Amnesty Report Usbekistan 11. Mai 2011

Usbekistan 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Usbekistan Staatsoberhaupt: Islam Karimow Regierungschef: Shavkat Mirziyoyev Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 27,8 Mio. Lebenserwartung: 68,2 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 63/53 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 99,3%

Es trafen unvermindert Berichte über Folter und andere Misshandlungen ein. Zahlreiche Mitglieder islamischer Minderheitengruppen erhielten nach unfairen Verfahren lange Haftstrafen. Menschenrechtsverteidiger wurden weiterhin nach unfairen Gerichtsverfahren inhaftiert. Die Behörden wiesen alle internationalen Forderungen nach einer unabhängigen internationalen Untersuchung der massenhaften Tötung von Demonstrierenden im Jahr 2005 vehement zurück.

Folter und andere Misshandlungen

Obwohl die Behörden beteuerten, die Folterpraxis habe deutlich abgenommen, gingen 2010 unvermindert Berichte über Folter und andere Misshandlungen von Festgenommenen und Gefangenen ein. In den meisten Fällen führten die Behörden keine unverzüglichen, gründlichen und unparteiischen Untersuchungen der Foltervorwürfe durch.

Mehrere tausend Menschen, die wegen Verbindungen zu in Usbekistan verbotenen islamistischen Parteien oder islamischen Bewegungen verurteilt worden waren, aber auch Regierungskritiker und Oppositionspolitiker verbüßten weiterhin lange Freiheitsstrafen unter Bedingungen, die grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung entsprachen.

Usbekistan verweigerte dem UN-Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe trotz erneuter Anfragen weiterhin einen Besuch des Landes.

  • Im Juni 2010 ließen die Behörden den Oppositionspolitiker Sanzhar Umarov aus humanitären Gründen frei und gestatteten ihm die Ausreise zu seiner in den USA lebenden Familie. Sanzhar Umarov war 2006 wegen Betrugs und Unterschlagung angeklagt und in einem unfairen Verfahren zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach Ansicht seiner Anhänger waren die Anklagen politisch motiviert. Im September beschrieb er in der New York Times, wie er monatelang in Einzelhaft in kleinen Strafzellen aus Beton eingesperrt war, in denen es keine Heizung und nur wenig Tageslicht gab. Außerdem berichtete er über Schläge durch Gefängniswärter und Mithäftlinge und dass ihm medizinische Behandlung verwehrt worden sei.

  • Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied am 10. Juni 2010 im Fall Garayev gegen Aserbaidschan, dass eine Auslieferung Shaig Garayevs von Aserbaidschan nach Usbekistan gegen das Folterverbot gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen würde. Das Gericht stellte fest, dass "jeder Straftatverdächtige, der [in Usbekistan] in Gewahrsam gehalten wird, einem hohen Risiko ausgesetzt ist, Folter oder inhumaner und erniedrigender Behandlung unterzogen zu werden".

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Im Januar 2010 begannen nichtöffentliche Verfahren gegen fast 70 Angeklagte, denen vorgeworfen wurde, an Anschlägen im Ferghana-Tal und in der Hauptstadt Taschkent im Mai und August 2009 sowie an der Tötung eines regierungsnahen Imams und eines hochrangigen Polizeibeamten im Juli 2009 beteiligt gewesen zu sein. Die Behörden machten die verbotenen islamischen Bewegungen Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und Islamic Jihad Union (IJU) sowie die nicht zugelassene islamistische Partei der Befreiung (Hizb-ut-Tahrir) für die Anschläge und Tötungen verantwortlich. Unter den zahlreichen Personen, die unter dem Verdacht festgenommen worden waren, Mitglieder oder Sympathisanten der IMU, der IJU oder der Hizb-ut-Tahrir zu sein, waren solche, die behördlich nicht zugelassene Moscheen besucht hatten, von unabhängigen Imamen unterwiesen worden waren, ins Ausland gereist waren oder verdächtigt wurden, verbotenen islamischen Organisationen anzugehören. Viele sollen über lange Zeit ohne Anklageerhebung und Gerichtsverfahren in Gewahrsam gehalten worden sein. Es gab Berichte über Folter und unfaire Gerichtsverfahren.

  • Im April 2010 verurteilte ein Gericht in der Stadt Dzhizzakh 25 Männer im Zusammenhang mit den Anschlägen im Jahr 2009 zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und zehn Jahren. Alle wurden wegen versuchtem Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung und religiösem Extremismus verurteilt. Mindestens zwölf der Männer gaben vor Gericht an, ihre "Geständnisse" seien unter Folter erpresst worden. Der Richter ordnete zunächst eine Untersuchung der Vorwürfe an, erklärte später jedoch, sie seien gegenstandslos. Unabhängige Beobachter berichteten, die Männer hätten zugegeben, an gemeinsamen Gebeten und sportlichen Aktivitäten teilgenommen zu haben, sie hätten jedoch bestritten, einer Gruppe angehört zu haben, die das Ziel verfolgte, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen.

