Amnesty Report Thailand 20. Mai 2010

Thailand 2010

Amtliche Bezeichnung: Königreich Thailand Staatsoberhaupt: König Bhumibol Adulyadej Regierungschef: Abhisit Vejjajiva Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 67,8 Mio. Lebenserwartung: 68,7 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 13/8 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 94,1%

Das Recht auf freie Meinungsäußerung erlitt 2009 einen herben Rückschlag, als Zehntausende thailändischer Internetseiten wegen angeblicher Verleumdung der königlichen Familie blockiert und einige Personen festgenommen wurden. Die Regierung erzielte nur geringe Fortschritte bei der Lösung des Konflikts im Süden des Landes, der das ganze Jahr über von Gewalt erschüttert wurde. Dabei nahm die Brutalität der muslimischen Aufständischen zu. Ihre Angriffe richteten sich sowohl gegen Sicherheitskräfte als auch gegen Zivilisten. In mehreren Fällen von Menschenrechtsverletzungen stand auch im sechsten Jahr danach die Strafverfolgung der Verantwortlichen noch aus. Flüchtlinge und Asylsuchende aus Myanmar und Laos wurden in ihre Herkunftsländer abgeschoben, wo ihnen schwere Menschenrechtsverstöße drohten.

Hintergrund

Zum ersten Mal seit acht Jahren führte die Demokratische Partei (Democrat Party) die neue Koalitionsregierung an. Sie blieb während des gesamten Jahres 2009 an der Macht. Der politische Konflikt, der die Nation 2008 polarisiert hatte, setzte sich fort. Dabei stand auf der einen Seite die konservative und königstreue People’s Alliance for Democracy (PAD) und auf der anderen Seite die United Front of Democracy against Dictatorship (UDD), die eine lose Verbindung zum abgesetzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra unterhält. Im April wandten die Behörden zum ersten Mal Teil II des Gesetzes über die innere Sicherheit an, als Demonstrationen der UDD während eines Gipfeltreffens des Verbands Südostasiatischer Staaten (ASEAN) in Thailand in Gewalt umschlugen. Das Gesetz wurde im Verlauf des Jahres fünf weitere Male angewandt, so auch in Teilen Südthailands, wo es den Ausnahmezustand ersetzte. Während des ASEAN-Gipfels schoss die Polizei mit scharfer Munition und verletzte dabei mehrere Menschen schwer. Das Gipfeltreffen musste später abgebrochen werden. Ebenfalls im April versuchten Unbekannte, den PAD-Führer Sondi Limthongkul zu ermorden. Sie gaben am helllichten Tage mehr als 100 Schüsse auf ihn ab.

Der bewaffnete Konflikt im Süden des Landes dauerte das gesamte Jahr über an. Er forderte in den vergangenen sechs Jahren annähernd 4000 Menschenleben. Verschiedene Anläufe der Regierung, die Rolle des Militärs bei politischen und finanziellen Entscheidungen abzuschwächen, führten nicht zu einer Verminderung der Gewalt. Im Juni eröffneten sechs Unbekannte das Feuer auf die Al-Furquan-Moschee in der Provinz Narathiwat. Dabei wurden zehn muslimische Gläubige getötet und zwölf weitere schwer verletzt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Januar 2009 bildete der Senat einen Unterausschuss, um die rechtlichen Schritte zu prüfen, die gegen Personen eingeleitet worden waren, denen eine Verletzung des lèse-majesté-Gesetzes vorgeworfen wurde. Das Gesetz verbietet jedwede Äußerung oder Handlung, die geeignet sein könnte, die königliche Familie zu verleumden, zu beleidigen oder zu bedrohen. Ebenfalls im Januar richtete die Regierung eine Internetseite ein, die dazu dient, dass Bürger Personen anzeigen können, die verdächtigt werden, gegen das Gesetz verstoßen zu haben. Während des gesamten Jahres blockierte das Ministerium für Information und Kommunikationstechnologie in Zusammenarbeit mit der Königlichen Thailändischen Armee Zehntausende von Internetseiten. Den Betreibern wurde vorgeworfen, dass Äußerungen auf den Internetseiten über die Monarchie gegen das 2007 erlassene Gesetz über Computerdelikte verstoßen hätten. Im März durchsuchte die Polizei das Büro der Internetzeitung Prachatai und nahm deren Direktorin kurzzeitig fest. Drei Personen wurden zu Haftstrafen zwischen drei und 18 Jahren wegen Verstößen gegen das lèse-majesté-Gesetz verurteilt. Damit wurden in den vergangenen zwei Jahren insgesamt vier Personen wegen dieses Delikts verurteilt.

  • Am 3. April 2009 verurteilte ein Gericht Suwicha Thakhor zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren. Grund war Material, das er in seinem Blog veröffentlicht hatte und das als Verleumdung der Monarchie gewertet wurde.

  • Am 28. August 2009 wurde Darunee Chanchoengsilapakul wegen kritischer Bemerkungen, die sie bei einer Kundgebung 2008 gemacht hatte, zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Straflosigkeit

Im Januar ordnete der thailändische Ministerpräsident die Untersuchung von drei Vorfällen an, bei denen Angehörige der ethnischen Minderheit der Rohingyas von Sicherheitskräften auf das offene Meer zurückgeschickt worden waren (siehe unten). Es kam jedoch zu keiner strafrechtlichen Verfolgung. Ebenfalls im Januar versicherte der Ministerpräsident öffentlich, dass der Fall des im Jahr 2004 "verschwundenen" muslimischen Rechtsanwalts Somchai Neelapaijit aufgeklärt werde. Doch waren in der Folge keine Fortschritte zu verzeichnen, es wurde auch keine neue Strafverfolgung eingeleitet. Im April erklärte die Regierung, dass die Ereignisse in der Krue-Se-Moschee im Jahr 2004 nicht strafrechtlich verfolgt würden. Dabei hatten frühere Untersuchungen ergeben, dass thailändische Sicherheitskräfte unverhältnismäßige Gewalt angewandt hatten, die 32 Menschen in der Moschee das Leben kostete. Obduktionsergebnisse ergaben, dass drei ranghohe Offiziere für die Tötungen verantwortlich waren. Im Mai wurden Obduktionen vorgenommen, um den Tak-Bai-Vorfall im Jahr 2004 aufzuklären, bei dem 78 Menschen im Gewahrsam gestorben waren. Es gelang jedoch nicht, die genauen Todesumstände festzustellen, wodurch eine künftige strafrechtliche Verfolgung beeinträchtigt ist.

