Aktuell Nicaragua 24. November 2010

Nicaragua: Das Schweigen brechen

Tag gegen Gewalt an Frauen
In den letzten zehn Jahren waren zwei Drittel der Opfer sexueller Gewalt in Nicaragua nicht über 17 Jahre alt

In den letzten zehn Jahren waren zwei Drittel der Opfer sexueller Gewalt in Nicaragua nicht über 17 Jahre alt

25.11. 2010 - Gewalt in der Familie und sexueller Missbrauch von Frauen und Mädchen sind in Nicaragua immer noch Tabuthemen. Es gibt kein Gesetz, das körperliche Züchtigung verbietet - das Familienleben gilt als Privatsache. Die Betroffenen trauen sich nicht, über Vergewaltigung zu sprechen. Frauen und Mädchen, die um Hilfe bitten, werden bedroht und ausgestoßen. Werden sie schwanger und möchten die Schwangerschaft nicht fortführen, droht ihnen Gefängnis. Hilfe für Vergewaltigungsopfer, die Mütter werden, gibt es kaum.

In dem neuen Bericht Listen to their Voice and Act: Stop the Rape and Sexual Abuse of Girls in Nicaragua dokumentiert Amnesty International zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November das erschreckende Ausmaß sexueller Gewalt in Nicaragua. Zwei Drittel der Opfer sind unter 17 Jahre alt, 90 Prozent der Täter sind Familienangehörige. Laut Statistiken der Polizei von Nicaragua wurden zwischen 1998 und 2008 mehr als 14.000 Fälle gemeldet. Hinzu kommt eine ungleich höhere Dunkelziffer, denn sexuelle Gewalt ist weiterhin ein Tabu.

Der Bericht schildert, wie die betroffenen Frauen um Gerechtigkeit und Beratung und Betreuung kämpfen müssen. Ihre Aussagen machen deutlich, dass der Staat den Opfern sexueller Gewalt nicht genug Hilfe anbietet, um wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Stattdessen werden die Opfer von der Gesellschaft stigmatisiert. Weil Sex immer noch ein Tabuthema ist, haben die Mädchen Hemmungen, über ihre Qualen zu sprechen.

"Jeden Tag leiden Mädchen in Nicaragua lieber still unter sexueller Gewalt, als die Ablehnung zu riskieren", so Esther Major, Nicaragua-Expertin bei Amnesty International.

Darüber hinaus kriminalisierte die jetzige nicaraguanische Regierung 2008 jegliche Formen der Abtreibung. Das Gesetz nötigt Mädchen unter Androhung von Gefängnisstrafen dazu, ihre Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung fortzusetzen, auch wenn die Schwangerschaft ein Risiko für ihr Leben und ihre Gesundheit darstellt.

Amnesty fordert die Regierung von Nicaragua auf, sicherzustellen, dass die erlebte Gewalt nicht das gesamte Leben der Opfer bestimmt. "Die Regierung muss ein klares Zeichen senden, dass sexuelle Gewalt niemals die Schuld des Opfers ist, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden und dass den Opfern die Hilfe zukommt, die sie benötigen", fordert Major

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