Amnesty 28. Mai 2011

Wenn die Bulldozer kommen

Rechtswidrige Zwangsräumung in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh

Rechtswidrige Zwangsräumung in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh

Mit ohrenbetäubendem Lärm fressen sich die Bagger und Bulldozer mit ihren Schaufeln und Ketten durch den Slum. Motoren heulen auf, Holz und Glas zersplittern, Wände stürzen ächzend ein. Schreiend laufen Menschen durch die engen Gassen der Hafensiedlung Njemanze in der nigerianischen Millionenstadt Port Harcourt. Einige von ihnen können gerade noch ein paar Gegenstände aus ihren Häusern und Hütten retten, bevor diese dem Erdboden gleichgemacht werden. Rund 30 schwerbewaffnete Soldaten und Polizisten schützen die Fahrzeuge und hindern die Bewohnerinnen und Bewohner immer wieder daran, ihre Habseligkeiten zu retten. Männer in Zivil schlagen mit Peitschen auf die Leute ein und legen Brände. Die Sicherheitskräfte lassen sie gewähren. Am Ende des Tages haben über 13.000 Menschen kein Zuhause mehr.

Die Zwangsräumungen vom 28. August 2009 waren nach internationalem Recht illegal. Die Behörden hatten die Bewohnerinnen und Bewohner weder rechtzeitig über die Aktion informiert, noch ihnen Entschädigungszahlen oder angemessene Ersatzunterkünfte angeboten. Durch den Abriss der Siedlung soll Platz geschaffen werden für ein großes Hafenbauprojekt. Auch Geschäfts- und Freizeitzentren sind geplant. Daher droht weiteren 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern von Port Harcourt die Zwangsräumung.

Sie teilen ihr Schicksal mit Millionen Menschen weltweit. So wurden in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh in den vergangenen Jahren Zehntausende Menschen systematisch aus dem Zentrum vertrieben. Sie wurden außerhalb der Stadt angesiedelt, während im Zentrum Luxusappartements entstehen sollen. In Kenias Hauptstadt Nairobi bereiten die Behörden eine Zwangsräumung vor, die 127.000 Menschen betrifft. Die meisten von ihnen leben in Kibera, dem größten Slum der Stadt. Im rumänischen Miercurea Ciuc vertrieben die Behörden 2004 mehr als hundert Roma aus einem Gebäude in der Stadtmitte. Sie wurden außerhalb der Stadt in Containern untergebracht, in unmittelbarer Nähe einer Kläranlage. Sie wohnen dort noch immer.

Für all diese Menschen setzt sich Amnesty mit der Kampagne "Wohnen. In Würde" ein. Die Organisation spricht mit Regierungsvertreterinnen und -vertretern und startet Eilaktionen, wenn eine Zwangsräumung bevorsteht. So konnten 30.000 Menschen aus aller Welt mit einer Petition im September 2010 eine weitere Zwangsräumung in Port Harcourt verhindern. Doch ist es noch ein weiter Weg, um die Verantwortlichen zum Umdenken zu bringen. Das beweist nicht zuletzt eine Aussage des Gouverneurs von Port Harcourt gegenüber Amnesty: "Wir schaffen die Menschen einfach weg. Um Ersatzunterkünfte müssen sie sich dann selber kümmern."

Viele Menschen betreiben in ihren Unterkünften kleine Geschäfte und Werkstätten. Verlieren sie ihr Zuhause, verlieren sie auch ihre Einkommensquelle. "Die Behörden zerstören durch die Zwangsräumungen nicht nur die Häuser der Menschen", so Amnesty-Experte Tawanda Hondora. "Sie zerstören auch ihre Zukunft."

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