Amnesty Report Kanada 19. Mai 2010

Kanada 2010

Amtliche Bezeichnung: Kanada Staatsoberhaupt: König Elizabeth II., vertreten durch Generalgouverneurin Michaëlle Jean Regierungschef: Stephen Harper Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 33,6 Mio. Lebenserwartung: 80,6 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 6/6 pro 1000 Lebendgeburten

Die Rechte der indigenen Bevölkerung wurden von den kanadischen Behörden nicht ausreichend geschützt. Anlass zur Sorge gaben erneut Menschenrechtsverletzungen, die mit den Sicherheitsgesetzen und Maßnahmen kanadischer Bergbauunternehmen im Ausland in Zusammenhang standen.

Hintergrund

Im Februar wurde die Lage der Menschenrechte in Kanada im Zuge der universellen regelmäßigen Überprüfung durch die UN bewertet. Die Empfehlung zur Entwicklung einer nationalen Strategie für die Armutsbekämpfung wurde von der kanadischen Regierung mit der Begründung abgelehnt, dies falle in den Verantwortungsbereich der Provinzen bzw. Territorien.

Rechte indigener Volksgruppen

Die Rechte indigener Volksgruppen bei der Erteilung von Lizenzen für Bergbau, Holzabbau, Erdölförderung und die Gewinnung anderer natürlicher Ressourcen wurden von den Behörden nicht geschützt. Die Regierung hielt auch weiterhin an ihrem Standpunkt fest, dass die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker auf Kanada nicht anwendbar sei. Im September begann vor dem kanadischen Gericht für Menschenrechte (Canadian Human Rights Tribunal) eine Anhörung zur finanziellen Benachteiligung von Angehörigen der First Nations durch soziale Einrichtungen für Kinder und Familien im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen.

  • Im Norden der Provinz Alberta wurden auch weiterhin umfassende Projekte zur Erdöl- und Erdgasförderung ohne Zustimmung der Lubicon-Cree-Indianer durchgeführt. Die Fördermaßnahmen beeinträchtigten die Lubicon Cree in der Nutzung der von ihnen beanspruchten Gebiete und trugen zu zahlreichen gesundheitlichen Problemen und einer hohen Armutsrate bei.

Frauenrechte

Es gab auch 2009 zahlreiche Fälle von Gewalt an indigenen Frauen und Mädchen. Der kanadische Verband indigener Frauen (Native Women’s Association of Canada) forderte erneut einen umfassenden nationalen Aktionsplan, um gegen die Gewalt und die ihr zugrunde liegende Diskriminierung anzugehen. Trotz ihrer erklärten Bereitschaft, der Gewalt Einhalt gebieten zu wollen, unternahm die kanadische Regierung keinerlei Schritte zur Umsetzung eines solchen Plans.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Personen, gegen die Immigration Security Certificates ausgestellt worden waren, wurde größtenteils der Einblick in das gegen sie verwendete Beweismaterial verweigert. Im Falle zweier Männer wurde die Ausstellung eines Security Certificate im Oktober bzw. Dezember durch das Bundesgericht aufgehoben.

Im Mai verweigerte der Oberste Gerichtshof Kanadas die Anhörung einer Klage gegen die kanadische Militärpolizei wegen der Überstellung von Kriegsgefangenen in Afghanistan an afghanische Behörden. Im November gab die Aussage eines kanadischen Diplomaten vor einem Parlamentsausschuss Anlass zu ernsthafter Sorge über die fehlerhafte Einschätzung des Folterrisikos für überstellte Gefangene durch hohe Beamte.

  • Im August 2009 bestätigte das Bundesberufungsgericht ein früheres Urteil, dem zufolge sich die kanadische Regierung um die Rückführung des kanadischen Staatsbürgers Omar Khadr zu bemühen habe, der im Alter von 15 Jahren in Afghanistan inhaftiert worden war und seit 2002 im US-Gefangenenlager Guantánamo festgehalten wird. Gegen dieses Urteil wurden beim Obersten Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Im Februar lehnte der Oberste Gerichtshof Rechtsmittel gegen eine Vereinbarung über sichere Drittstaaten zwischen Kanada und den USA ab, die Asylsuchenden, welche über die USA nach Kanada gelangen, den Zugang zum kanadischen System zur Bestimmung des Flüchtlingsstatus verweigert.

Polizei und Sicherheitskräfte

Mindestens eine Person kam 2009 zu Tode, nachdem die Polizei eine Taser-Waffe (Elektroschockpistole) gegen sie eingesetzt hatte. Damit ist die Anzahl derartiger Todesfälle seit 2003 auf mindestens 26 gestiegen.

Im Februar änderte die Polizeieinheit Royal Canadian Mounted Police (RCMP) ihre Politik bezüglich des Einsatzes von Tasern und beschränkte diesen auf Situationen, in denen "Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder die von Beamten" besteht.

In der Provinz British Columbia wurde die öffentliche Untersuchung des Todes von Robert Dziekanski fortgesetzt, der 2007 nach der Betäubung durch eine Taser-Waffe gestorben war. Die Provinzregierung akzeptierte alle Empfehlungen des im Mai veröffentlichten Zwischenberichts der Untersuchung. Dazu zählte auch der Vorschlag, der Polizei den Einsatz von Tasern nicht erst bei unmittelbar drohender Körperverletzung, sondern schon bei "aktivem Widerstand" verdächtiger Personen zu gestatten.

Im Oktober 2009 führten die RCMP und andere Polizeikräfte in Kanada Richtlinien ein, nach denen Beamte Taser nicht auf die Brust von Personen richten sollen.

Todesstrafe

Im März wurde die Regierung vom Bundesgerichtshof angewiesen, ihre Entscheidung, kein Gnadengesuch für den 1983 in den USA zum Tode verurteilten Kanadier Ronald Smith zu stellen, zu revidieren.

Internationale Justiz

Im Mai 2009 verurteilte ein Gericht in Québec den ruandischen Staatsbürger Désiré Munyaneza wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft. Im November klagte die Regierung einen weiteren ruandischen Staatsbürger, Jacques Mungwarere, des Völkermordes an.

Unternehmensverantwortung

Eine im März von der Regierung angekündigte neue Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen enthielt keine verbindlichen Menschenrechtsauflagen. Gesetzesinitiativen zur Schaffung eines verbindlichen menschenrechtlichen Rahmens für kanadische Unternehmen, die im Ausland an Erdöl-, Erdgas- und Bergbauprojekten beteiligt sind, stand Ende 2009 noch aus.

[Amnesty International: Berichte

]"A place to regain who we are" – Grassy Narrows First Nation, Canada (AMR 20/001/2009)

"Pushed to the edge" – The land rights of Indigenous Peoples in Canada (AMR 20/002/2009)

"Fighting for the future of our children" – Indigenous rights in the Sacred Headwaters region, British Columbia, Canada (AMR 20/003/2009)

Connecting our past to our future – The Long Point First Nation of Canada (AMR 20/010/2009)

No more stolen sisters – The need for a comprehensive response to discrimination and violence against Indigenous women in Canada (AMR 20/012/2009)

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