einen expliziten Stopp der weiteren Ausbreitung fossiler Brennstoffe, um zu einem globalen gerechten Wandel beizutragen. Wir brauchen eine strategische Herangehensweise, die im Kampf gegen die Klimakrise nichts unversucht lässt.

Die Menschheit muss handeln und den Jugendlichen und Aktivist*innen, die sich für einen Wandel im Hinblick auf die Umwelt einsetzen, zuhören. Aufzugeben ist keine Lösung, wie die Jugend im Pazifik sagt: "Wir ertrinken nicht, wir kämpfen."

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