Amnesty Report Malaysia 10. Mai 2011

Malaysia 2011

Amtliche Bezeichnung: Persekutuan Tanah Malaysia Staatsoberhaupt: König Tuanku Mizan Zainal Abidin ibni al-Marhum Regierungschef: Najib Tun Razak Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 27,9 Mio. Lebenserwartung: 74,7 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 12/10 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 92,1%

Die Regierung beschränkte das Recht auf freie Meinungsäußerung für Publikationen im Internet und für Printmedien. Auf Grundlage des mittlerweile seit 50 Jahren bestehenden Gesetzes zur Inneren Sicherheit (Internal Security Act – ISA) kam es zu Inhaftierungen ohne Anklage oder Prozess. Flüchtlinge, Migranten und malaysische Staatsangehörige wurden zu Stockschlägen verurteilt, u.a. wegen Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze. Erstmals wurde bei drei Frauen nach islamischem Recht (Scharia) die Strafe der Erteilung von Stockschlägen vollstreckt. Im Mai wurde Malaysia in den UN-Menschenrechtsrat gewählt.

Hintergrund

Ministerpräsident Najib Tun Razak, der 2007 im Amt Abdullah Badawi gefolgt war, sollte bis März 2013 Parlamentswahlen anberaumen. Das Verfahren gegen Oppositionsführer Anwar Ibrahim wurde 2010 fortgesetzt. Gegen ihn wurde bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Jahren eine politisch motivierte Klage wegen homosexueller Handlungen erhoben. Im Falle einer Verurteilung drohten ihm eine Gefängnisstrafe und ein fünfjähriges politisches Betätigungsverbot. Bei der Vorstellung eines neuen Wirtschaftsplans für die kommenden Jahre forderte Ministerpräsident Najib Tun Razak im März eine Reform der bislang praktizierten positiven Diskriminierung. Sie sieht eine Bevorzugung von Malaien und Angehörigen indigener Gruppen aus Ostmalaysia (Bumiputeras) gegenüber anderen Gruppen vor.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung dadurch ein, dass Publikationen eine staatliche Genehmigung vorweisen mussten. Außerdem erhielten Personen, die sich kritisch über die Regierung äußerten, Strafen aufgrund des Gesetzes gegen staatsgefährdende Aktivitäten (Sedition Act).

  • Im Juni 2010 stoppte das Innenministerium das Erscheinen der Zeitung Suara Keadilan, indem die erforderliche Publikationslizenz nicht verlängert wurde. Die Zeitung wird von der wichtigsten Oppositionspartei, der Gerechtigkeitspartei des Volkes (Parti Keadilan Rakyat), herausgegeben. Im Juli schränkte die Regierung den Vertrieb von Harakah ein, einer weiteren Oppositionszeitung, die von der Islamischen Partei Malaysias (Parti Islam Se-Malaysia) publiziert wird.

  • Der Internet-Blogger Irwan Abdul Rahman, auch unter dem Namen Hassan Skodeng bekannt, wurde im August 2010 festgenommen, nachdem er eine Satire über den Präsidenten des größten Energiekonzerns von Malaysia veröffentlicht hatte, in der dieser eine Energiespar-Kampagne kritisiert. Irwan Abdul Rahman wurde gegen Kaution freigelassen und nach dem Gesetz über Kommunikation und Multimedia von 1998 (Communication and Multimedia Act) angeklagt. Man warf ihm unzulässigen Gebrauch des Internets durch die Veröffentlichung falscher oder anstößiger Inhalte in böswilliger Absicht vor. Im Falle einer Verurteilung drohten ihm ein Jahr Gefängnis und eine Geldstrafe von 50000 malaysischen Ringgit (15500 US-Dollar).

  • Die Behörden zwangen einen chinesischsprachigen Radiosender, den Moderator Jamaluddin Ibrahim zu entlassen, weil dieser in seiner Sendung die staatliche Praxis der positiven Diskriminierung kritisiert hatte. In einem Schreiben der malaysischen Kommission für Kommunikation und Multimedia an die Rundfunkstation vom August hieß es Berichten zufolge, die Sendung habe die nationale Sicherheit gefährdet und das Verhältnis zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen beeinträchtigt.

  • Die Polizei nahm im September 2010 den politischen Karikaturisten Zunar fest und beschlagnahmte Exemplare seines Buchs Cartoon-o-phobia, das kurz darauf erscheinen sollte. Er wurde auf der Grundlage des Sedition Act angeklagt und musste eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren befürchten. Im Juni hatte das Innenministerium unter Berufung auf das Presse- und Publikationsgesetz von 1984 (Printing Press and Publications Act) drei seiner früheren Bücher und Hefte mit Karikaturen wegen ihres "schädlichen Einflusses auf die öffentliche Ordnung" verboten. Sollten sie gedruckt oder vertrieben werden, drohten laut Gesetz bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafen bis zu 20000 malaysischen Ringgit (6200 US-Dollar). Zunar wurde gegen Kaution freigelassen.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

  • Im Januar 2010 stürmte die Polizei eine private Koranschule in der Nähe von Kuala Lumpur und nahm 50 Personen auf der Grundlage des ISA fest. Die meisten von ihnen kamen kurze Zeit später wieder frei. Mehrere ausländische Staatsangehörige wurden von der Regierung im Schnellverfahren in Länder wie Syrien abgeschoben, wo ihnen wegen mutmaßlicher Beteiligung an politischen islamischen Gruppen Folter drohte.

