My Body, My Rights

Body Paragraphs
Hand mit Tattoo der Kampagne "My Body My Rights"

Mit wem will ich Sex haben? Wann und wen heirate ich? Will ich es überhaupt? Möchte ich Kinder haben, wie viele und wann? All dies selbst zu entscheiden, gehört zu den fundamentalen Rechten für ein eigenverantwortliches Leben. Staaten müssen diese sexuellen und reproduktiven Rechte gewährleisten und dafür sorgen, dass niemand diskriminiert wird. Doch in vielen Ländern ist dies nicht der Fall. Deswegen startete Amnesty International im November 2014 die globale Kampagne "My Body, My Rights". Ein Rückblick.

Man stelle sich einmal vor, eine 18-jährige Frau aus Berlin erleidet eine Fehlgeburt. Statt medizinische Versorgung und psychologische Betreuung zu erhalten, drohen ihr 30 Jahre Haft.

Was in Deutschland unvorstellbar wäre, wurde für Guadalupe aus El Salvador traurige Realität. 2007 wurde sie für eine Fehlgeburt zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Denn in El Salvador werden Fehlgeburten wie Mord geahndet. Den betroffenen Frauen drohen bis zu 50 Jahre Haft. Abtreibungen sind grundsätzlich verboten - selbst nach einer Vergewaltigung oder wenn das Leben oder die Gesundheit der werdenden Mutter in Gefahr ist. Frauen, die wegen Schwangerschaftsabbrüchen verurteilt werden, erhalten Haftstrafen von bis zu acht Jahren. Guadalupe hatte Glück: Nachdem sich unter anderem Amnesty International für sie eingesetzt hatte, wurde sie im Januar 2015 begnadigt. Doch etliche Frauen sitzen nach wie vor im Gefängnis, weil der Staat über ihren Körper bestimmt.

Amnesty erhöht den Druck

Mit der globalen Kampagne "My Body, My Rights" ("Mein Körper, Meine Rechte") forderte Amnesty Regierungen weltweit auf, das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung zu respektieren. Denn jeder Mensch hat das Recht, frei und unabhängig über den eigenen Körper, seine sexuelle Identität und Fortpflanzung zu entscheiden. Oft unterminieren Staaten jedoch genau dieses Recht. So ist in etlichen Ländern der Zugang zu Verhütungsmitteln und Aufklärung nicht gegeben, Homosexuelle werden verfolgt, in manchen Ländern droht aufgrund der "falschen" sexuellen Ausrichtung Gefängnis oder gar die Todesstrafe.

Weltweit bekommen jedes Jahr 14 Millionen minderjährige Mädchen ein Kind nach erzwungenem Sex oder einer ungewollten Schwangerschaft. 47.000 Frauen sterben jährlich aufgrund unsicherer Abtreibungen, und jede dritte Frau auf der Welt wurde bereits sexuell missbraucht.

Doch selbst in den UN herrscht Uneinigkeit über sexuelle und reproduktive Rechte. Afrikanische Staaten, aber auch europäische Staaten wie Polen oder der Vatikan vertreten nach wie vor einen extrem konservativen Kurs. "Ein großes Problem sind auch die Abtreibungsgegner, die bei den Vereinten Nationen Lobbyarbeit betreiben", berichtet Nicole Bjerler, die UN-Beauftrage von Amnesty in New York. "Dabei schrecken sie auch vor falschen Darstellungen nicht zurück, indem sie etwa behaupten, der Sexualkundeunterricht wolle Kinder zur Homosexualität verführen."

Daher forderte Amnesty gemeinsam mit 281.000 Unterstützerinnen und Unterstützern und 360 zivilgesellschaftlichen Organisationen in einer Petition an die Entscheidungsträger der UN, dass die sexuellen und reproduktiven Rechte in der Bevölkerungspolitik und in den globalen Entwicklungszielen eine hohe Priorität erhalten sollen. Mit Erfolg - die am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen sehen vor, bis zum Jahr 2030 Geschlechtergerechtigkeit und die Ermächtigung von Frauen und Mädchen erreicht zu haben. Als Ziele werden unter anderem die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, politische Gleichberechtigung sowie der Zugang zu reproduktiven Rechten genannt.

Gegen das absolute Abtreibungsverbot in El Salvador

Eines der Schwerpunktländer der Amnesty-Kampagne "My Body, My Rights" war El Salvador, aufgrund des dort herrschenden absoluten Abtreibungsverbots. Hunderte Frauen und junge Mädchen sind dort infolge unsachgemäßer Schwangerschaftsabbrüche gestorben. Andere wurden nach Fehlgeburten zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt, da man ihnen einen vorsätzlichen Schwangerschaftsabbruch und damit "Mord" unterstellte. Nach Einschätzung von Amnesty International ist die repressive Gesetzeslage Ausdruck der weitreichenden gesellschaftlichen Diskriminierung von Frauen und Mädchen. Es fehlt an sexueller Aufklärung, Frauen und Mädchen können sich kaum über Verhütung und medizinische Versorgung während und nach der Schwangerschaft informieren.

Mit zahlreichen Aktionen, Mahnwachen, Vorträgen, Infoständen und Filmvorführungen warben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in Deutschland für Aufmerksamkeit und Beteiligung an der Kampagne. Dabei sammelten sie 29.879 Unterschriften für die Petition "El Salvadors absolutes Abtreibungsverbot aufheben".

Im Juni 2015 übergab Selmin Çalışkan, die damalige Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, die gesammelten Petitionen an José Atilio Benítez Parada, den Botschafter El Salvadors. In der Unterredung ging es explizit um die von Diskriminierung und Gewalt geprägte Situation der Frauen in dem zentralamerikanischen Land und die Notwendigkeit, das absolute Abtreibungsverbot abzuschaffen.

Erfolg nach nur vier Monaten

Zu den sexuellen und reproduktiven Rechte gehören auch die Rechte von transgeschlechtlichen Menschen. Amnesty setzte sich deshalb für eine Norwegerin ein: Obwohl biologisch als Junge geboren, wusste John Jeanette Solstad Remø schon in Kindesjahren, dass sie ein Mädchen ist. Norwegen erlaubte eine Geschlechtsänderung in offiziellen Dokumente jedoch nur, wenn sich die betreffende Person einer Geschlechtsangleichung unterzogen hatte. Dazu zählte die Attestierung einer psychischen Störung und die chirurgische Entfernung der Fortpflanzungsorgane, was einer Sterilisation gleichkommt. Diese veraltete Gesetzgebung aus den 1970er-Jahren führte regelmäßig zu öffentlichen Demütigungen, wenn John Jeanette Solstad Remø in Ämtern, Wartezimmern oder Hotels auf ihr offiziell männliches Geschlecht angesprochen wurde und sich rechtfertigen musste.

Anstatt sich eine Geschlechtsangleichung vorschreiben zu lassen, protestierte sie gemeinsam mit Tausenden Menschen im Rahmen des Amnesty-Briefmarathons im Dezember 2014 gegen die norwegische Gesetzgebung. Und nur vier Monate später, im April 2015, wurde tatsächlich eine Gesetzesänderung vorgeschlagen. "Ohne die Unterstützung durch Amnesty International wäre das alles nicht möglich gewesen", erzählte John Jeanette Solstad Remø. "Selbst der Gesundheitsminister Bent Høie hat gesagt, dass dieses Engagement entscheidende Impulse gegeben hat, um den Prozess voranzubringen. Es ist einfach fabelhaft, wie viel Unterstützung wir von Menschen auf der ganzen Welt erhalten haben. Ich möchte allen von Herzen danken, die mich und andere in diesem Kampf unterstützt haben."