Lehrer droht Todesstrafe

Frauen mit hochgehaltenen Fäusten rufen etwas

Gegen den sehbehinderten Religionslehrer Matar Younis Ali Hussein wurde nach dem sudanensischen Strafgesetzbuch von 1991 wegen drei Straftaten Anklage erhoben. Für zwei dieser Straftraten drohen ihm im Sudan die Todesstrafe oder lebenslange Haft. Matar Younis Ali Hussein wurde am 1. April offenbar wegen seiner Kritik an der Regierungspolitik in der Region Darfur verhaftet. Es besteht nach wie vor die Gefahr, dass ihm in der Haft Folter und andere Formen der Misshandlung drohen.

Appell an

Präsident

HE Omar Hassan Ahmad al-Bashir

Office of the President

People's Palace, PO Box 281

Khartoum, SUDAN

Sende eine Kopie an

Innenminister

Ibrahim Mahmoud Hamid

Ministry of Interior


PO Box 873, Khartoum

SUDAN

Botschaft der Republik Sudan

S.E.Herrn


Badreldin Abdalla Mohamed Ahmed A. Alla

Kurfürstendamm 151, 10709 Berlin

Fax: 030-890 69 823

E-Mail: sudani-embassy@hotmail.com

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Matar Younis Ali Hussein bitte umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie alle Anklagen gegen ihn fallen, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur aufgrund der friedlichen Ausübung seines Rechts auf Meinungsfreiheit in Haft befindet.
  • Gewähren Sie Matar Younis Ali Hussein bis zu seiner Freilassung regelmäßigen Zugang zu seinen Familienangehörigen und einem Rechtsbeistand seiner Wahl.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird.
  • Bitte lassen Sie alle Gefangenen in Darfur frei, die sich nur in Haft befinden, weil sie ihre Menschenrechte friedlich wahrgenommen haben.

Sachlage

Der unter einer Sehbehinderung leidende Matar Younis Ali Hussein ist ein 48-jähriger Religionslehrer und Vater von acht Kindern. Er wurde am 24. Juni dieses Jahres nach dem sudanesischen Strafgesetzbuch von 1991 wegen angeblicher "Untergrabung des Verfassungssystems" (Artikel 50) und "Kriegsführung gegen den Staat" (Artikel 51) angeklagt. Für diese beiden Straftaten drohen ihm die Todesstrafe oder lebenslange Haft. Außerdem ist er wegen "Spionage" gemäß Artikel 53 des Strafgesetzbuches angeklagt.

Bis zu seiner Inhaftierung äußerte Matar Younis Ali Hussein scharfe Kritik an der Regierungspolitik in der Region Darfur und forderte den Schutz von Binnenvertriebenen. Der sudanesische Geheimdienst NISS (National Intelligence and Security Services) hatte ihn am 1. April in Zalingei, der Hauptstadt des Bundesstaates Zentral-Darfur, festgenommen. Einige Tage später wurde er ins Kober-Gefängnis nach Khartum überführt, wo er bis zu seiner Verlegung Ende Mai in eine Hafteinrichtung der Anklagebehörde für staatsgefährdende Straftaten in Khartum inhaftiert blieb. Nachdem er am 24. Juni angeklagt worden war, wurde er zurück ins Kober-Gefängnis verlegt.

Seinem Rechtsbeistand zufolge haben ihn NISS-Agenten am 10. Juli erneut in die Hafteinrichtung der Anklagebehörde für staatsgefährdende Straftaten überführt.

Amnesty International betrachtet Matar Younis Ali Hussein als einen gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet. Amnesty International befürchtet außerdem, dass Matar Younis Ali Hussein unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten wird und er aufgrund seiner fortgsetzten und anhaltenden Inhaftierung Folter und anderen Formen der Misshandlung ausgesetzt sein könnte. Sein Prozess ist für den 12. Juli in Khartum anberaumt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Tötungen, Entführungen, und willkürliche Festnahmen von Binnenvertriebenen und anderen Zivilpersonen, sowie sexualisierte Gewalt und Plünderungen, sind in Darfur nach wie vor weit verbreitet.

Trotz der glaubhaften Informationen zur Menschenrechtslage in Darfur beschreibt die sudanesische Regierung die Sicherheitslage dort immer wieder als verbessert und "stabil". Am 28. Juni veröffentlichte Amnesty International exklusive Satellitenbilder und Aufnahmen, die schwere Schäden durch anhaltende Angriffe auf Dörfer in der Region zeigen. Die Aufnahmen zeigen mindestens 18 Dörfer im östlichen Teil der Region Jebel Marra in Darfur, die in den letzten drei Monaten von der Regierung und verbündeten Milizen niedergebrannt worden waren. Sie bestätigen Zeugenaussagen aus mindestens 13 betroffenen Dörfern, die zuvor von Amnesty International gesammelt wurden. Von März bis Mai 2018 kam es zu massiven Vertreibungen aufgrund der Kämpfe zwischen der Sudanesischen Befreiungsarmee Abdel Wahid (SLA-AW) und Regierungstruppen in East Jebel Marra.

Folter und andere Formen der Misshandlung, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sind in der gesamten Region Darfur weiterhin weit verbreitet. Die sudanesischen Behörden setzen diese repressiven Maßnahmen regelmäßig ein, um regierungskritische politische Aktivist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen, zivilgesellschaftlich engagierte Personen und Binnenvertriebene in Darfur zum Schweigen zu bringen und zu bestrafen. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung sind in Darfur massiv eingeschränkt. Ein weiterer Gemeindesprecher einer Gruppe Binnenvertriebener, der 46-jährige Adam Haroun Shames Eldeen, wurde am 13. Dezember 2017 vom NISS verhaftet und inhaftiert. Er sieht sich ähnlichen Anschuldigungen gegenüber wie Matar Younis Ali Hussein.

Nach dem Nationalen Sicherheitsgesetz von 2010 (National Security Act, NSA) verfügt der sudanesische Geheimdienst NISS über umfassende Befugnisse zur Festnahme und Inhaftierung von Personen. Verdächtige können bis zu viereinhalb Monate ohne gerichtliche Überprüfung festgehalten werden. Der NISS nutzt diese Befugnisse oftmals zur willkürlichen Inhaftierung von Personen und setzt viele dieser Gefangenen Folter und anderweitigen Misshandlungen aus. Dasselbe Gesetz schützt NISS-Angehörige zudem vor strafrechtlicher Verfolgung für Straftaten im Rahmen ihrer Arbeit. Dies hat zu einer Kultur der Straflosigkeit geführt. Die am 5. Januar 2015 verabschiedete Änderung von Artikel 151 der Verfassung hat die Befugnisse des NISS erweitert und die Situation noch verschärft. Durch die Änderung entwickelte sich der NISS von einer Geheimdienstbehörde, die sich auf das Einholen und die Analyse von Informationen und Beratung konzentrierte, zu einer vollwertigen Sicherheitsbehörde mit einem umfangreichen Mandat zur Ausübung einer Mischung von Funktionen, die normalerweise von den Streitkräften oder den Strafverfolgungsbehörden eines Landes wahrgenommen werden. Zudem gab dieser Schritt dem NISS uneingeschränkte Verfügungsfreiheit bei der Entscheidung, was genau eine politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedrohung darstellt und wie auf solch eine Bedrohung zu reagieren ist. Weder das NSA noch der überarbeitete Artikel 151 verlangt vom NISS bei der Ausübung seiner Tätigkeit ausdrücklich oder implizit die Einhaltung relevanter internationaler, transnationaler oder nationaler Gesetze.