  • Im August 2010 nahm die Polizei bei friedlichen Protesten aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des ISA in der Stadt Petaling Jaya 30 von etwa 300 Demonstrierenden fest. Alle Inhaftierten wurden im Anschluss freigelassen. Das malaysische Recht schränkt öffentliche Proteste und die Versammlungsfreiheit sehr stark ein, indem öffentliche Versammlungen von Gruppen, die mehr als fünf Personen umfassen, nur mit Genehmigung abgehalten werden dürfen.

  • Im Juli 2010 wurde Mohamad Fadzullah Bin Abdul Razak, ein 28-jähriger malaysischer Staatsangehöriger, bei seiner Rückkehr aus Thailand auf der Grundlage des ISA festgenommen. Die Regierung beschuldigte ihn, einem internationalen Terrornetzwerk anzugehören. Die Behörden ordneten eine zweijährige Haft nach dem ISA an, das eine unbegrenzte Haft ohne Anklage oder Prozess erlaubt.

Flüchtlinge und Migranten

Nach Ansicht der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, das Land im Juni besuchte, wurden Flüchtlinge in Malaysia "systematisch" inhaftiert. Arbeitsmigranten drohte eine Inhaftierung wegen Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze. Außerdem waren sie häufig ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen ausgesetzt.

  • Im August 2010 kündigte die Regierung an, das Freiwilligenkorps RELA (Ikatan Relawan Rakyat) nahezu zu verdoppeln. Das mit Polizeibefugnissen ausgestattete Korps wurde eingesetzt, um Arbeitsmigranten und Flüchtlinge zu inhaftieren, die gegen die Einwanderungsgesetze verstoßen hatten. RELA-Angehörige erpressten von den Flüchtlingen und Migranten häufig Geld und schlugen sie in einigen Fällen auch. Die Regierung setzte das Freiwilligenkorps erneut in Hafteinrichtungen ein, nachdem es 2009 von dort abgezogen worden war.

  • Die Bedingungen in den Hafteinrichtungen waren nach wie vor schlecht. Aus Protest gegen ständigen Wassermangel in der Einrichtung Lenggeng traten im Juni 2010 rund 500 Asylsuchende aus Myanmar in den Hungerstreik.

  • Im Oktober 2010 wurden Berichten zufolge sieben Beamte der Einwanderungsbehörde und zwei ausländische Staatsangehörige wegen mutmaßlicher Beteiligung an Menschenhandel festgenommen. Es wurden jedoch keine Strafverfahren gegen sie eingeleitet, sie blieben vielmehr nach den Bestimmungen des ISA ohne Prozess in Haft.

Grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen

  • Die Behörden ließen regelmäßig Prügelstrafen für eine Vielzahl von Vergehen vollstrecken, darunter auch für Verstöße gegen die Einwanderungsgesetze. Die Prügelstrafe war für mehr als 60 Straftaten vorgesehen. Unzählige Arbeitsmigranten wurden innerhalb von nur einer Woche nach Indonesien abgeschoben, nachdem sie wegen Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze Stockschläge erhalten hatten.

  • Im Februar 2010 wurde erstmals in der Geschichte Malaysias die Prügelstrafe an drei Frauen vollstreckt. Die muslimischen Frauen waren in der Nähe von Kuala Lumpur nach islamischem Recht (Scharia) wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr schuldig gesprochen worden und erhielten Stockschläge. Im April wurde die Strafe gegen Kartika Sari Dewi Shukarno umgewandelt, die 2009 als erste Frau zu einer Prügelstrafe verurteilt worden war. Statt der im Urteil geforderten sechs Stockschläge konnte sie Sozialstunden ableisten.

Todesstrafe

Laut Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Bernama und weiterer malaysischer Medien verurteilten Gerichte mindestens 114 Menschen zum "Aufhängen am Halse, bis der Tod eintritt". Die Behörden gaben jedoch keine Zahlen über die im Jahr 2010 vollstreckten Todesurteile bekannt.

Mehr als die Hälfte der bekanntgewordenen Todesurteile wurde gegen Personen verhängt, denen der Besitz von illegalen Drogen über einer bestimmten Menge nachgewiesen worden war. In diesen Fällen lautet die Anklage auf Drogenhandel, ein Straftatbestand, der in Malaysia zwingend mit der Todesstrafe geahndet wird. Auf der Grundlage des Drogengesetzes wurde die Schuld der Angeklagten angenommen, sofern sie ihre Unschuld nicht beweisen konnten, was einen Verstoß gegen internationale Standards für ein faires Gerichtsverfahren darstellt.

Zwei Drittel der zum Tode verurteilten Personen kamen aus anderen ASEAN-Staaten: sieben aus Indonesien und jeweils drei aus Myanmar, Singapur und Thailand sowie zwei von den Philippinen.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Eine Delegation von Amnesty International besuchte Malaysia von März bis April sowie von November bis Dezember.

Trapped: The exploitation of migrant workers in Malaysia (ASA 28/002/2010)

A blow to humanity: Torture by judicial caning in Malaysia (ASA 28/013/2010)

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