  • Im April 2010 wurden Zulkhumor Khamdamova, ihre Schwester Mekhriniso Khamdamova und ihre Verwandte Shakhlo Pakhmatova wegen versuchtem Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung und Gefährdung der öffentlichen Ordnung vom Regionalen Strafgericht Kashkadaria zu Gefängnisstrafen zwischen sechseinhalb und sieben Jahren verurteilt. Sie gehörten zu einer Gruppe von mehr als 30 Frauen, die bei Antiterrormaßnahmen in der Stadt Karshi im November 2009 von Sicherheitskräften festgenommen worden waren. Es wurde vermutet, dass sie religiöse Unterweisungen durch Zulkhumor Khamdamova in einer der örtlichen Moscheen besucht hatten. Die Behörden beschuldigten Zulkhumor Khamdamova, eine illegale religiöse Gruppe organisiert zu haben, was ihre Anhängerinnen bestritten. Nach Angaben von Menschenrechtsverteidigern wurden die Frauen im Gewahrsam misshandelt, Polizeibeamte sollen sie nackt ausgezogen und ihnen Vergewaltigung angedroht haben.

  • Dilorom Abdukadirova, die nach der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen in Andischan 2005 aus Usbekistan geflohen war, wurde nach ihrer Rückkehr im Januar 2010 vier Tage lang in Gewahrsam gehalten, obwohl ihr die Behörden zugesichert hatten, dass keine Anklage gegen sie erhoben werden würde. Im März wurde sie erneut festgenommen und zwei Wochen lang ohne Kontakt zu einem Rechtsbeistand oder ihrer Familie in Polizeigewahrsam gehalten. Am 30. April wurde sie mit Bezug auf ihre Teilnahme an den Demonstrationen in Andischan wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten schuldig gesprochen, außerdem erging ein Schuldspruch wegen illegaler Ausreise und Wiedereinreise nach Usbekistan. Nach einem unfairen Verfahren erhielt sie eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und zwei Monaten. Familienangehörige berichteten, sie sei abgemagert zum Prozess erschienen und habe Blutergüsse im Gesicht gehabt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten waren 2010 Schikanen, Schlägen, Festnahmen und unfairen Gerichtsverfahren ausgesetzt. Menschenrechtsaktivisten und Journalisten wurden zu Polizeiverhören vorgeladen, unter Hausarrest gestellt und regelmäßig von Beamten in Uniform oder in Zivil beschattet. Andere berichteten, dass sie von Polizeibeamten oder Personen, die vermutlich für die Sicherheitskräfte arbeiteten, geschlagen worden seien.

  • Im Januar wurde die bekannte usbekische Dokumentarfotografin Umida Ahmedova zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, da sie durch ihre Fotografien und Videoprojekte, die Armut und die Benachteiligung von Frauen in Usbekistan dokumentierten, die Würde usbekischer Bürger verletzt und dem Ansehen des Landes geschadet habe. Der Vorsitzende Richter amnestierte sie jedoch, und sie durfte den Gerichtssaal verlassen. Ihre gegen das Urteil eingelegten Rechtsmittel wurden im Mai abgewiesen.

  • Im Oktober verurteilten Gerichte in Taschkent zwei unabhängige Journalisten, die für ausländische Medien tätig waren, wegen krimineller Verleumdung zu hohen Geldstrafen. Vladimir Berezovski, Korrespondent der russischen Zeitung Parlamentskaja Gazeta, wurde beschuldigt, auf der unabhängigen Internetseite Vesti.uz 16 Artikel verleumderischen Inhalts publiziert zu haben, mit denen das usbekische Volk in die Irre geführt werden sollte und die zu Panik hätten führen können. Die Artikel befassten sich mit der islamischen Bewegung IMU und mit Arbeitsmigration. Sie waren nicht von Vladimir Berezovski verfasst, sondern von russischen Nachrichtenagenturen übernommen worden. Abdumalik Boboev, ein Korrespondent des vom US-Kongress finanzierten Radiosenders Voice of America, wurde ebenfalls zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts verunglimpften seine Artikel und Radiobeiträge die Justiz und die Sicherheitskräfte. Er hatte über Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und willkürliche Festnahmen von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern sowie unfaire Verfahren gegen sie berichtet. Beide Journalisten legten Rechtsmittel gegen ihre Urteile ein, die jedoch abgewiesen wurden.

  • Im Dezember ließen die Behörden den Menschenrechtsverteidiger Fakhad Mukhtarov unter Auflagen frei, nachdem er elf Monate seiner fünfjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechung und Betrugs verbüßt hatte. Mindestens elf weitere Menschenrechtsverteidiger befanden sich 2010 weiterhin in Haft. Gegen einige von ihnen wurden neue Anklagen erhoben, weil sie angeblich gegen Gefängnisbestimmungen verstoßen hatten. In unfairen, geheimen Verfahren erhielten sie mehrjährige zusätzliche Haftstrafen. Mindestens drei weitere Menschenrechtsverteidiger wurden zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, nachdem offenbar fingierte Anklagen gegen sie erhoben worden waren, um sie für ihre Tätigkeit zu bestrafen.

