Amnesty Journal 11. März 2010

"Wir wollen ein neues Simbabwe aufbauen"

Ein Gespräch mit Jestina Mukoko. Die simbabwische Menschenrechtsverteidigerin wurde am 3. Dezember 2008 von Sicherheitskräften entführt und drei Monate lang illegal festgehalten, bevor sie auf Kaution aus der Haft entlassen wurde. Ende September 2009 sprach der Oberste Gerichtshof von Simbabwe sie vom Vorwurf der "Rekrutierung von Terroristen zur Ausbildung in Botswana" frei.

Wie arbeitet Ihre Organisation, das Zimbabwe Peace Project?
Wir verfolgen und dokumentieren in ganz Simbabwe Menschenrechtsverletzungen, die politisch motiviert sind. Unsere Be­obachtungen veröffentlichen wir in einem monatlichen Bericht. Wir haben ein Netzwerk von 420 Beobachtern im ganzen Land, die uns mit Informationen versorgen. Sie können trotz der derzeitigen schwierigen politischen Situation noch arbeiten.

Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit?
Wir wollen ein neues Simbabwe aufbauen. Dazu müssen wir erst einmal dokumentieren, wo Menschenrechte verletzt werden, und die Verantwortlichen benennen. Ohne diese Aufklärung ist eine nationale Versöhnung nicht möglich. Die Vereinbarung zwischen der Staatspartei von Präsident Mugabe, Zanu PF, und der ehemaligen Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) spricht sich klar gegen politische Gewalt aus. Wir vertreten also Prinzipien, zu denen sich die Parteien Simbabwes selbst bekannt haben. Ganz konkret geht es mir im Moment um den Fall meines angeklagten ZPP-Kollegen Broderick Takawira, über den das Oberste Gericht noch nicht entschieden hat. Ich hoffe, er wird auch bald freigesprochen.

Amnesty hat sich mit "Urgent Actions" für Sie eingesetzt. Welche Rolle hat dieser Einsatz gespielt?
Ich hatte während der drei Monate in Haft fast keinen Kontakt zur Außenwelt. Nach meiner Freilassung habe ich dann die Stapel von Briefen entdeckt, die mir Menschen aus aller Welt geschrieben hatten. Es hat mich sehr bestärkt, dass mein Schicksal vielen Menschen nicht gleichgültig ist. Für den einzelnen Briefeschreiber mag es eine Kleinigkeit sein, aber mir haben diese Briefe viel Kraft gegeben. Bis heute schaue ich sie immer wieder durch, wenn es mir schlecht geht. Dann motivieren sie mich, weiterzumachen. Es ist wichtig, dass Menschen, die so drangsaliert werden, wissen, dass sie nicht allein sind.

Leiden Sie heute noch unter den Folgen der Folter?
Ich habe oft quälende Schmerzen an den Füßen wegen der Schläge auf die Fußsohlen, die ich während der Befragungen bekam. Aber die psychologischen Folgen sind für mich schlimmer. Ich durfte 21 Tage lang keinerlei Kontakt zu meiner Familie haben, und das war einfach zu viel für mich. Ich muß mich jetzt von einem Spezialisten behandeln lassen, um besser damit zurecht zu kommen. Manchmal verfolgen mich die Bilder aus dieser Zeit und das zieht mich wirklich runter. Es wird lange dauern, bis ich damit umgehen kann.

Was motiviert Sie, trotz der Gefahren weiterzuarbeiten?
Natürlich habe ich Ängste, das ist ganz normal nach allem, was ich erlebt habe. Trotzdem ist es für mich wichtig, auf meinen Rechten zu beharren, die mir als Bürgerin von Simbabwe nach der Verfassung zustehen. Was mich antreibt, das sind die Stimmen von Verfolgten und Misshandelten in Simbabwe, die im ­Gegensatz zu mir nicht über die Grenzen des Landes hinaus bekannt sind. Sie brauchen jemanden wie mich, der ihre Stimmen verstärkt, damit sie in Simbabwe und weltweit gehört werden.

Interview: Claudia Mende

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