Bei Auslieferung droht Folter

Schriftzug "Stop Folter", Folter dabei durchgestrichen

Aslan Yandiev wurde am 20. Januar 2011 von den slowakischen Behörden festgenommen. Kurz danach stellte die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation einen Auslieferungsantrag. Nachdem die slowakische Justizministerin diesem am 7. Februar 2018 stattgegeben hat, droht Aslan Yandiev nun unmittelbar die Auslieferung nach Russland. Dort würden ihm Folter und andere Misshandlungen drohen.

Appell an

Lucia Žitňanská

Ministry of Justice

Župné námestie 13

813 11 Bratislava

SLOWAKISCHE REPUBLIK

Sende eine Kopie an

Botschaft der Slowakischen Republik

S.E. Herr Dr. Peter Lizák

Hildebrandstraße 25

10785 Berlin

Fax: 030 889 262 22

E-Mail: emb.berlin@mzv.sk

Amnesty fordert:

  • An die Justizministerin: Bitte ziehen Sie die Entscheidung zur Auslieferung Aslan Yandievs zurück. Die Auslieferung würde die Verpflichtungen der Slowakei gemäß internationalen Menschenrechtsnormen verletzen.
  • An den Innenminister: Sorgen Sie bitte dafür, dass Aslan Yandiev unter keinen Umständen in die Russische Föderation ausgeliefert oder auf andere Weise zur Rückkehr dorthin gezwungen wird. In der Russischen Föderation wäre er dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt.

Sachlage

Amnesty International befürchtet, dass Aslan Yandiev mit der Auslieferung aus der Slowakei an die Russische Föderation dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt wäre. Am 7. Februar hat die Justizministerin der Auslieferung stattgegeben, nachdem im Jahre 2016 die Rechtsmittel gegen die Auslieferungsbescheide von slowakischen Gerichten abgelehnt wurden. Gemäß der Entscheidung der Justizministerin kann Aslan Yandiev nun jederzeit ausgeliefert werden. Die Slowakei darf nach dem Grundsatz des Non-Refoulement keine Personen innerhalb ihrer Rechtsprechung ausliefern, die im Zielland dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt wären. Ihnen steht ein faires Gerichtsverfahren zu. Mit Aslan Yandievs Auslieferung würde die Slowakei diese Verpflichtungen verletzen.

Amnesty International hat erfahren, dass Aslan Yandiev aus der Republik Inguschetien im Nordkaukasus in der Russischen Föderation floh und am 14. Mai 2008 in der Slowakei Asyl beantragte. Er befürchtete die Verfolgung durch Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden in Inguschetien und Nordossetien (ebenfalls im russischen Nordkaukasus), die ihn wegen unterschiedlicher Verbrechen angeklagt hatten. Er gibt an, keine dieser Verbrechen begangen, aber sie unter Folter "gestanden" zu haben. Im Februar 2011 stellte die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation einen Auslieferungsantrag. Laut russischer Generalstaatsanwaltschaft sei Aslan Yandiev der Beteiligung an Aktivitäten bewaffneter Gruppen, dem illegalen Besitz und Transport von Waffen und Sprengstoffen sowie der Ausführung terroristischer Akte und anderer Verbrechen angeklagt. Aslan Yandiev wurde am 20. Januar 2011 von slowakischen Behörden festgenommen und befindet sich seitdem in Verwaltungshaft.

Über seinen Asylantrag wurde noch nicht entschieden. Nun wird befürchtet, dass die slowakischen Behörden ihn jederzeit ausliefern könnten. Im Juni 2013 erließ der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auf Grundlage drohender Folter einstweilige Maßnahmen gegen Aslan Yandievs Auslieferung an die Russische Föderation. Die slowakischen Behörden dürfen laut Völkerrecht keine Personen ausliefern, die durch Maßnahmen des EGMR geschützt sind.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Aslan Yandiev gibt an, dass er im September 2005 in der Republik Inguschetien im Nordkaukasus von der russischen Polizei inhaftiert wurde. Nach eigenen Angaben wurde er drei Tage lang gefoltert und anderweitig misshandelt, damit er Verbrechen "gestand", die er nicht begangen hatte. Dies soll vor seiner Flucht in die Slowakei stattgefunden haben. Die Misshandlungen endeten am vierten Tag, nachdem sein Gesundheitszustand sich massiv verschlechtert hatte. Erst als er in kritischem Zustand war, alarmierten die Polizist_innen den Notruf und entließen ihn wegen Mangels an Beweisen. Seinen Angaben nach wurde er ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert, mit der Ausnahme eines einzigen Treffens mit einem Rechtsbeistand.

Da Aslan Yandiev die ihm vorgeworfenen Verbrechen in Nordossetien begangen haben soll, würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit dort inhaftiert und vor Gericht gestellt werden. Wegen des andauernden Konflikts zwischen Nordossetien und Inguschetien stellt seine ethnische Zugehörigkeit zu den Inguschen einen weiteren Risikofaktor dar.

Amnesty International erhält regelmäßig Berichte über Folter und andere Misshandlungen aus dem Nordkaukasus, vor allem aus Inguschetien und Nordossetien, und hat über die letzten Jahre einige Fälle dokumentiert. Diese Menschenrechtsverletzungen werden häufig mit sogenannten Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung der Strafverfolgungsbehörden im Nordkaukasus in Verbindung gebracht. Amnesty International hat wiederholt Berichte erhalten, dass im Nordkaukasus willkürlich Personen ins Visier genommen und der Zugehörigkeit zu illegalen bewaffneten Gruppen verdächtigt werden. Dazu wird glaubhaft berichtet, dass die Beweise gegen die Verdächtigen überwiegend oder komplett auf  "Geständnissen" oder "Zeugenaussagen" basieren, die unter Folter oder Zwang abgelegt wurden. Solche "Geständnisse" oder "Zeugenaussagen" werden Berichten zufolge häufig eingesetzt, um Personen für Straftaten in Verbindung mit den Aktivitäten bewaffneter Gruppen oder anderen Straftaten zu verurteilen.

Am 20. Februar sagte die Justizministerin gegenüber Amnesty International, dass die Entscheidung zu Aslan Yandievs Auslieferung auf einer diplomatischen Zusicherung der Russischen Föderation beruhe. Nach Recherchen von Amnesty International können diplomatische Zusicherungen von Ländern, in denen Folter ein andauerndes Problem ist oder in denen bestimmte Personengruppen regelmäßig der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind, nicht als wirksame Schutzmaßnahme gegen solche Misshandlungen gelten. Sie sind wirkungslos und nicht verlässlich. Der EGMR hat Urteile gegenüber Staaten ausgesprochen, die diplomatische Zusicherungen nicht adäquat auf Verlässlichkeit, Angemessenheit und andere Faktoren geprüft hatten. Von einigen Staaten sind diplomatische Zusicherungen keine wirksame Schutzmaßnahme gegen das Risiko der Folter und anderen Misshandlungen nach der Auslieferung.