Ein Jahr, nachdem eine Obduktion ergeben hatte, dass Yapha Kaseng aufgrund von Gewaltanwendung 2008 im Gewahrsam ums Leben gekommen war, hatte die Regierung noch keine strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Sicherheitskräfte im Süden des Landes eingeleitet.

Bewaffneter Konflikt

Die Angriffe muslimischer Aufständischer im Süden des Landes nahmen 2009 zu. Auch war eine steigende Brutalität bei den Angriffen zu verzeichnen, die sich gegen thailändische Sicherheitskräfte richteten sowie gegen Zivilisten, denen Kooperation oder Kollaboration mit den Behörden unterstellt wurde. Es kam außerdem zu willkürlichen Angriffen, bei denen zahlreiche Menschen getötet oder verletzt wurden. Die Aufständischen enthaupteten mindestens acht Menschen. Die Gewalt steigerte sich im Fastenmonat Ramadan. Während dieser Zeit wurden 32 Angriffe gemeldet, bei denen mindestens 35 Personen getötet und über 80 Personen verletzt wurden.

  • Am 12. März wurde die Menschenrechtsverteidigerin Laila Paaitae Daoh in der Provinz Yala am helllichten Tag erschossen. In ihrer Familie ist sie bereits das vierte Opfer, das im Süden Thailands getötet wurde. Sie hinterlässt drei kleine Kinder.

  • Am 27. April, dem Vorabend des fünften Jahrestags des Vorfalls in der Krue-Se-Moschee, wurden bei fünf verschiedenen Angriffen neun Menschen getötet und zwei weitere verletzt.

  • Am 15. Juni wurde ein Kautschukzapfer in der Provinz Yala erstochen und enthauptet. Sein Leichnam wurde verbrannt in der Plantage zurückgelassen, seinen Kopf fand man in der Nähe, auf einer Schaufel aufgespießt.

  • Am 25. August wurden 20 Personen verletzt, als eine Autobombe in der Provinz Narathiwat explodierte.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Im Januar 2009 verfrachteten die thailändischen Behörden 200 Angehörige der ethnischen Minderheit der Rohingya aus Myanmar und Bangladesch auf ein Boot, dessen Motor zuvor entfernt worden war, und schickten sie auf das offene Meer hinaus, ohne ein klares Ziel und ohne ausreichenden Proviant. Zuvor waren sie mehrere Wochen lang auf einer Insel festgehalten worden, wobei ihnen der Zugang zum UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) verweigert wurde. Mindestens zwei Menschen starben in der Folge. Innerhalb von zwei Monaten wurden damit rund 1200 Flüchtlinge und Migranten auf das Meer zurückgeschickt. Ebenfalls im Januar fingen die Behörden ein weiteres Boot mit 78 Angehörigen der Rohingya ab und hielten sie das gesamte Jahr über in Haft. Das UNHCR erhielt die Erlaubnis, mit ihnen zu sprechen. Zwei Männer starben im Gewahrsam, offenbar aufgrund fehlender medizinischer Versorgung.

Das gesamte Jahr über fuhren die thailändischen Behörden damit fort, Angehörige der ethnischen Gruppe der Hmong aus einem Flüchtlingslager in der Provinz Phetchabun nach Laos zurückzuführen. Unter den Abgeschobenen befanden sich auch Asylsuchende, und es bestanden Zweifel daran, dass die Rückführung auf freiwilliger Basis erfolgte. Ende 2009 schoben die thailändischen Behörden etwa 4500 Angehörige der Hmong von Phetchabun nach Laos ab, ebenso eine Gruppe von 158 anerkannten Flüchtlingen, die bereits seit November 2006 in der Provinz Nong Khai in Haft gehalten worden waren. Der UNHCR hatte keinen Zugang zu der größeren der beiden Gruppen erhalten, während allen 158 Personen der Flüchtlingsstatus zugestanden worden war. Verschiedene Länder erklärten ihre Bereitschaft, sie aufzunehmen, doch wurde ihnen die Ausreise aus Thailand verwehrt. Mehr als 87 Kinder gehörten der Gruppe an, von denen einige in Haft geboren worden waren.

Im Juli begann ein landesweiter Prozess zur Überprüfung von Arbeitsmigranten. Die thailändische Regierung unterließ es jedoch, die Maßnahmen öffentlich darzustellen oder den Migranten zu erklären. Dies führte dazu, dass Beamte und private Vermittler Informationsdefizite der Migranten ausnutzten, um damit Profit zu machen.

Todesstrafe

Im August 2009 wurden zwei Drogenhändler, Bundit Charoenwanich und Jirawat Phumpruek, mit der Giftspritze hingerichtet. Damit fanden zum ersten Mal seit 2003 in Thailand wieder Hinrichtungen statt.

Amnesty International: Bericht

Thailand: Torture in the southern counter-insurgency (ASA 39/001/2009)

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