  • Im Januar 2010 wurde der Menschenrechtsverteidiger Gaibullo Dzhalilov wegen versuchten Umsturzes der verfassungsmäßigen Ordnung und Mitgliedschaft in einer verbotenen religiösen Organisation zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte als Mitglied der nicht zugelassenen unabhängigen Menschenrechtsgesellschaft von Usbekistan die Festnahmen von Mitgliedern bzw. mutmaßlichen Mitgliedern in Usbekistan verbotener islamischer Bewegungen sowie die Verfahren gegen sie beobachtet und Vorwürfe wegen Folter und anderen Misshandlungen erhoben. Gaibullo Dzhalilov gab an, man habe ihm mit Zwangsmaßnahmen das "Geständnis" abgepresst, Mitglied der Hizb-ut-Tahir zu sein. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil wurde im März abgewiesen. Im August wurden neue Anklagen gegen ihn vorgebracht, die nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf neuen Aussagen von Augenzeugen beruhten. Diese wollen ihn auf religiösen Versammlungen gesehen haben, bei denen DVDs mit extremistischem religiösem Inhalt gezeigt wurden. Nach einem nichtöffentlichen Prozess vor dem Regionalen Strafgericht Kashkadaria wurde er zu weiteren vier Jahren Gefängnis verurteilt, ohne dass ein Belastungszeuge vernommen worden wäre.

Recht auf Religionsfreiheit

Die Regierung übte weiterhin eine strikte Kontrolle über religiöse Gemeinschaften aus und schränkte damit ihr Recht auf Religionsfreiheit ein. Am stärksten waren davon Mitglieder nicht genehmigter Gruppen betroffen, wie evangelikale christliche Gemeinden und Muslime, die ihren Glauben in von den Behörden nicht zugelassenen Moscheen praktizierten.

  • Personen, die verdächtigt wurden, Anhänger des türkischen muslimischen Theologen Said Nursi zu sein, wurden in einer Reihe von Gerichtsverfahren verurteilt, die 2009 begonnen hatten und 2010 fortgesetzt wurden. Zu den Anklagepunkten gegen sie zählten Mitgliedschaft in bzw. Gründung einer illegalen religiösen extremistischen Organisation sowie Veröffentlichung oder Verbreitung von gegen die gesellschaftliche Ordnung gerichtetem Material. Bis Dezember 2010 waren mindestens 114 Männer in unfairen Verfahren zu Freiheitsstrafen zwischen sechs und zwölf Jahren verurteilt worden. Dem Vernehmen nach gründeten einige der Urteile auf "Geständnissen", die während der Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren. Zeugen der Verteidigung und Sachverständige wurden nicht gehört, in einigen Fällen wurde der Zugang zu den Gerichtsverhandlungen verwehrt, während andere Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Die Behörden gewährten Zehntausenden von ethnischen Usbeken, die im Juni vor einem Gewaltausbruch im benachbarten Süd-Kirgisistan geflohen waren, vorübergehend Zuflucht. Nothilfeteams des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) durften nach Usbekistan einreisen und die Flüchtlingslager besuchen – es war dies das erste Mal, seit die Behörden den UNHCR 2006 des Landes verwiesen hatten. Die Sicherheitskräfte schränkten die Freizügigkeit der Flüchtlinge und ihren Kontakt mit der Außenwelt stark ein, dies betraf auch Verletzte und Patienten in Krankenhäusern. Ende Juni kehrten alle Flüchtlinge, bis auf einige Tausend, wieder nach Kirgisistan zurück. Es wurden jedoch Befürchtungen laut, dass ihre Rückkehr nicht auf einer freien Entscheidung beruhte und dass sowohl die kirgisischen als auch die usbekischen Behörden Druck auf sie ausgeübt hatten.

Internationale Kontrollgremien

Fünf Jahre nachdem Sicherheitskräfte am 13. Mai 2005 in Andischan hunderte überwiegend friedlicher Demonstranten getötet hatten, wiesen die Behörden weiterhin alle Forderungen nach einer unabhängigen internationalen Untersuchung zurück. Dass die EU ihre Sanktionen aufhob, wurde als Beweis dafür gewertet, dass die Angelegenheit als abgeschlossen betrachtet wird.

Bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsausschusses im März, bei der die Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte in Usbekistan überprüft wurde, bestritt die usbekische Delegation, dass Menschenrechtsverteidiger festgenommen und strafrechtlich verfolgt worden seien. Die Delegation bestand darauf, dass "Feinde" Usbekistans einen "Krieg der Informationen" gegen das Land führten, außerdem würden internationale NGOs dafür bezahlt, Diffamierungen und Falschinformationen zu verbreiten.

Amnesty International: Berichte

Uzbekistan: Submission to the Human Rights Committee-Update May 2009 – January 2010 (EUR 62/001/2010)

Uzbekistan: A briefing on current human rights concerns, May 2010 (EUR 62/003/2010)

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