Positionspapiere Deutschland 05. November 2020

Amnesty-Stellungnahme zur Polizeigesetz-Novelle in Schleswig-Holstein

Zeichnung einer Figur mit Mütze und Jacke, auf der "Polizei" steht

Anlässlich der Anhörung des Innenausschusses zu der geplanten Neufassung polizeirechtlicher Vorschriften im schleswig-holsteinischen Landesverwaltungsgesetz im Landtag am 4. November 2020 erklärt Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland:

"Der schleswig-holsteinische Gesetzentwurf steht in einer Reihe mit geplanten Verschärfungen der Polizeigesetze in vielen Bundesländern, die aus Sicht von Amnesty International kritisch zu sehen sind.

Sollte der Gesetzentwurf in der derzeitigen Fassung beschlossen werden, wird an verschiedenen Stellen gegen Menschenrechte verstoßen. Auch die Rechtssicherheit ist nicht gewährleistet: Gleich mehrere einschneidende Maßnahmen wie zum Beispiel die elektronische Fußfessel und Aufenthaltsverbote knüpfen an eine sehr vage Definition an. Danach nimmt die Polizei aufgrund bestimmter 'Tatsachen' oder aufgrund des 'individuellen Verhaltens' einer Person an, dass sie in absehbarer Zukunft eine terroristische Straftat begehen könnte. Völlig unklar bleibt aber, welche Art von Verhalten oder Tatsachen diese Einstufung auslösen können. Nach dem Prinzip der Rechtssicherheit müssen aber alle Menschen in etwa vorhersehen können, welches Verhalten sie in das Visier der Polizei bringen könnte – hierfür sind die Vorgaben des Gesetzentwurfs aber viel zu vage. 

Besonders kritisch sieht Amnesty die vorgesehene neue Befugnis, zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität verdachtsunabhängige Identitätskontrollen nach § 181 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 LVwG-E vorzunehmen. Diese Befugnis ist sachlich und örtlich zu unbestimmt und birgt die Gefahr diskriminierender Polizeikontrollen (Racial Profiling).

Auch die Aufnahme von Distanzlektroimpulsgeräten in den Katalog der zulässigen "Waffen" nach § 251 Abs. 4 LVwG-E birgt aus Sicht von Amnesty International weitreichende Risiken: Auf keinen Fall sollte eine allgemeine Bewaffnung der Streifenpolizei mit Distanzlektroimpulsgeräten (DEIG) ermöglicht werden, da die Gefährlichkeit von DEIG regelmäßig unterschätzt wird. Amnesty International fordert die schleswig-holsteinische Landesregierung dazu auf, den Gesetzesentwurf so anzupassen, dass Menschenrechte und Rechtsstaatsprinzip gewahrt bleiben."

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